"Klein" Hannelore als einstiges Traumkind
 
 
Vorwort
 
Mit meiner Geschichte möchte ich nicht nur unsere Kleinen –
sondern auch ihre Eltern oder Großeltern beglücken.
 
Ja, vielleicht bist du es, der noch auf der Suche ist –
und sich nach Liebe sehnt?
 
Denn:
 
Hör` ein Randgruppenkind
heut` - noch flüstern im Wind:
„Wo bist du?“
 
 
 
Eine Kurzbeschreibung zum Inhalt:
 
Die kleine fünfjährige Maria ist mit Mama Gittli in Not!
Aber das Christkind kann uns ja helfen, denkt das arme Kind –
und geht auf die Suche... 
JESUS ist doch überall, hat Mama gesagt, und deshalb werde ich IHN auch ganz gewiss finden!
 
Während das Kind durch den Winterwald eilt, führt der liebe Gott seine Kleine bald vor
ein großes altes Haus. Ob es ein Schloß ist?
 
Ein wunderschöner Herr öffnet die Tür – und erstaunt fragt das Kind: „Bist du das Christkind?“
Gerührt trägt Prinz Ludwig das liebliche „Silberglöcklein“ in sein Schloß,
aber noch weiß er ja nicht, dass er nicht nur seine kleine Tochter,
sondern auch Traumfrau Brigitta – und das Christkind finden soll...
 
 
 
 Maria, das kleine Traumkind
 
Eine Kindergeschichte                                                            aus Hannelore Leibolds „Märchenland“
 
1. Kapitel:   Maria sucht das Christkind 
 
Es schreitet durch den knirschenden Schnee. Mit seinem rotkarierten Mäntelchen bekleidet,
die Händchen in den Manteltaschen versteckt, schauen unter einer Wollmütze traurige Kinderaugen hervor.
Tränen? Ja, das Kind muss geweint haben, denn unter den großen und fast
nachtschwarzen Augen glänzen Perlen wie kleine Eiskristalle
über das runde Gesichtchen.
Viel zu dünn sind die alten Gummistiefelchen, in denen die Kleine doch frieren muss.
Aber es will ja sein Ziel erreichen, im Winterwald das Christkind zu finden.
Das fünfjährige Mädchen muss an Mama denken, die noch bei fremden Leuten putzen muss.
Wie lieb hat sie ihre wunderschöne Mama, die wie eine junge Königin ausschaut.
Warum nur hat sie Papa verlassen? Nur weil Mama ein armes Mädchen war?
Maria schluchzt im Kinderherzen auf und setzt sich eine Weile auf einen Holzstapel nieder.
Sie muss an zu Hause denken, an das kleine Häuschen, in dem sie mit Mama lebt.
Im Winter haben sie nur die kleine Küche beheizt,
weil Mama ja alleine Geld verdienen muss, damit sie leben können.
Das lustige Sofa ist auch groß genug, um darauf zu schlafen.
Und mit Mama so aneinandergekuschelt zu sein, ist einfach wunderbar.
Könnte ich ihr doch helfen, Geld zu verdienen, denkt Maria, denn Mama hat große Sorgen,
damit wir satt werden. Manchmal weint sie leise in der Nacht, wenn sie glaubt,
dass ich schlafe. Ob sie auch wegen Papa weint?
 
Noch nie habe ich ihn gesehen, denkt das Kind und reibt sich die frierenden Händchen
warm. Wie mag er wohl ausschauen? Ob er in einer großen Stadt lebt?
O, ich will ja das Christkind suchen und weil Mama sagt, dass es überall ist,
werde ich es auch finden. Maria eilt weiter, stolpert hin und wieder über eine eisbedeckte Wurzel.
„Lieber Jesus, bitte, bitte lass mich dich bald finden“, flüstert das Kind,
 
„denn nur du kannst uns doch helfen, sagt Mama so oft.
Und das glaube ich doch auch!“ „Ob ich mich verirrt habe?“, fragt sich Maria ängstlich –
und im Winterwald wird es allmählich dunkel.
„Aber ich habe ja meinen Schutzengel bei mir“, tröstet sich das Kind und geschwind eilt es weiter.....
Doch was leuchtet dort oben zwischen den Bäumen für ein Licht hervor?
Steht da nicht eine Laterne? Ganz sicher wohnt dort das Christkind,
denkt Maria – und klettert noch mühsam über den langen Hügel hinauf.
Überrascht steht sie vor einem großen und alten Haus.
Fast sieht es wie ein Schloß aus, überlegt das Kind und zittert vor Freude.
Ja, in Ihm muss Jesus wohnen – und vor ihm brauche ich mich nicht zu fürchten.
Tapfer klopft sie an die alte Tür. Und noch einmal. Aber wer öffnet nun die Tür?
Erstaunt schaut sie zu einem großen Mann hinauf. „Wo kommst du denn her, Kleine?“,
 
fragt er besorgt, aber Maria ist stumm vor Entzücken.
Solch einen schönen Herrn hat sie noch nie gesehen, ja, ein Herr ist er, oder ein König?
„Hast du dich verirrt, mein Kind“?, fragt er erneut und Maria erwacht wie aus einem Traum.
„Ich suche das Christkind“, flüstert sie mit ihrem feinen Stimmchen
und bin von weit hergekommen, um es zu finden.“
Wie ein liebliches Silberglöcklein tönt das Stimmchen in des Mannes Herz und gerührt
nimmt er es auf den Arm, um es in sein Haus zu tragen. 
                                                                                          
 
2. Kapitel:                       In des Winterwaldes Schloß
 
Maria staunt! Welch ein wunderschönes Zimmer!
Fast ehrfürchtig betrachtet sie all die feinen Sachen darin.
Prinz Ludwig ruft inzwischen seinen alten Diener Toni herbei, der mit zittrigen Händen
dem Kind das Mäntelchen auszieht. „Bringe uns heiße Milch und Kekse, Toni,
denn meine kleine Freundin ist ganz sicher hungrig und erschöpft.
Kommt sie doch von weit her und sucht das Christkind!“
O, jetzt wird Maria wieder munter und aufgeregt fragt sie den Fremden, ob es hier wohne.
Während sie sich ihre Wollmütze abzieht, fallen dicke, goldbraune Locken bis auf die Schultern
– und unter der kleinen Stubsnase ist das kirschrote Mündchen in staunender Erwartung geöffnet.
Entzückt betrachtet Prinz Ludwig dieses ärmliche, aber wunderschöne Geschöpfchen.
An wen erinnert es mich, überlegt er nachdenklich und schaut in große, strahlende Märchenaugen.
„Bist du das Christkind“, fragt die Kleine gespannt,
„denn es kann ja auch ein großer Mann sein, weißt du?
Es ist ja vor vielen Jahren geboren und Mama hat mit so schöne Geschichten von Jesus erzählt.“
„Nein, ich bin nur Lu, so darfst du mich nennen, aber wer ist denn deine Mama
– und darf ich nun wissen, wer du bist?“ „O, entschuldige, ich heiße Maria und Mama ist die Gittli!
Ja, Gittli nennt man sie bei uns. Wir wohnen ganz weit da unten in dem kleinen Dörfchen
Waldrausch und sind ganz arm.
Mein Papa hat uns deshalb wohl verlassen und Mama putzt bei fremden Leuten,
damit wir leben können. Hoffentlich ist sie noch nicht zu Hause, denn sie weiß ja nicht,
dass ich alleine weggegangen bin. Dann macht sie sich große Sorgen,
weil sie mich so lieb hat.“ „Aber warum bist du denn davongelaufen, Maria? 
Weißt du denn nicht, dass das Christkind im Himmel ist?“  
                                                                                                                             
„O ja, Lu, da ist es natürlich auch, aber Mama hat mir erzählt, dass es auch überall ist.
Und dass es uns überhaupt nur noch helfen kann.
Ich bin doch erst fünf Jahre und kann noch kein Geld verdienen.
Großvater ist schon seit zwei Jahren verstorben und konnte dann nicht mehr für uns sorgen.
Er hat uns aber sein kleines Häuschen geschenkt, weißt du,
das buntbemalte da unten in Waldrausch. Und dahinter ist ein großes Kornfeld.
O, das muss ich dir noch erzählen, Lu, denn da habe ich einmal von Jesus geträumt.“
„Warte, Maria, Toni bringt uns soeben die heiße Milch herein. Danke Toni!
Und nun bediene dich, kleine Dame. Du darfst auch alle Kekse aufessen!“
„O, danke, Lu! Hhm, das schmeckt lecker!!!
Aber nun erzähle ich dir meinen Traum.“ Er wird dir gewiss gefallen, Lu!“         
                                                                                                            
 3. Kapitel:          Der große Mann und das Traumkind
 
„Also, ich war droben am Kornfeld. Es war Sommer
– und ich wollte für Mama ein Sträußlein Kornblumen pflücken.
Die sind so wunderschön und so himmelblau, wie Mamas Augen.
Und plötzlich stand der liebe Jesus da – und alles um ihn herum war so licht und fein.
Er hatte Kornähren in seiner Hand und ich habe mich gewundert,
warum er denn nicht die schönen Kornblumen gepflückt hatte.
„Jesus“, habe ich dann zu ihm gesagt, „weshalb hast du nicht einen Strauß von den
himmelblauen Blumen gepflückt? Die schauen doch viel schöner aus.“
„Ja, Maria, da hast du schon recht, aber ich will das Korn doch armen Menschen
schenken, damit sie nicht zu hungern brauchen.“
„O, Jesus, das ist ja eine gute Idee! Wir sind doch auch so arm
– und sicher kann Mama das Korn viel nötiger gebrauchen.“
 
„Ja, Maria“, sagte Jesus, „auch euch wollte ich von den Kornähren schenken,
aber nun kannst du sie ja selbst pflücken und deiner Mama geben.
Es gibt noch so viele arme Menschen auf der Erde, denen ich nun das Korn bringen möchte.“
„Wie lieb hat er mich angeschaut, Lu, und als ich aus dem Traum erwachte,
bin ich rasch hinauf zum Kornfeld gelaufen, um für Mama einen großen Strauß Kornähren zu pflücken.
Sie hat sich zwar sehr gefreut, Lu, und hat auch einen süßen Brei daraus gemacht.
Aber ich musste ihr versprechen, nie wieder Kornähren zu pflücken, weil sie ja dem Bauer Busch gehören.
Und man darf keinem anderen etwas wegnehmen, sagt Mama.
O, ob sie schon zu Hause ist, Lu? Warum weinst du denn?“
„Kleine Maria, dein Traum hat mich etwas traurig gemacht, aber auch ein Mann darf einmal weinen!“
„Du sollst aber nicht traurig sein, Lu, warte, ich erzähle dir noch rasch einen anderen Traum,
damit du wieder fröhlich wirst!“ „Ja, da habe ich von meinem Schutzengel geträumt!
Und Mama sagt, dass jeder Mensch einen Schutzengel hat, aber meiner ist so wunderschön!“ 
                                                                                                                                                 
Maria strahlt. „Er trägt ein Kleid aus weißer Seide und seine Flügel schimmern wie ein Regenbogen.
Auch seine goldenen Haare leuchten wie die schönste Perlenkette.
Dann durfte ich mich sogar auf seine Flügel setzen und wir flogen hinauf und immer höher,
fast bis in den Himmel hinein. Es war so schade, Lu, dass er in diesen nicht hinein flog,
denn dann hätte ich bestimmt das Christkind gefunden. Aber ich habe noch all die
Glöcklein gehört, die schon bald das Weihnachtsfest einläuten werden. Schade, Lu, dass
ich es nun auch bei dir nicht gefunden habe. Du trägst eine solch feine Seidenjacke und
bist überhaupt ein wunderschöner Mann. Aber nun muss ich zu Mama, denn sie wird mich
ganz sicher schon suchen.“ „Nein, mein Kleines, ich lasse dich nicht alleine durch den
langen Wald laufen, Kaspar wird dich nach Waldrausch fahren. Liebes „Silber –glöcklein“,
du wirst dein Christkind noch finden!“
Und der große Mann trägt seine kleine Freundin in des Kutschers Wagen.
„O, danke, Lu, es war so schön bei dir! Gute Nacht, lieber, lieber Lu und sei nicht mehr traurig!“
Verstohlen wischt sich der Mann eine Träne aus den Augen
und winkt seiner Maria innig nach ..........
                                                                                                                           
4. Kapitel:                    Mama Gittli und ihre Kleine
 
 
„Maria, mein Kleines, wo kommst du her? Kind, wie dankbar bin ich, dass du nur wieder zu
Hause bist!“ Schluchzend nimmt die Mutter ihre Kleine ans Herz und ist so glücklich, dass
ihr nichts passiert ist. „Mama, ich habe doch nur das Christkind gesucht und stell dir vor,
ich habe sogar ein altes Schloß gefunden. Mama, in ihm lebt Lu, ach Mama, ist das ein
wunderschöner und lieber Mann. Er schaut wie ein König aus und nennt mich
Silberglöcklein.“ Sprudelnd erzählt das Kind von all ihren Erlebnissen mit dem
Unbekannten.
Gittli weiß zwar, dass ihr Töchterlein eine rege Fantasie hat, aber sie hat ihre Kleine immer
zur Ehrlichkeit erzogen und wird nachdenklich. Wem mag das Kind begegnet sein und wo
könnte ein Schloß stehen, von dem es erzählt? Aber Gittli ist müde und verdrängt eine
Erinnerung.......
Rasch bereitet sie das karge Abendmahl zu, während Maria den Tisch deckt. Sie darf
auch wieder beten, wie Mama es ihr gelernt hat, denn man kann ja mit dem lieben Gott
alles besprechen, was einem gerade einfällt. Und das erzählt sie ihm nun vor dem
Abendessen, für das sie dann gemeinsam danken. Und gemeinsam wird ebenso danach
das Geschirr abgewaschen. Nun gießt Mama warmes Wasser in die Schüssel, denn auch
die körperliche Reinigung darf nicht versäumt werden. Das Küchenfensterchen ist fast
zugefroren – und Mama legt noch Holzscheiten in den Herd.
„Nun aber rasch ins Bett, Maria“, und schon liegen die Beiden auf dem alten Sofa. Gittli hat
die Zudecke aus kleinen Stoffresten zusammengebastelt und sie schaut wie ein niedlicher
Blütenteppich aus. Eng aneinander-geschmiegt liegen sie nun müde unter der warmen
Decke und schlafen bald ein. Und wieder träumt Maria vom Christkind, aber auch von Lu,
ihrem neuen Freund. Ruft er nicht nach ihr?           
                                                                                                                               
Silberglöcklein, komme bald, bald wieder zu mir, du wirst das Christkind finden!
Sei nicht traurig Lu, weine nicht, denn so sieht Maria ihren großen Freund einsam in einem
Lehnstuhl sitzen. Hast du keine Freunde, fragt sie ihn und kann schon ahnen, dass er keine
hat. Lu, ich habe doch auch keine, weil ich so arm bin – und die reichen Kinder im Dorf
dürfen nicht mit mir spielen. Auch weil ich keinen Papa habe, weißt du?
Doch ich habe ganz andere Freunde, lieber Lu, und die haben mich so lieb.
Welche denn, Maria? Lu, morgen komme ich zu dir, ruft sie laut durch ihre Traumwelt und
ist so aufgeregt, dass sie erwacht. O, Mama ebenso, na, es ist ja schon fast Morgen.
Gittlis Mutterherz krampft sich zusammen, denn sie muss ja heute schon am frühen
Vormittag zur Villa Schönau, und muss ihr Kind bis zum Abend alleine lassen.
Ein arbeitsreicher Tag liegt vor ihr und sie überlegt, wie sie ihr Töchterchen beschäftigen
könnte. Darf sie es doch zu den vornehmen Herrschaften nicht mitnehmen und die Mutter
bangt sehr um ihr Kind. „Mama, weinst du“? – hört sie das feine Stimmchen ihrer Kleinen
und nimmt sie zärtlich in die Arme. „Maria, ich sorge mich, muss ich dich heute früher
verlassen – und komme erst am späten Abend nach Hause.
Und gestern Nachmittag bist du so weit weggelaufen, Kind, was hätte dir passieren
können. Soeben hörte ich dich rufen, dass du wieder diesen fremden Mann besuchen
willst?“        
                                                                                                                                         
„Nein, Mama“, unterbricht sie das aufgeregte Kind, „diesen Nachmittag gehe ich nicht fort!“
Ein Stein scheint von Gittlis Herz zu fallen, denn sie weiß, dass Maria ein braves und
gehorsames Kind ist. „O Liebling, dann kann ich also unbesorgt das Haus verlassen?“
„Ja, liebe Mama, das kannst du!“ Nach dem gemeinsamen Morgenfrühstück rasch noch
einen innigen Abschied – und schon ist Gittli auf dem Wege zur Villa Schönau. In wenigen
Tagen feiert man das Weihnachtsfest und die Herrschaften erwarten Gäste. Heute muss
der große Empfangssaal gereinigt werden, danach wird man den Tannenbaum aufstellen,
den Gittli auch noch schmücken muss.
Wehmütig denkt sie an ihr armes Kind, das sein Christkind sucht. Von ihrem heutigen
Lohn will sie ihrer Kleinen noch ein paar warme Stiefelchen kaufen, denn aus den alten ist
es herausgewachsen – und die Gummistiefelchen sind viel zu kalt.
„O, lieber Gott, hilf uns aus unserer Not“, betet Gittli verzweifelt vor sich hin, während ihre
kleine Tochter zu Hause gerade im Aufbruch ihres Abenteuers ist......
 
5. Kapitel:                          Neue Freunde für Lu
 
Nein, ich habe Mama nicht belogen, denkt Maria. Denn Gestern war es Nachmittag, als ich
fort gegangen bin. Aber heute ist es ja am Morgen und ich muss mich eilen, dass ich zu Lu
komme. Schon eilt sie durch den sonnendurchflutenden Winterwald und singt dabei mit
süßer Kinderstimme ein Märchenlied. Sie wird das Christkind finden und Lu ganz sicher
auch. Dann ist er nicht mehr traurig, denkt Maria und freut sich, als sie schon bald das alte
Schloß erreicht hat. Nur noch über den Hügel – und sie steht staunend vor dem großen
Haus. Es sieht ja heute ganz anders aus, überlegt sie, ob es durch die liebe Sonne so
goldrosig schimmert? „Hallo Lu“, ertönt ihr mutiges Stimmchen, während sie recht laut an
die Tür klopft.
Schon liegt sie in seinen Armen und wird wieder in den wunderschönen Saal getragen.
Auch Toni eilt rasch in die Küche, denn die kleine Dame muss wieder versorgt werden.
„Maria, bist du wieder bei mir, mein Kleines? Und macht sich deine Mama keine Sorgen
um dich?“ „Doch, Lu, aber ich musste ihr ja nur versprechen, nicht mehr wie gestern
fortzulaufen, da war es Nachmittag – und so weiß sie nicht – dass ich heute Morgen schon
bei dir bin.“ Lu kann über diese kindliche Logik nur schmunzeln, während Toni die heiße
Milch mit einem köstlichen Brötchen serviert. O, das schmeckt besonders gut und der
treue Diener freut sich mit seinem Herrn. Doch Maria kann kaum abwarten, von ihrem
Traum zu erzählen........
„Du hast mich heute Nacht gerufen, Lu – und warst ganz einsam und traurig, weil du keine
Freunde hast. Weißt du, ich habe auch keine Kinder, die mit mir spielen, weil ich so arm
bin. Aber Jesus hat mir ganz andere Freunde geschenkt, und mit denen kann ich das
ganze Jahr spielen!“                                                                                                   
                                                                                                                                    
Lu schaut überrascht in die strahlenden Kinderaugen. Konnte das Kind so feinfühlig sein,
überlegt er. Hatte er in dieser Nacht fast kaum geschlafen und über sein einsames Leben
nachgedacht. „Mein Silberglöcklein“, stöhnt er leise vor sich hin. „Ja, Lu, so hast du mich
heute Nacht gerufen und stell dir vor, Silberglöcklein waren meine ersten Freunde. Das
sind die Blumenkinder – und im Frühling tanzen sie schon lustig auf der Wiese. Weißt du
Lu, wenn der Wind weht, hört man sie sogar ganz zart und leise singen. Und Mama sagt,
wenn die Bäume rauschen, dann singen sie ganz gewiss ein Lied für den lieben Gott.
Ob man unser Dorf wohl auch deshalb Waldrausch genannt hat?“
„Gewiss, Maria, aber du wolltest mir doch von deinen Freunden erzählen?“
„O ja, Lu, sie sind so lieb. Also, es war im Sommer, als ein kleiner Vogel schon früh
morgens an mein Fensterchen geklopft hat. „Was willst du mir denn erzählen, mein kleiner
Piepmatz“? – habe ich ihn gefragt, dann hat er mit seinem Schnäblein noch mal geklopft
und ich wusste, was er mir sagen wollte: „Komm heraus!“ Doch, das hat er gemeint und
Mama sagt, dass auch Tierlein sprechen können. Ja, und dann bin ich hinaus gegangen,
 
weißt du Lu, wir haben auch eine kleine Wiese vor unserem Häuschen, und da kann mein
kleiner Freund Schwirli so gut spielen. „Schwirli, mein kleiner Schmetterling, wie freue ich
mich, dass du wieder zu mir gekommen bist“, habe ich ihn begrüßt, „und wie lieblich und
bunt du heute schimmerst. So farbenschön und fein. Gefällt dir auch mein Kleidchen? Das
hat meine Mama selbst genäht, ist es nicht hübsch? Schau, die vielen Blümchen darauf,
die hat sie sogar noch hineingestickt. Mein Schwirli, du hast aber das allerschönste
Kleidchen an, weil es der liebe Gott gemacht hat! Aber was ist denn los, Schwirli“? – habe
ich ihn gefragt –„warum bist du so unruhig? Möchtest du mir etwas erzählen? O, ich habe
eine prima Idee, denn wir werden nun miteinander üben, das Reden zu lernen. Nun höre
mir gut zu. Wenn du mit JA antworten willst, dann lässt du deine Flüglein flattern – und wenn
du dein Köpflein hebst, dann heißt es: Nein! Wollen wir das nun gemeinsam
ausprobieren?
Schwirli, hast du mich lieb? Hurra, du hast mich ja verstanden, denn deine Flüglein flattern
so lustig! Wie lieb habe ich dich mein kleiner Freund.
Möchtest du nun fortfliegen, Schwirli? Prima, auch das klappt, schau, dein Köpfchen hebt
sich ja ganz doll – und noch einmal! Nun gut, dann flieg erst einmal fort, denn sicherlich bist
du hungrig – und droben am Kornfeld wirst du satt werden...
Auch Mama ruft! Also, bis bald Schwirli!“
Verträumt schaut Maria durch das große Fenster in Lu`s Saal.....
„Schau Lu, sie ist auch meine Freundin, die Frau Sonne – und mit ihr kann man ebenso
lieb spielen. Welch wunderschönes Kleid sie trägt, ja, sogar jetzt im Winter, fallen ihre
Goldbänder bis auf die Erde. Im Sommer wachsen auch die Blümchen viel schöner und
wenn sie lacht, dann strahlen sie mit ihren Äuglein zu ihr hinauf und beginnen zu tanzen. Sie
möchte bestimmt auch deine Freundin werden, Lu, weißt du, wie du mit ihr reden kannst?
Guten Morgen, liebe Sonne, kannst du sie begrüßen, danke dem lieben Gott, dass er dich
so schön erschaffen hat. Und wenn sie müde ist, dann geht sie unter einer Wolke ins
Himmelbett. Aber sie lacht noch ganz lieb, wenn man ihr gute Nacht sagt.         
                                                                                                                                       
Und dann kommt der Mond, Lu. Das ist ganz sicher ihr Mann und die vielen kleinen
Sternlein sind ihre Kinder. Komisch, dass sie Nachts noch gar nicht müde sind? Aber der
Mond, Lu, der hat ein lustiges Gesicht. Das muss ich dir erzählen. Einmal ist er ganz
mager, dann hat er sicher Hunger und wenn er satt ist, dann ist er kugelrund. Man kann
auch prima mit ihm spielen Lu, weißt du wie? Pass auf, dann kannst du es heute Abend
schon versuchen und es macht so viel Spaß! Hallo, lieber Mond, musst du rufen, soll ich
dich suchen? Dann geht er hinter die Wolken und das bedeutet, dass du ihn suchen sollst.
Ja, und dann musst du dich unter einem Baum verstecken und wieder laut rufen, dass er
dich suchen soll. Plötzlich kommt er hervor und du weißt, dass er dich gefunden hat. Das
macht Spaß, ein solches Versteckspiel Lu, und du wirst dann gar nicht mehr traurig sein.
Aber Lu, warum weinst du? „Ach, Kleines, das sind nur Freudentränen, denn auch ich habe
als Bübchen solche Freunde gehabt. Nur hatte ich es vergessen, weil es vor so langer Zeit
war.“
„Ja, hattest du denn keine anderen Freunde, Lu? Hattest du keine Kinder, die mit dir
gespielt haben? Du warst doch sicher ein reiches Kind?“ „Ja, Maria, das war ich wohl,
aber reiche Kinder können auch sehr arm sein.“ „Warum denn, Lu?“ „Ja, wie kann ich dir
das erklären, Kleine, aber da fällt mir eine Geschichte ein, soll ich sie dir erzählen?“
„O bitte, lieber, lieber Lu, erzähle sie mir, ja?“
Danke, Lu, danke!“
    
6. Kapitel:                   Lu, der kleine Prinz
 
Wir hatten damals viele Diener und meine Eltern hatten oft Gäste im Haus. Für mich hatten
sie deshalb wenig Zeit – und fremde Kindermädchen mussten sich um mich kümmern.
Doch ich wollte meine Mama, aber sie war eine kaltherzige Dame und verstand mich nicht,
wie sehr ich mich nach Liebe sehnte. Auch mein Vater war ein strenger Mann und wenn ich
heimlich weinte, durfte er mich nicht dabei erwischen. Ein Bub hat nicht zu weinen, war
seine Meinung und ich hatte Angst vor ihm. Nur bei der guten alten Anna, es war unsere
Köchin, konnte ich heimlich das Kind sein, das ich sein wollte. Das hätten aber meine
Eltern nicht wissen dürfen, denn ich sollte mit armen Menschen nichts zu tun haben. Anna
lebte damals in einem kleinen Häuschen hinter dem Hügel – und bevor sie zu uns kam, war
sie bettelarm. Man nannte sie die armen Schuster Müllers, die gerade nur das
Notwendigste zum Leben hatten. Und in dem kleinen Haus lebte noch Annas Schwester,
deren Mann gestorben war. Man nannte sie das Nähsuserl, das durch Flickarbeit ihre
Kinder nur mühsam ernähren konnte. Es waren das Peterle und sein Schwesterlein Roserl.
Diese Kinder und ich waren damals auch in deinem Alter, Maria, und ich wollte sie so
gerne kennen lernen. Das durften aber meine Eltern nicht wissen – und deshalb bin ich
heimlich über den Hügel gelaufen, um mit ihnen zu spielen. Und wie dünn waren die Kinder
und meist so hungrig. Da hatte ich eine Idee! Anna musste mir aus der Küche einen Korb
mit Brot und anderen Speisen füllen, aber sie hatte Angst, dass meine Eltern, die
Herrschaften davon erfahren könnten. Dann würde man sie entlassen. „O nein, Anna“,
bestürmte ich sie flehentlich, „es wird unser Geheimnis bleiben.“
„Kleiner Lu, dann müssen wir ganz innig zum lieben Gott beten, denn er will ja keine Diebe,
aber auch nicht, dass arme Menschen hungern. „Ja, Anna, das werden wir tun! Und Mama
hat ja so viele Stoffe in der großen Truhe, von denen kann ich dem Nähsuserl auch einige
schenken. Denn der liebe Gott möchte ja auch nicht, das arme Kinder frieren.“
Versunken träumt der große Lu eine Weile vor sich hin, bis ihn Maria wieder fragt: „Lu,
waren denn diese Kinder dann deine besten Freunde?“
„Ja, Maria, aber nicht lange, denn ein Diener hatte mich heimlich beobachtet und mich
meinen Eltern verraten. Dann bekam ich für eine Woche Stubenarrest und meine gute
Anna wurde fristlos entlassen. Auch die Müllers mussten ihr Häuschen verlassen, und ich
habe sie nie mehr wiedergesehen.
Schau, Maria, so kann ein reiches Kind auch arm sein, und ich war oft einsam und traurig.“
„Ja, lieber Lu, das kann ich nun verstehen, aber warum hast du denn das Christkind nicht
gesucht, damals?“ „Kleine Maria, ich kannte es nur als kleines Porzellan-Figürchen in der
Weihnachtskrippe – und als ich es einmal herausnahm, um es zu streicheln, fiel es nieder
und lag zerbrochen auf den Steinfliesen.
Danach konnte ich nicht mehr an das Christkind glauben, weil es ja gar nicht lebendig
war.“ „Aber Lu, hat man dir denn nicht von all den schönen Geschichten erzählt, in denen
Jesus lebt?“ „Nein, mein Kleines, das hat man nicht, denn ich sollte ja zu einem
Herrensohn erzogen werden, und Jesus hat man in diesem Hause nur herablassend
belächelt.“ „Lieber Lu, dann muss ich dir noch viele schöne Geschichten von ihm erzählen,
denn Mama hat sie mir aus der Bibel vorgelesen. O Lu, ich habe die allerliebste und
schönste Mama auf der Welt!
Aber nun muss ich nach Hause, es ist doch bestimmt schon Nachmittag, Lu?“
„Ja, Silberglöcklein, wir haben die Zeit verplaudert, aber ich ahne, dass ich nun auch dein
Christkind gefunden habe. Toni muss noch schnell ein Körbchen mit Leckereien für dich
fertig machen – und natürlich wirst du wieder rasch nach Hause gefahren.
Aber versprich mir, dass du nie wieder alleine zu mir kommst. Es ist für ein Kind zu
gefährlich und im Winterwald könnte dir manches passieren. Unser Christkind wird uns
ganz anders zusammenführen, Maria!
Das wird eine Überraschung zum Weihnachtsfest, denn dein Jesus ist doch überall, Maria,
hast du mir erzählt?“ „O ja, Lu, mein lieber guter Lu, das ist er. Und ich glaube nun auch
ganz fest, dass ich das Christkind gefunden habe, denn ich bin gar nicht mehr traurig!“
Erstaunt schaut Lu in die fröhlichen Kinderaugen, während er seine Kleine in des
Kutschers Wagen setzt. Unter den Föhren winken die Beiden sich noch innig nach.....
Gedankenversunken schreitet er in sein Schreibzimmer, um in dem blütenbemalten
Sekretär nach einem Album zu suchen. Er findet es in der unteren Schublade und legt es
auf seinen Schreibtisch nieder.
„Für Prinz Ludwig zum Andenken“, ist die erste Seite beschriftet – und ein kleiner Bub
schaut ihn aus traurigen Augen an.      
Nachdenklich betrachtet er sein eigenes Kinderbild. Die goldbraunen Locken umrahmen
das ehemalige, runde Bubengesicht und diese fast nachtschwarzen Augen? Ist es eine
Laune der Natur, dass er sich in seiner kleinen Maria wiederfindet?
Hört er noch ihr feines Stimmchen raunen: Bist du das Christkind?
Zum ersten mal seit langer Zeit faltet er die Hände zum Gebet und spürt, wie sich sein Herz
in zarter Andacht öffnet.
„Ja, kleine Maria, ich werde dein Christkind sein“, flüstert er leise vor sich hin, während ihn
ein unbeschreibliches Glücksgefühl beflügelt. Kurzent-schlossen zieht er seine warmen
Wintersachen an, um einen Spaziergang durch den Wald zu machen.
Fast unbemerkt wird er in eine gezielte Richtung geführt.......
 
7. Kapitel:                      Der heimliche Lauscher
 
In der Abenddämmerung stampft sich der einsame Mann hinab nach Waldrausch.
Es ist ein gefährlicher Weg und er wundert sich, dass seine kleine Freundin sich nicht
verirren konnte. Sicher hat sie mit ihrem Schutzengel gesprochen, denkt Prinz Ludwig und
schaut lächelnd hinauf zu dem Mond. „Ja, du bist auch ihr Freund“, flüstert er ihm zu – „und
vielleicht wirst du dem armen Kind gerade jetzt gute Nacht sagen.“
Ob ich das noch heimlich beobachten kann? Mit großen Schritten eilt er jetzt durch den
Wald und ist schon bald vor dem Dörfchen Waldrausch. Ja, das muss es sein,
Marias Häuschen, denn es ist so lustig bunt bemalt und sehr klein. Nur ein Fensterchen ist
schwach beleuchtet und der große Mann lehnt sich an die Hauswand, um unbeachtet durch
es hinein zu schauen. Welch eine wunderschöne Frau, muss er unwillkürlich denken, ja fast
noch ein Mädchen, das Marias Mama sein muss. Beide sitzen auf einem alten Sofa und er
hört erstaunt, wie seine kleine Freundin ziemlich aufgeregt der Mama widerspricht. „Aber
Mama, ich habe doch nicht gelogen, denn ich war ja am Nachmittag schon wieder zu
Hause.“ „Maria, du solltest doch überhaupt nicht das Haus verlassen, denn was hätte dir
passieren können, bei dem fremden Mann.“
„Nein, Mama, Lu ist kein fremder Mann und ich musste doch zu ihm gehen, weil ich heute
Nacht von ihm geträumt habe. Da hat er doch nach mir gerufen und ich wusste, dass er
einsam und traurig ist. Und schau, all die leckeren Sachen von ihm, da brauchst du morgen
nicht zu putzen und wir können gemeinsam auf das Christkind warten.
Es wird uns ganz sicher helfen, wie du immer gesagt hast, bloß müssen wir ganz fest
daran glauben. Und wir brauchen nicht mehr traurig zu sein.“
 „Mein Liebling, auch ich wäre sehr glücklich, wenn ich dich nicht mehr alleine lassen
müsste, aber du weißt doch, dass du keinen Papa hast, der uns versorgen kann.“
„Ja, Mama, das stimmt. Aber da fällt mir die Geschichte von Jesus ein!“
„Welche, Maria?“ „Die von dem Fest in Jerusalem, nach dem ihn seine Eltern suchten.
Und sie waren so traurig, als sie ihn nicht finden konnten. Aber er musste doch dort sein,
im Hause seines Vaters. So hast du mir doch erzählt, Mama?“ „Ja, Maria, aber Jesus war
damals schon 12 Jahre und hat das Haus seines himmlischen Vaters gemeint, der ja auch
unser Vater Gott ist. Josef war doch nur sein Pflegevater, Maria...“ „O, Mama, dann kann
das mit Lu auch so sein. Ich fand doch auch sein Haus und es ist darin wie im Himmel so
schön. Doch ich glaube, dass Lu überhaupt kein fremder Mann ist, ja, dass ich ihn schon
immer gekannt haben muss. Und wenn er mich sein Silberglöcklein nennt, höre ich meine
Blumenkinder singen, ja, doch, als ich noch ganz klein war. Auch Lu hat als Bub solche
Freunde gehabt“, und aufgeregt erzählt Maria von ihrem großen Freund.“ „Und er hat mir
versprochen, dass ich das Christkind finden werde. Doch Mama, ich war in meines Vaters
Haus, auch wenn Lu – nur Lu ist.“
Erschüttert stöhnt der einsame Lauscher draußen und schreitet leise davon ......
                                                                                           
 
8. Kapitel:            Mit Brigitta am Schützenball
 
Prinz Ludwig kann nicht schlafen und seine Gedanken wandern zurück in vergangene
Zeiten. Es war sein letzter Schützenball, den er damals im Schlosspark Kronau, bei dem
romantischen Städtchen Ulmenstein gefeiert hatte. Seine Eltern wollten ihn mit Kronaus
Grafentochter Susanna bekannt machen, vertraten sie die Meinung, dass ihr 35 jähriger
Sohn nun heiratsfähig sei. Und mit der reichen Grafentochter konnte man sich sehen
lassen. Prinz Ludwig denkt nur flüchtig an diese erste Begegnung mit Susanna.
Obwohl sie wunderschön war, spürte er doch, wie sie eiskalt und berechnend war. Aber er
musste ihr den Hof machen – und ein erster Tanz war nicht zu umgehen. Danach schlich er
sich heimlich davon, um unbemerkt für eine Weile im lichterumflorten Traumpark
nachzudenken. Nein, Susanna würde er nicht zur Frau nehmen, dachte er entschlossen, als
er plötzlich ein leises Schluchzen vernahm. Hatte er sich verhört? Raschelte es dort nicht
hinter einem Gebüsch? Weinte da nicht jemand?
Entschlossen schritt er durch die vom Vollmond umstrahlte Birkenlaubhecke – und – stand
vor einem erschrockenen Mädchen. Es saß auf einer Bank und vermochte sich vor Angst
kaum zu bewegen. Welch ein lieblicher Engel, dachte Prinz Ludwig erschüttert und blickte
fast andächtig in ein zartes Gesichtchen, aus dem ihm zwei himmelblaue
Vergissmeinnichtaugen gebannt anschauten. Wie feinstes Gold schimmerte ihr Haar noch
in der Nacht und umrahmte in leichten Wellen die zarten Schultern.
Ein rosarotes und einfaches Baumwollkleidchen schmiegte sich um den
Jungmädchenkörper. O, wie wundersam war dieses nächtliche Elfenkind, aber Ludwig
erkannte, dass es nicht zu der reichen Gesellschaft gehörte. „Wer bist du, junge Dame?“
fragte er das fremde Mädchen gespannt, das noch immer erschrocken in die gütigen
Männeraugen schaute und wie in einem Zauberbann sich in ihnen verlor!
Schon versuchte es davonzulaufen, aber Ludwig hielt es mit liebevoller Stimme zurück und
setzte sich mit ihm auf die Bank nieder. „Wer bist du, kleiner Goldengel?“ – fragte er
wieder und endlich hörte er eine scheue Stimme flüstern: „Ich heiße Brigitta!“
„Ja, und ich bin Ludwig, junge Dame und komme von der Gesellschaft da drüben, die mich
so gelangweilt hat.“ „Gelangweilt? Aber das sind doch reiche Leute und sie sind ein
vornehmer Herr. Und ich bin nur ein armes Mädchen und wir haben unten in der Stadt
Ulmenstein nur eine kleine Wohnung und Werkstatt.“ „Wer, Brigitta, wer gehört denn zu
deiner Familie?“
„O Herr, nur Papa und ich, denn Mama ist schon vor vielen Jahren gestorben. Und Papa
verdient nur wenig Geld, weil er nur ein Maler ist. Aber er malt so wunderschöne Bilder,
meist auf den Häusern von reichen Leuten. Bald hat er so viel Geld gespart, dass wir uns
ein kleines Häuschen kaufen können, aber es soll auf dem Land sein, meint Papa. In
wenigen Wochen habe ich meine Schulausbildung beendet und vielleicht werde ich dann
auch Malerin, weil ich Farben so sehr liebe. Deshalb bin ich auch in diesem
wunderschönen Park, denn man kann auch nachts Bäume und Blumen schimmern sehen,
ja, man hört sie sogar flüstern!“ Verträumt schaut Brigitta hinauf, ja irgendwohin in eine
unbekannte Welt, während zärtliche Melodien vom Schlosspark erklingen.
 Brigitta seufzt ihre Traurigkeit aus dem Herzen. „Ja, wenn man reich ist, kann man
wunderschöne Kleider tragen und tanzen und tanzen.“
„Kleiner Goldengel, komm, lass uns tanzen, hier im entfernten Park“, flüstert Ludwig erregt
und nimmt das zierliche Geschöpfchen in die Arme. Eine ihm unbekannte Zärtlichkeit
durchdringt sein Herz, während sie ihren ersten Liebestraum durchtanzen. Schon bald
liegen sie glückselig auf dem warmen Moosboden und die Beiden durchleben ihre erste
Liebe unter dem mit Sternen beleuchteten Himmelszelt aus. So trunken und selig in einer
fast heiligen Einheit.
„Mein Goldengel, ich werde bald wieder bei dir sein“, versprach der große Mann seiner
jungen Frau, denn nur sie sollte es sein, seine Traumfrau fürs Leben.....
Schluchzend beugt sich Prinz Ludwig über seinen Schreibtisch, denn das Schicksal hatte
sich am damaligen Schützenball gegen ihn verschworen. Nach einigen Wochen tiefer
Bewusstlosigkeit erwachte er in einem Krankenhaus und konnte sich nur allmählich an den
Unfall erinnern, der auf der Heimfahrt des Schützenballes sogar seiner Eltern Leben
ausgelöscht hatte. Man hatte sie längst zu Grabe getragen – und Prinz Ludwig war dann
als letzter Erbe des adeligen Geschlechtes ein einsamer Schlossherr.
Fast ein ganzes Jahr musste er damals in einer Klinik verbringen, die er dann endlich als
gesunder Mann verlassen durfte. Sein erster Weg führte ihn nach Ulmenstein, doch alle
Suche nach seinem Goldengelchen war vergeblich. Niemand wusste, wohin der Maler
gezogen war und Prinz Ludwig konnte nur noch von der Sehnsucht leben, die ihm damals
seine kleine Traumfrau geschenkt hatte.
„Lieber Lu, sei nicht traurig“, hört er sein Silberglöcklein flüstern, „denn bald ist Weihnacht
– und wir haben ja schon das Christkind gefunden.“
Ob das Kind wieder träumt, sind seine letzten Gedanken, bevor er übermüdet in einen
Tiefschlaf fällt.......
 
9. Kapitel:                   Gittli, die kleine Traumfrau
 
„Mama, liebe Mama, morgen ist Weihnacht und dann wird Lu kommen!“
„Bist du sicher, mein Kind?“ „Aber natürlich, Mama, denn er hat gesagt, dass Jesus uns
ganz anders zusammenführen wird. Und weil ich nicht mehr zu ihm kommen darf, wird er
also zu mir kommen, natürlich auch zu dir, liebe Mama, denn er kennt dich doch noch gar
nicht.“ „Ja, Kleines, nun bin ich auch schon gespannt, deinen Lu kennen zu lernen, aber sei
wirklich gehorsam, denn ich muss jetzt zu Schönaus. Dann haben wir einige Tage für uns
ganz alleine und darauf wollen wir uns freuen.
„Schade, Mama, dass es heute nicht schneit, aber ich will noch ganz eifrig mit dem lieben
Gott reden, dass er morgen weiße Schneeflöckchen vom Himmel fallen lässt!“
„Ja, Schätzchen, das wäre schön, aber nun sei lieb, bis ich wieder nach Hause komme.“
„Vergiss den Schirm nicht, Mama, denn schau, wie es draußen regnet.“
„Danke, mein Liebes, also bis bald.“
Maria steht am Fenster und schaut ihrer lieben Mama nach. O, das hätte ich Lu auch noch
erzählen müssen, dass der Regen auch mein Freund ist.
Und wie er reden kann. Denn wenn er langsam vom Himmel fällt, dann ist er glücklich, aber
wenn er wilder wird, recht garstig. Er kann auch richtig böse sein, denn da klopft er zu
heftig an die Fenster. Aber ich finde ihn lustig, auch wenn er meint, dass er mich ärgern
könnte. Dann nenne ich ihn Brauseback, aber ich könnte ihn ja mal besuchen. Rasch zieht
Maria ihr Mäntelchen an und eilt mit dem Schirmchen hinaus. Mittlerweile ist ihr Freund
wieder recht friedlich und sie ruft ihm lustig zu: „Lieber Brauseback, gehe bald wieder in
den Himmel zurück und sage dem lieben Gott, dass das Christkind viele weiße
Schneeflöckchen vom Himmel herunterwerfen sollte. Im Sommer kannst du wieder
kommen, mein Freund, denn dann dürfen all die Blümlein, Gräser und Bäume von dir
trinken. Aber was ist das? Ein Sturm? „Nein, dich mag ich gar nicht, denn du hast schon
Schwirlis zarte Flüglein verletzt.“
Ob mein kleiner Schmetterling nun irgendwo in einem Dachnest wohnt? Oder im
Tierhimmel ist? Na, dann braucht er wenigstens vor dem Gewitter keine Angst zu haben,
denn das hat er, wenn es im Sommer oft entsetzlich wütet. Warum der liebe Gott wohl das
Gewitter gemacht haben mag? Aber Mama sagt, dass alles in der Schöpfung schön und
gut ist. O, ich muss ja noch ein Bild für sie malen, denkt Maria, aber wer klopft da ans
Fenster?
„Lu, lieber Lu- du bist es? Komme rasch herein“, und schon liegt sie in seinen Armen.
„Mein Silberglöcklein, ich musste schon heute zu dir kommen, denn das Christkind hat mir
ein Bäumchen für euch geschenkt.“ „O, Lu, das ist ein lustiges Tannenbäumchen, komm,
wir wollen es gleich schmücken. Wir hängen Mamas Lebkuchen daran und die bunten
Sternlein, die mein Großvater noch damals gebastelt und gemalt hat.
Toll Lu, sieht es nicht schon so wunderschön aus?“ Eifrig in ihre weitere Arbeit vertieft,
überhören die Beiden Gittli.
„Mama, du bist schon zu Hause? Schau, das ist Lu – und er hat uns ein Christbäumchen
geschenkt.“ Erschüttert blickt Lu auf die wunderschöne Frau, die er nun ganz deutlich
erkennen kann. „Brigitta“, flüstert er fassungslos, „Brigitta, meine kleine Traumfrau! Du bist
Marias Mama?“ « Nein, sie heißt doch Gittli, Lu », unterbricht ein feines Stimmchen diese
Verzauberung, nach dieser Gittli erschrocken den Einkaufsbeutel fallen lässt.  „Ludwig? Du
bist Ludwig? Der große Lu, Freund meiner kleinen Tochter?“ „O, mein Liebling“, stöhnt
Prinz Ludwig nur fassungslos und nimmt seine tränenüberströmte Brigitta zärtlich in die
Arme. Maria kann nur staunen und setzt sich schweigend auf einen Stuhl. „Mein Goldengel,
habe ich dich endlich wieder gefunden, nach fünf langen Jahren der Einsamkeit.“ Und der
große Mann beginnt zu reden, reden, erzählt von all dem Leid der Vergangenheit und weint
dabei Tränen der Erlösung. Bald sollte er erfahren, weshalb Brigitta mit ihrem Vater
Ulmenstein verlassen hatte, denn er wollte seinem 18 jährigen Mädchen ersparen, dass
man es verspotten würde. Doch sollte das heranwachsende Baby von dem fremden Herrn
unter dem Mutterherzen ausgetragen werden – und so kaufte er das Häuschen in
Waldrausch, in dem seine Tochter Gittli die kleine Maria zur Welt brachte. Man nannte ihn
den einsamen Maler – oder auch einen Sonderling, und er war es auch, der arme Papa.
Er lebte fast nur noch für uns beide und sein geliebtes Enkelkind hätte er nie mehr
vermissen wollen. Als er plötzlich verstarb, musste ich unser Kind alleine versorgen, o
Ludwig“, Gittli schluchzt verzweifelt auf. „Unser Kind, mein Silberglöcklein?“
Erschüttert kniet er sich vor dem kleinen Wesen nieder, das ihn fast andächtig anschaut.
„Ich bin dein Papa, mein Liebling“, flüsterte er mit zärtlicher Stimme und Maria fällt ihm in
die Arme und jubelt vor Freude!
 „Mama, liebe Mama, so habe ich doch das Christkind gefunden! Und es ist sogar mein
liebster Papa Lu. Und du hattest so große Angst, als ich in dem Haus bei dem fremden
Mann war, aber nun weißt du, dass ich in dem Hause meines Vaters sein musste.
Wie Jesus, damals nach dem Fest!“ „Und so wird es nun bei uns sein, meine liebe kleine
Familie, denn schon morgen werden wir für immer in seinem und unserem Schloß
wohnen“, bestätigt Prinz Ludwig dankbar. „Aber nun gibt es noch viel zu tun, noch heute
Abend werde ich mit Herrn Pfarrer Jordan unsere Trauung veranlassen, na, ein solches
Weihnachtsfest muss gründlich vorbereitet werden. Meine Lieben, nun werden wir uns nie
mehr trennen“, verspricht Prinz Ludwig zuversichtlich – und nach einem innigen Abschied –
o, er will kein Ende nehmen, eilt Ludwig durch den Winterwald.....
Natürlich winken ihm seine Beiden noch lange nach!
 
1O. Kapitel:                  Das allerschönste Fest
 
Gittli schaut traumversunken auf ihr geliebtes Kind, das bald erwachen wird. Rasch packt
sie noch die nötigsten Sachen ein, bevor ihr Ludwig sie abholen wird.
Dabei dankt sie dem lieben Gott für diese wundersame Führung. Maria erwacht.
„Mama, schau die weißen Schneeflöckchen draußen“, hört sie ihre kleine Tochter rufen und
schon steht sie vor dem Fensterchen, um die weiße Winterlandschaft zu betrachten.
„Liebling, heute haben wir ja auch ein Traumfest – und das Christkind wirft ganz sicher
auch deshalb die weißen Sternlein auf die Erde. Ziehe dich rasch an, Kleines, dann kannst
du draußen im Schneeglöcklein Tanz dem lieben Gott danken.“
„Neue Stiefelchen? O, danke, liebe, liebe Mama“, und bald ist die Kleine draußen, um mit
erhobenen Ärmchen im Schnee zu tanzen. Dabei singt sie natürlich mit ihrem feinen
Stimmchen ein Silberglöcklein Lied....
„Wann wirst du nur kommen, lieber Lu Papa?“ – ruft sie erregt und eilt noch rasch hinauf zu
ihren alten Bäumen, um ihr kristallfeines Fichtenkleid zu bestaunen.
Im zarten Windspiel rauschen ihre Äste. Nehmen sie Abschied? Verträumt lauscht Maria
ihrem Christkind-geflüster...
Ebenso verträumt steht Gittli vor dem kleinen Spiegel, aus dem Vergissmeinnichtaugen im
noch kindlichen Gesicht im Strahlenglanz staunen.
„23 Jahre bist du, kleiner Goldengel“, hört sie eine geliebte Stimme flüstern – und schon
liegt sie in Ludwigs Armen.
„Lu, lieber Lu Papa, du bist schon da“, hören sie ihr aufgeregtes Kind rufen und gehen
glücklich hinaus zu ihrer kleinen Schneeprinzessin.
„Liebling, nun wollen wir uns beeilen, damit wir bald zu Hause sind!“
Kaspar packt schon die wenigen Sachen in die Kutsche – und langsam fahren alle durch
den verträumten Winterwald. Gittli kann nur staunen, als sie schon bald das alte Schloß
erreicht haben, und bleibt vor dem Eingang unwillkürlich stehen.
Ein großes Wappen mit einem wunderschönen Namen beschriftet?
„Von Friedenschein“, flüstert sie fast andächtig und Ludwig gesteht ihr mit zärtlicher
Stimme, dass sie diesen Namen nun für immer tragen wird. „Ja, mein Goldengel, mit dir
wird der Frieden in diesem Hause beginnen – und unser Prinzesschen wird in seinem
Schein so manches Friedensglöcklein läuten lassen.“
Und Maria beweist es durch ihre rege Fantasie, während sie gemeinsam ihr Haus
durchwandern. In der Küche wird fleißig gearbeitet und es duftet nach feinen Lebkuchen
und anderen Leckereien. Ludwig führt seine Lieben nun in ihre Gemächer und schließt
lächelnd die Türen. In wenigen Stunden beginnt unser Fest, überlegt der glückliche Mann
und betritt die große Wohnhalle, in der eine wunderschöne Edeltanne steht. Unter ihr liegen
mit Seidenpapier geschmückte Päckchen – und fast nur kleine Silberglöcklein hängen am
Baum. „Es wird mein, nein, unser allerschönstes Fest werden“, flüstert Ludwig aus
dankbarem Herzen und faltet im innigen Gebet die Hände.
Toni, sein alter Diener, betritt gerade das Zimmer – um den großen Tisch zu decken.
„Nein, mein guter Toni, das können ab heute unsere neu eingestellten Hausmädchen tun,
denn lange genug haben wir alleine gelebt – und du sollst nun in Ruhe deinen
Lebensabend mit uns verbringen.“ „Danke, guter Herr“, konnte Toni nur unter Tränen
antworten – und Ludwig schritt mit ihm in die Küche, um dem Personal liebevolle
Anweisungen zu geben. Eine Köchin und drei junge Dorfmädchen freuten sich auf ihre
Arbeit und der Hausherr lächelt ihnen ermutigend zu. Konnte er sie noch durch des
Försters Rat am gestrigen Abend aufsuchen – und alle waren sofort bereit, in seinem
Schloß zu dienen. Brigitta würde eine warme Hausdame sein, dachte sich Ludwig in
dieses liebenswerte Geschöpfchen hinein, hatte es so viele Lebensphasen durchlitten.
Solche Gedanken wanderten natürlich auch zu seiner kleinen Maria, während er sich noch
für eine Weile auf seiner Schlafstätte ausruhte.
Auch Gittli und Maria lagen glückselig in ihren Himmelbetten, denn nach dem duftigen
Wannenbad waren sie müde geworden. Zwei Stunden lagen sie in einem gesunden
Tiefschlaf, als sie nach einem lieblichen Glockenklang erwachten. Schon steht Maria vor
ihrer Mutter. „Mama, schau, was uns Papa geschenkt hat“, ruft sie verzückt und zieht
natürlich den wunderschönen Kimono an. Hat er nicht ähnliche Farben wie Schwirli? Auch
das Silberkrönchen erinnert sie an die Flüglein ihres kleinen Freundes.
Gittli schlüpft in das weiße Traumkleid, das mit Goldperlchen bestickt ist. Schon bald
stehen die Beiden vor Lu, der in einem eleganten Abendanzug nur andächtig seine beiden
Lieblinge bestaunt. Gemeinsam schreiten sie nun in die Festhalle, in der sie fassungslos
vor der edlen Silberglöckleintanne stehen. Unter feierlicher Musik tanzt Maria um den
Baum – und dankt mit erhobenen Händchen dem Christkind, das sie nun alle gefunden
haben.
„4O Jahre musste ich werden, um dich zu finden, großer Gott“, flüstert Prinz Ludwig
erschüttert, „denn du bist Liebe, ja, ich spüre deine Gegenwart.“ Die kleine Tochter packt
schon eifrig Päckchen aus und jubelt mit Mama über all die wunderschönen Geschenke.
Doch plötzlich wird das Kind traurig und weint still vor sich hin.
„Was ist geschehen, meine Kleine?“ – fragt der besorgte Vater, aber Brigitta kann sich
schon vorstellen, was ihr armes Kind bewegt. Und schon öffnet sich die Kinderseele und
Papa soll erfahren, warum sein Töchterlein so traurig ist.
„Weißt du Papa, dass vor vielen Jahren der kleine Jesus geboren worden ist? Und obwohl
er als Gottessöhnchen so reich war, durfte er nur in einem Stall in Bethlehem schlafen.
Gewiss hat er auch deshalb besonders die armen Menschen lieb, und wir waren doch so
arm, die Mama und ich. Als Großvater noch lebte, sind wir nach der Christmette auf einem
Schlitten durchs Dorf gefahren – und haben allen Kinder einen Lebkuchen vor die Haustür
gelegt. Ja, allen, weil doch Jesus alle Menschen lieb hat. Könnten wir das nicht auch noch
heute Nacht tun?“ „O, ja, mein Kleines, na, warte auf die Überraschung, Liebling.“ „Guter Lu
Papa, jetzt kann ich mich so richtig freuen, ja, soo richtig“, jubelt Maria, und ihre Eltern
schauen sich gerührt in die Augen......    
Nach dem leckeren Abendmahl packt Maria eifrig Geschenke in einen Korb, und schon
bald sitzen alle in der Kutsche, in der Kaspar seine von Friedenscheins zum Dorfkirchlein
fährt..... Inmitten von singenden Menschen schreiten sie zum Altar – und Pfarrer Jordan
wischt sich verstohlen Tränen aus den Augen. Während nun Prinz Ludwig und seine
Brigitta getraut werden, tanzt die kleine Maria für das Christkind der Liebe. Dazu singt sie
auch ein Lied aus ihrer Fantasiewelt!
„Mein kleiner Goldengel“, flüstert Ludwig seiner Traumfrau zu, „du hast schon damals in
dieser Welt gelebt, die unser Kind heute durchtanzt.“
Nach dem Segen von Pfarrer Jordan schreiten die Friedenscheins durch das Kirchlein, in
dem so viele Menschen bitterlich weinen. Auch die von Schönaus wagen sich nur
verschämt zu verbeugen.
Im feierlichen Glockengeläute fährt die kleine Familie durch den Winterwald, ja sind schon
bald in Waldrausch, wo die kleine Prinzessin vor jeder Haustür ein Geschenk
niederlegt. Auch ihr buntbemaltes Häuschen soll nicht einsam stehen, denn das Christkind
wird es sicherlich armen und frierenden Menschen schenken mögen. Wie dankbar leuchtet
es durch diese Winternacht der Liebe? Später träumt Maria in ihrem großen Himmelbett
einen ganz besonderen Liebestraum für ihre Eltern, denn bald schon soll in einer
buntbemalten Wiege ein Geschwisterchen liegen, mit dem sie in ihrer Fantasiewelt alle
Liebe durchleben darf.
Und ganz besonders mit dem lieben Jesus, dessen heilige Engel überall herum fliegen.
Ja, überall!!!
 
Auch die Autorin freut sich von ganzem Herzen mit ihren „Kleinen“, wenn sie sich ihrer
Fantasiewelt so öffnen dürfen, so dass sie glückliche Kinder werden.
 



  
„Maria, die junge Prinzessin“
Geschichte
von
Hannelore Leibold
 
 
Vorwort:
 
Zu – „Maria, die junge Prinzessin“
 
Wer dieses Buch liest, sollte auch das erste „Märchen“ von:
 
„Maria, das kleine Traumkind“
 
gelesen haben, welches ich in meiner Homepage
www.ge-dichte.besucht.de veröffentlichte, jedoch von mir gemalte,
naive Bilder entnahm.
Nahezu 1O Jahre sind vergangen, als die Jury unserer Fuldaer Zeitung
folgende Bewertung veröffentlichte. (O1. Februar 1995, Seite 1O)
                      
 
 
 
                                           Die Kraft der Träume
Eichenzell – Rönshausen
Ein religiös geprägtes Märchen hat Hannelore Leibold vorgelegt: Mit „Maria – das kleine Traumkind“ will die Autorin aus Rönshausen nach eigenen Angaben allen Randgruppenkindern ein Denkmal setzen. Die fünfjährige Heldin der wundersamen und anrührenden Geschichte lebt mit ihrer Mutter in armen Verhältnissen und wird von der Gesellschaft ausgestoßen. Doch auf das Vertrauen auf Gott und die Kraft ihrer Phantasie lassen beide durchhalten. Als Maria dann beim Gang durch den Winterwald
ein herrschaftliches Anwesen entdeckt, ist der Weg zum Happy-End nicht mehr weit. Das Märchen, das sich auch an Erwachsene wendet, zeugt vom Einfallsreichtum der Autorin und will in einfacher Sprache, sowohl für die Probleme sozial Schwacher sensibilisieren als auch Lebensmut vermitteln. Das reich bebilderte Buch wurde von Hannelore Leibold im Selbstverlag herausgebracht, kostet acht Mark und ist im Fuldaer Buchhandlung Parzeller erhältlich.
 
Damals wie heute durfte ich reichliche Erfahrungen durch unsere Jugendlichen machen, ja, sogar vieles von ihnen lernen, obwohl ich nicht immer ihren zeitgemäßen Sprachschatz zu teilen vermochte. Diesbezüglich habe ich auch namentlich niemanden benannt – und – es wäre Zufall, wenn sich einer meiner Jungs, auch Girls.... (Meist waren es zwischen 2O bis 3O Jugendliche) in meinem Buch angesprochen fühlten.
Da die meisten noch im Alter Pubertät sind, hatte, habe ich große Freude miterleben dürfen, aber auch meine persönlichen Grenzen erkannt, wenn manches Abenteuer noch „lebendiger“ wurde........
Doch surfe ich mich mit ihnen gemeinsam durch diese Welt, in der sogar:
„Die junge Prinzessin Maria“ endlich zeitgemäße Realitäten mit „ENGEL IN LIFE“ erlebte.....
P.S. Ehrlicherweise ließ ich auch eigene Fantasien aus einem „Buchblattwald„ entnommen in mein Buch mit einfließen !                      
                                                             Eure
                                                            Hannelore Leibold
 
 
 
1. Teil
 
Es war Februar.
Zwei einsame Reiter lenkten vorsichtig ihre Pferde den Bergpfad herunter. Die Tiere kannten den Weg, auch wenn ein Eisregen vom Wind gepeitscht, fast die Sicht raubte. Wenn Kälte und Nässe zusammentrafen, war dieser Pfad voller Gefahren und tückisch glatt. Endlich war der erste Reiter nach dem schweigsamen Ritt auf dem Tal Pfad angekommen, der hinauf zum Schloss von Friedenschein führte. Pfarrer Jordan hielt die braune Stute an, wollte er ihr, aber auch sich selbst eine Rast gönnen. Dabei schaute er hinauf zum Schloss, das wie ein friedliches Domizil herunter grüßte, obwohl die Helligkeit sich an diesem Vormittag nur zögernd einstellte. Die Kapelle mit dem schlanken Turm war erst vor wenigen Jahren fertiggeworden. Prinz Ludwig von Friedenschein hatte sich besonders einen solchen Turm gewünscht, der wie ein liebevoller Zeigefinger über den Dächern und Zinnen des Schlosses bis in das Tal in sichtbarer Schau Menschen zur Besinnung rufen sollte. Natürlich durch ein Friedensglöcklein, das so lieblich und harmonisch klang. Noch bevor sich der Geistliche intensiver in den gütigen Prinzen vertiefen konnte, kam der zweite Reiter mit seinem Schimmel heran. Ein befreiendes Aufatmen war von der jungen Reiterin zu hören.
„Wir haben es geschafft, Herr Pfarrer“, gestand ihm die junge Dame, während sie die Kapuze des Reitmantels nach hinten fallen ließ. Die dunkelbraunen Haarlocken schüttelte sie hin und her – und das runde, rosig überhauchte Gesichten war das einer Adeligen. Das schmale Näschen zeigte eine kleine, reizvolle Wölbung, bloß das Kinn schob sich etwas eigenwillig unter den weichen, schöngeformten Lippen vor. Die großen, schwarzbraunen Augen schienen Nähe und Weite gleichermaßen einzufangen, was den greisen Pfarrer wohlwollend berührte.
Auch er schob die Kapuze seines Mantels nach hinten, hatte der Regen sie allzu schwer gemacht. Sein Kopf war nahezu kahl, sein Bart silbrig weiß. Der Regen hatte aufgehört und durch erste Sonnenstrahlen war es etwas wärmer geworden. Die Luft roch erfrischend und würzig. Etwas mühselig kletterte der greise Mann von seiner Stute, wonach die jugendliche, schmale Gestalt von ihrem Schimmel sprang. Es gelang ihr mit einem kühnen Sprung. „Kleine Maria, das alles wirst du dir abgewöhnen müssen !“ „Warum, Herr Pfarrer?“ Irgendwie verlegen nickte der greise Mann. „Gehen wir das restliche Stück zu Fuß, Maria, so machen wir es den Pferden und unseren Gedanken leichter!“ Die geschwungenen Augenbrauen des jungen Gesichtchens schoben sich noch fragender durch die gewölbte Stirn, während Maria schweigend – aber auch nachdenklich – neben ihrem Seelsorger gen Friedenschein schritt. Bloß die Pferde waren etwas ungeduldiger, wieherten hin und wieder im gleichmäßigen Trott.
„Nun aber heraus mit der Sprache“, ermutigte ihn Maria vergnügt, „sonst werde ich wieder das kleine Traumkind sein, wie damals. Obwohl ich schon 17 Jahre bin. Doch, auch Pferde haben ihre eigene Sprache – und wenn sie wiehern – wollen sie uns etwas besonderes mitteilen.“ „Ja, Maria, aber dieses Besondere muss ich versuchen, dir zu erklären.
Wissen doch nur deine Eltern, weniger deine andere Geschwister, wie du deine ersten fünf Lebensjahre verbracht hast.“ „Lieber Pfarrer, Jordan, diese zwei Mädchen und Buben, meine lieben Geschwister haben so verschiedene Genen in sich, was man ihnen überhaupt nicht verübeln kann. Für sie war ich stets das Zünglein an der Waage, aber eine nicht immer ganz ernstzunehmende Schwester. Das hat auch unser alter Toni erkannt, aber besonders meine Vertraute, Lisa, welche als Freundin – oder Gehilfin mit mir die vielen Jahre verbrachte.“ Maria seufzte.     
„Doch, ich bin noch immer das Zünglein an der Waage, einmal hierhin, einmal dahin, wenn sie wissen ... was ich meine?“ Bestürzt war Pfarrer Jordan stehen geblieben und blickte erstaunt in das Gesicht der jungen Prinzessin. Mit ihren 17 Jahren glaubte er sie durch und durch zu kennen, aber hatte er an eine wunde Stelle gerührt, die ihm noch verborgen war ?
„Maria, deine Eltern sind sich darin einig, dass du nicht das Zünglein an der Waage bist, sondern ein kostbares Mittelstück eines Gliederahnenteiles. Ihr Wunsch, dich fortzuschicken, entstand aus dieser Erkenntnis.“ „Ich soll Friedenschein verlassen? Irgendwann einmal, ja, aber vielleicht auch nicht. Möchte ich noch für längere Zeit meine Studien mit ihnen verbringen, ebenso mit Lukas, unserem Hauslehrer, der mit seinen 4O Jahren noch gut eine Fünferschar unterrichten kann.“ Der Seelsorger schwieg. Wie konnte er die kurze Wegstrecke nutzen, der Prinzessin das beizubringen, was man ihm nahegelegt hatte? So fragte er sie behutsam: „Was waren deine Gedanken, Maria, während unseres heutigen Rittes?“ „Ich betete, lieber Priester, denn lehrten sie mich nicht auch, dass unser ganzes Leben ein Gebet sein solle ?“ „Und daran ist dir noch niemals einen Zweifel gekommen, Maria?“ „Nein, niemals, bloß habe ich öfter gezweifelt, ob meine Fantasie nicht zu grenzenlos ist, um im Willen des Herrn zu sein?“ Eine leichte Röte überzog des Priesters Wangen, aber Maria sah es als verräterisches Zeichen. „Sie Gütiger „seufzte sie, „versuchen mich zu schonen, auch wenn es um die Wahrheit geht?“ „Nein, junge Dame, ist mir die Wahrheit das kostbarste Gut auf dieser Erde und wird es immer bleiben. Gott liebt Fantasie, bloß denke ich oft über deine Kinderträume nach, sind sie nicht immer noch in deinen Jungmädchenträumen verwurzelt? Vermag man solche Perlen in unserem Zeitgeist überhaupt noch zu schätzen?“
„Das habe ich schon lange begriffen, konnte ich an den Zwillingen Regina und Sarah genügend beobachten, wie verschiedenartig sie sich entwickelten? Sie waren ja meine ersten Geschwister – damals, und es war keine leichte Geburt für Mama. Obwohl ich zu dieser Zeit erst 8 Jahre alt war, begriff ich ziemlich rasch, wie Mama über längere Zeit schwach und leidend war. Die 14. jährigen Mädchen wissen das kaum zu schätzen, bloß Franziskus scheint von anderer Art zu sein. Wieder gänzlich anders ist unser Nesthäkchen Johannes, sehr, sehr verträumt. Wahrscheinlich ist das meinen Eltern nicht so bewusst geworden, weitaus mehr meiner lieben Lisa. Vaters Idee, für mich damals das 6. jährige Waisenkind aufzunehmen, war wirklich hervorragend, wurde Lisa meine beste Freundin und Vertraute in all diesen Jahren. Obwohl sie auch erst 18 ist, teilen wir noch immer eine innige Seelensprache, was für meine Geschwister ein Rätsel ist!“ „Und auch bleiben wird, Maria“, unterbrach sie ihr lieber Seelsorger. Fragend schaute Maria ihn an. „Deshalb sollst du ja die Klosterschule Lützelburg im Herzogtum Bayern aufsuchen, um deine dir von Gott geschenkten Talente zu vertiefen. Dieser Abschied wird mir nicht leicht fallen, Maria, bist du doch in all den Jahren mehr als ein wenig mein Kind geworden!“
Der greise Priester blieb stehen. Maria wusste – dass er eine Verschnaufpause benötigte und sah ihm offen ins Gesicht. Noch schwieg sie. Pfarrer Jordan ahnte, dass Maria diesen Vorschlag nicht zu beherzigen versuchte, was sie ihm auch bald recht energisch beibrachte.
„Wahrscheinlich ist ihnen nun ein Stein vom Herzen gefallen, aber ich muss einen neuen wieder darauf setzen. Nein, ich werde keine Klosterschule besuchen, mag auch ein solcher Gedanke verlockend sein. Ich kann Gott im Leben, im täglichen Ablauf weitaus mehr dienen,
als unter einer meist einengenden Erziehung. Das alles möchte ich ihnen etwas später erklären, muss ich zunächst Gott fragen, was er wirklich von mir möchte.
„Das dachte ich mir, Maria, wartet die Welt auf dich, liebes Kind, o, Maria, deine buntfarbige Welt wartet, wartet. Wie bringe ich das bloß deinen lieben Eltern bei ?“
„Keine Bange, sie Gütiger, ich werde sie schon überzeugen! „Doch, Maria, davon bin auch ich überzeugt, aber nun benötige ich eine Ruhepause und meine Stute auch!“   
                      
„Ja, diese haben sie verdient, behüte sie Gott, lieber Lehrer!“ Schon war Maria mit ihrem Schimmel am Zügel verschwunden, brachte ihn in den Stall des Schlosses, in dem sie ihn noch selbst versorgte. Ihr geliebtes Pferd wollte sie keinem Diener überlassen, hatte sie es Dank ihrer lieben Eltern in eigener Fantasie erziehen dürfen. Ihr Schimmelchen sollte auch keinen Namen erhalten, damals, so blieb er namentlich ihr Schimmel! Zwar gab es zu jener Zeit tränenreiche Szenen, wenn sie noch ängstliche Erfahrungen durchstand, aber da war sie noch ein sogenanntes „Traumkind“!
An solche Tage ihrer Kindheit dachte sie dennoch immer wieder dankbar zurück, sowie an ihre Geschwister. Hatte man in den Spinnstuben ihnen vom verträumten Prinzesschen manche Geschichten erzählt, was besonders den Zwillingen nicht immer gut tat. Sie hatten großen Spaß, denn im Winterwald konnten Hexen und böse Geister schon ein armes, fünfjähriges Kind verzaubern.“
„Ätsch, da reitet die kleine Prinzessin“, riefen sie oft hinter ihr her, „bloß die blumenbestickten Kleidchen trägt sie nicht mehr. Und der Mond und die Sonne sind auch nicht mehr ihre Spielgefährten, Franziskus scheint ein ähnlicher Spinner zu werden.“ Flüchtig lächelte Maria über ihre lieben „Wilden“, die so gänzlich anders geartet waren. Und eine Idee erwachte!
Obwohl sie sich vorgenommen hatte, sofortigst mit ihren Eltern zu sprechen, spürte sie sich dazu noch nicht fähig. Sie musste erst mal alleine sein, um ihre Gedanken zu sortieren.
Der beste Ort war die kleine Kapelle, in der sie sich geborgen wusste, zumal ihr das auch ihre innere Stimme eingab. Trotz ihrer jungen Jahre hatte sie den Wert einer solchen Eingabe erkannt. So kniete sie sich zunächst vor dem geliebten Rosenbild nieder, um diesem eine innige Begrüßung zu schenken. Schon bald saß sie auf der ersten Bank, betrachtete dieses Bild, in dem durch alle Jahreszeiten Rosen zu blühen schienen. Grünumrankte Rosen, dachte sie gedankenverloren, Symbolik der Hoffnung und Liebe. Ihre Blicke wanderten zu dem nächsten Bild, das nachdenklich machte.
Ein kleiner Bub schritt durch ein Kornfeld, in dem himmelblaue Kornblumen im eigenartigen Reiz empor wuchsen. Dabei dachte Maria an ihren einstigen Kindertraum, in dem – ER, der kleine Jesus, sie so liebevoll zu ermutigen verstand. Unbemerkt flossen ihr Tränen übers Gesicht.........
Währenddessen saß Pfarrer Jordan in seinem Kirchlein, um für Maria zu beten. Er wusste um ihren besonderen Glauben, Szenen traten sehr lebendig durch seinen Geist. Marias Kindheit, aber auch die ihrer vier Geschwister. Die Zwillinge mochten keine Konkurrenz, waren aber dankbar, wenn Maria ihnen das verhasste Latein zu erklären verstand. Franziskus neigte mehr dazu, sich in natürliche Symbolik zu vertiefen, während der kleine Johannes sich mit dem Stillsitzen schwer tat. Dennoch entging ihm kaum ein Wort seines Lehrers, was auch Lukas, der Hauslehrer erkannte. Das kluge Mädchen Lisa durfte natürlich auch in den Unterrichtsstunden dabei sein – und ihr feines, besonnenes Wesen erkannte Weisheiten tieferer Art. Sie und Maria verband eine sehr innige Seelensprache.
Man spürt solch eine Sprache, dachte der alte Lehrer und war Gott von ganzem Herzen dankbar, dass er besonders der heranwachsenden Maria hatte dienen dürfen. Doch wie lange würde er noch ihr Lehrer und Seelsorger sein können ? Und wie lange würde er es schaffen, ihre jüngeren Geschwister zu bilden, bis sie „flügge“ geworden waren? Machte ihm sein Herz arge Probleme, aber nicht nur das, sondern auch seine anderen Schüler, drunten, aus dem Dörfchen Waldrausch. Obwohl er auch diese lieb hatte, konnten oder wollten sie ihn, den Alten, nicht mehr ernst nehmen, wie ebenso die anderen Lehrer oder Lehrerinnen, die sich oft frustriert bei ihm beklagten.
„Gott, in diesem Zeitgeist müssen sie ja in eine Welt hineinwachsen, welche doch längst zum Himmel schreit“, flüsterte er ihm entgegen und schloss die Augen.
Zwar hatte er sich mittlerweile an deren, meist ordinären Sprachschatz gewöhnt, aber verkraften würde er es nicht mehr allzu lange. Für eine längere Weile trat er für alle betend in den Riss, wonach er sich nicht nur vor dem Kreuz verabschiedete, sondern in einer stummen WARUM Frage.............
 
 
2. Teil
Maria hatte ihre Gewissheit gefunden, wusste, dass sie keine Klosterschule besuchen würde. Lächelnd trat sie aus der kleinen Kapelle, um draußen noch ein wenig Zeit des Vorfrühlings zu genießen. Die meisten Bäume trugen zwar noch kein Grün, doch lange konnte es nicht mehr dauern, bis die zarten Blätterspitzen einen Grünflor über die Baumkronen legten. Schon harrte die Natur auf die wärmende Sonne, wartete irgendwie ungeduldig, dass die Reste des Schnees endgültig verschwinden würden. Es lag ein Hoffen in dem aufsteigenden, würzigen Duft über dem Erdreich, eine Vorfreude – die durch den Winter kam. Schade, dass die Menschen sich in diesen Monaten nur meist in ihren Häuser verkrochen hatten – und besonders die Kinder oder Jugendlichen – wertvolle Zeit vor der Glotze verbrachten. Dieses hässliche Wort hatte sie irgendwann von Sarah gehört, bloß von wem hatte sie es aufgeschnappt? Im häuslichen Sprachschatz sicherlich nicht. Wahrscheinlich von Waldrauscher Lausbuben, wo ihre gelegentlichen Streifzüge stattfanden. Früher waren noch mutige Schüler hinauf nach Friedenschein gekommen, um in der Kapelle eine kleine Gemeinschaft zu teilen. Waren solche Tage einer Bereicherung nicht längst vergangen?
Welch schöne Erinnerungen, überlegte Maria, als die Sonne dabei in eigener Faszination durch die bleigefassten Glasscheiben schien, ja, sogar Vöglein im andächtigen Gesang durch die Kapelle zwitscherten. Dafür konnte man dem Schöpfer und Erhalter allen Lebens nur danken, danken. Alle Kinder bekamen doch auch noch von ihren lieben Eltern köstliche Süßigkeiten, warme oder kühlere Getränke – und sogar ihre Geschwister waren so großzügig, um in alten Truhen herumzuwühlen, in denen sie absonderliche „Schätze“ versteckt hatten,
um sie den Besucher zu schenken. Irgendwie trieben sie heute in einer Art inneren Unrast umher, erzählten Geschichten von ekelerregenden Monster, die im Zeitgeist eines Computer Alltages mehr zu bieten hatten. Davon erzählten sie der Prinzessin, wenn sie ab und zu ins Tal hinab geritten kam, um ihnen duftende Plätzchen zu schenken. Diese lehnten die meisten ab, verspotteten sie, die altmodische Schimmelreiterin. Cool oder geil sollte sie werden, hatte man ihr nahegelegt, worüber Maria nur sprachlos war. Solch einen Wortschatz kannte sie nicht, verließ dann rasch diese Jugend, deren loses Mundwerk sie noch eine ganze Weile verfolgte.....
„Schimmelreiterin, kaufe dir neues Sattelzeug, damit du schön brav und behütet im Sattel sitzen bleiben kannst!“ Solche und andere Spottrufe vermochte sie kaum zu verkraften, was sogar ihr lieber Schimmel durch ein Wiehern bezeugte. Traurige Gedanken und Wehmut brachen auf. Gedankenverloren schlenderte sie durch den inneren Schlosshof, beobachtete aufbrechende Knösplein, die wohl auch durch diesen Prozess einen Schmerz durchleiden mussten. Hinter altvertrauten Mauern betrachtete sie intensiver den Zeigefinger Turm, ahnte um die tiefere Bedeutung, die ihr gütiger Vater in einer Art Vorausschau erkannt zu haben schien. Maria beschritt den schmalen Weg hinter der Kapelle, trat in den Mauerbogen ein, der den inneren vom äußeren Schlossring trennte – und in den kleinen, westlich gelegenen Schlosspark führte. Wie sehr liebte sie diesen kleinen Garten, mit den Obstbäumchen, Beersträucher und Blumen. Als sie noch klein war, durfte sie ihn sich ganz alleine gestalten, und nur Toni, der alte Diener durfte ihr helfen, tiefere Löcher in die Erde zu buddeln. Natürlich bekam auch Schwirli, ihr einstig kleiner Schmetterling Freund ein ganz kleines Häuschen in ein Bäumchen gebaut, und ebenso natürlich stand noch immer die alte, von Großvater buntbemalte Holzbank in einem Eckteilchen in diesem Kindertraum Gärtchen. Doch wer saß auf dieser? Regina oder Sarah? Nein, es war Lisa, die Maria noch nicht bemerkt hatte – und über deren schmales Gesichtchen Tränen flossen.      „Was ist los, Lisa? Es ist doch noch viel zu kühl, um auf der Bank zu sitzen, hast du eine Erkältung, dass du sogar weinen musst?“ „Nein, Maria, aber einen riesigen Stein auf dem Herzen. Deshalb habe ich mich in deinen Kindergarten verkrochen, in dem wir doch schon damals ein Herz und eine Seele waren.“ „ Sind wir das heute nicht mehr, Lisa?“ „Doch, aber ich bin nur eine Waise – und nun darf ich nicht mehr deine Vertraute sein, weil du eine Klosterschule besuchen sollst. So schickt es sich nicht mehr, deine Freundin zu sein .... und ich werde vielleicht schon bald das Schloss verlassen müssen.“ Maria war zutiefst gerührt und vermochte nicht gleich zu antworten. Ein solches Taktgefühl kannte scheinbar nur das 18. jährige Mädchen, Lisa, aber woher wusste sie von einer Klosterschule? Nun, auch in Friedenschein drang Unausgegorenes durch die Mauern, überlegte Maria flüchtig. „Nein, Lisa, ich werde keine Klosterschule besuchen, bloß muss ich es noch meinen Eltern gründlich erklären. Ich bin fest überzeugt, dass sie meine Entscheidung respektieren werden. Und können unsere Herzen denn abhängig sein vom äußeren Stand, der uns zugeteilt wurde ? Haben wir denn nicht einen allmächtigen Vater im Himmel, vor dem wir alle gleich sind ? Würde ER, dieser Gott aller Liebe uns eitle Schranken auferlegen, wenn es schon mein irdischer Vater nie getan hat. Ebenso meine Mutter ?“ „O, Maria, vergib mir, denn niemand hätte besser zu mir sein können, als deine lieben Eltern. Haben sie mich nie spüren lassen, dass ich nur deine Freundin bin!“ „Schön, Lisa, dass du das erkannt hast, ich habe einen guten Plan, ein weitaus besseres Ziel, für das zu kämpfen lohnt. Und dabei benötige ich dich sehr. Das alles werde ich dir später erklären. Laufe dich noch ein wenig warm, denn nun muss ich mit den Eltern reden!“ Zärtlich umarmte Maria ihre Freundin, um die Eltern zu suchen. Dankbar, unsagbar dankbar schaute ihr Lisa nach ..............
 
3. Teil
Endlich fand Maria ihre Eltern.
Sie entdeckte sie im Schloss Innenhof, nachdem sie wohl wie üblich ihren täglichen Rundgang gemacht hatten. Sicherlich in Näh- und Webkammern, in Ställen, Küche und anderen Werkstätten hatten sie Lob dem Personal geschenkt, dachte Maria, bevor sie die Beiden liebevoll begrüßte. „Kann ich mit euch reden, liebe Eltern?“ „Ja, Kind, jetzt haben wir Gelegenheit ganz alleine zu sprechen.“ „Könnten wir das in der Bibliothek tun?“ „Aber natürlich, Maria, da werden wir ungestört sein. Sind deine Geschwister zu dieser Zeit noch meist auf Entdeckungsjagd !“ Prinz Ludwig und Gattin Brigitta betrachteten mit großer Freude ihre älteste Tochter. Längst hatten sie erkannt, dass Maria mit ihrem wachen und dennoch kritischen Geist von einer wunderschönen Tiefe und Ernsthaftigkeit beseelt war. „Wir haben gerade über dich gesprochen, Maria“, gestand ihr lächelnd der Vater, als sie bald gemütlich in der Bibliothek saßen. Brigitta versuchte allerdings, hinter ihrem noch heiteren Gesichtsausdruck Bangen und Abschiedsschmerz zu verbergen. Maria spürte das sehr intensiv. Konnte sich ihre gütige Mutter kaum verstellen und war mit ihren 35 Jahren noch eine wunderschöne Dame. Zwar durchzogen einzelne Silberfäden ihr blondgelocktes Haar, was aber die Pracht lebendiger erscheinen ließ. Auch die kleinen Sorgenfältchen vermochten ihr Gesicht noch mehr zu verinnerlichen. Etwas molliger war Mama geworden, aber Lu Papa schien das besonders zu mögen. Ab und zu nannte sie ihn noch Lu Papa – wie damals, als sie, die Fünfjährige, ihn im Winterwald Schloss fand. Längst hatte sie auch begriffen, wie ihre Eltern mit verschiedenen Ansichten – dennoch gut umzugehen verstanden. Dabei schauten ihre glänzenden, schwarzbraunen Augen wieder einmal wie fragend in eine unbekannte Welt. Prinz Ludwig respektierte dieses Schweigen. „Sprich nun, Maria“, ermutigte sie Brigitta, die Gelegenheit ist günstig, die Arbeit ist für heute getan.“ „Ja, warum um den heißen Brei reden, liebe Eltern, ich habe einen Entschluss gefasst, nicht die Klosterschule in Lützelburg zu besuchen. Ich bin euch zwar von ganzem Herzen dankbar, für euren gutgemeinten Entschluss, ebenso dankbar, für eure liebevolle und geduldige Erziehung hier im Schloss, aber nun muss ich einen anderen Weg gehen. Wie ihr wisst, reite ich öfter mit meinem Schimmel durch die Gegend, und besonders die letzten Erfahrungen drunten in Waldrausch gaben mir die Gewissheit, dass diese Generation meines Alters, eine Auffangstelle benötigt. Aber nicht nur meine Altersgruppe, auch die von meinen Geschwistern ist arg betroffen. Ihr Wortschatz und Benehmen ist doch entsetzlich. Und einen Computer oder Internet gibt es bei uns in Friedenschein nicht. Der alte Fernseher hat nur wenige Programme, welche nur eine heile Welt zeigen. Das ist sie aber nicht. Nun, bisher habe ich solche Grausamkeiten auch nicht vermisst, aber es scheint höchste Zeit zu sein, sich mit solchen Problemen auseinander zu setzen. Nur so kann man lernen, was in unserem Zeitgeist besonders junge Menschen bewegt, so ordinär zu werden. Vergeblich suchte ich das eine oder andere Wort im Lexikon zu finden, aber selbst darin fand ich nur schwache Hinweise. Ob er überholt ist, durch die neue Rechtschreibereform ?“ Prinz Ludwig wandte sich etwas ab, um die aufkommende Scham, auch Rührung nicht zu zeigen. Ebenso Brigitta, die sich kaum wagte, in die Augen ihrer Tochter zu schauen. „Wahrscheinlich haben wir euch Kinder zu weltfremd erzogen“, gestand Brigitta, als plötzlich ein Kichern aus einer verborgenen Nische zu hören war. „Franziskus?“ Ja, er war es, der gezwungenermaßen ein wissenschaftliches Werk „überlesen“ hatte. „Komm, setze dich zu uns, Bub, ermutigten ihn alle – und schon saß der noch schmächtige Jüngling bei ihnen. „Ich wollte euch nicht stören, hörte aber das Notwendigste mit!“ Seine blauen Träumeraugen in dem leichtgebräunten Gesicht versuchten die Ernsthaftigkeit zu bestätigen. Obwohl noch etwas kindlich Weiches in dem schmalen Gesicht war, spross schon ein leichter Blondbart wie ein Flaum um das Kinn.
Franziskus ähnelte äußerlich mehr seiner Mutter Brigitta, verstand aber die Wesensart von Maria sehr gut. In irgend einem Buch hatte er ihr Märchenvogel Greif zu entdecken versucht, denn sah er nicht des öfteren vom Schloss drunten im Tal eine kleine, rote Flamme gaukeln?
Meist am späten Abend beobachtete er im Finsteren dieses Zauberwerk, das wie eine feuerfarbige Libelle fast immer über die gleiche Stelle schwebte. Aber Marias Märchenvogel konnte es nicht sein, fand er in keinem Buch eine Erklärung über einen diesbezüglichen Zusammenhang. So erzählte er nun auch den Eltern, dass er dann öfter nach Waldrausch hinabgeradelt sei, um das Geheimnis zu ergründen. Doch es misslang . Schon bald fand er heraus, dass eine Bande von Jugendlichen einen Treffpunkt hatten, wo sie solches Zeug qualmten, das ekelerregend stank. Meist verspotteten sie ihn auch, nannten ihn das weltfremde Friedenschein Prinzchen, hatten ihm öfter die Luft aus seinem Fahrrad gelassen, unbemerkt das Ventil geöffnet, weshalb er mit seinem platten Rad nach Friedenschein laufen musste. Das Nesthäkchen Johannes hatte ihn nur „müde“ belächelt. „Bin ich auf dem rechten Weg, liebe Eltern?“ „Nein, Junge, weder du noch Maria!“ „Kinder, lasst uns einen Familienrat halten“, schlug Prinz Ludwig vor, „o, ja, schon am morgigen Tag, liebe Eltern“, bestätigten die Geschwister ernsthaft, sehr, sehr ernsthaft. Es ging der Tag schon fast zu Ende, als Maria nochmals hinaus in das angrenzende Wäldchen ging, in den tiefen, dunklen Wald ihrer einstigen Kindersehnsucht. Ja, es war nun Frühling und die Bäume sangen ein Sehnsuchtslied. Maria schwieg, um sich in dieses Wunder zu vertiefen. Welch ein ewiges Geheimnis der Natur, dachte sie verträumt, doch die Natur musste auch zur Hilfe kommen, hielt der Ewige nicht über alles Kontrolle?
Morgen würde er seinen Willen bekunden, überlegte sie noch eine Weile im singenden Wald, wonach sie in ihren Erker schritt, um schon bald in einen gesunden Jungmädchenschlaf zu fallen .............
 
 
4. Teil
Und am nächsten Tag saß die Familie im Esszimmer, um nach einer gemeinsamen Teestunde ihren Familienrat zu halten. Prinz Ludwig begann in folgender Weise: „Wir haben über alles gründlich nachgedacht, Maria, und sind zu dem Entschluss gekommen, unseren Verstand so zu nutzen, dass er nicht nur für uns, sondern auch für andere einen Gewinn bringen sollte.“ „Vater“, unterbrach ihn Maria, ist das nur für mich – oder für uns alle gedacht ?“ „O, ja, junge Dame, das soll für uns alle eine Lebensweisheit sein, denn in dieser unruhevollen Welt ist es schwer, ein Gott gefälliger Mensch zu sein und zu bleiben.“ „Versuchungen kommen von allen Seiten“, bestätigte Brigitta –„und besonders das Übel Macht oder Stolz!“ „Ja, Mutter“, bestätigte Maria eifrig, “niemals möchte ich stolz sein.“ So lange lehrte uns das auch Pfarrer Jordan, denn haben wir einen Grund stolz zu sein? Bekommen wir nicht alles vom lieben Gott geschenkt, das Leben, das Aussehen, die Erziehung und so vieles andere?“ „Auch das Sehen und Hören“, versuchte Franziskus zu untermauern, bloß die Zwillinge Regina und Sarah murrten ein wenig. „Für gute Leistungen dürfen wir schon stolz sein, nein, das sehen wir anders !“ Wie grundverschieden waren die Mädchen. Dennoch betrachtete Prinz Ludwig alle seine Kinder liebevoll, während jemand schüchtern an die Tür klopfte. Es war Lisa. Sie suchte etwas verschämt nach passenden Worten, doch Maria half ihr. „Natürlich darfst du bei uns sein, Lisa, benötige ich dich doch ganz besonders für meinen Plan. Ich möchte nicht auf eine Klosterschule, wie ich dir schon sagte, sondern hier im Schloss einen Treffpunkt gründen, in dem sich Jugendliche inmitten der Natur zum besseren verändern können. Alleine werde ich es nicht schaffen, auch mit unsrem Hauslehrer nicht. Lukas stöhnt schon öfter über unsre Fünferschar! „Aber Lisa war doch auch dabei“, unterbrach Johannes etwas stotternd“, obwohl sie doch eine Waise ist!“ Eine Weile herrschte Stille. Lisa missdeutete das Schweigen und versuchte ein Schluchzen zu unterdrücken. Brigitta und Prinz Ludwig schauten sich besorgt an. Brigitta legte ihre Arme um Lisa. „Wir alle sind dir sehr dankbar, Lisa, hatten nur Freude an dir und liebten dich wie unsere eigenen Kinder. Und für Maria warst du die beste Freundin, Schwester und Vertraute, als sie noch ein wenig tollpatschig durch ihre Fantasien „flog“!“
„Deshalb ist sie ja heute als absonderliche Schimmelprinzessin bekannt“, wusste Sarah, „aber bist du besser“, neckte sie Regina ? Dein Pony wirft dich nicht vergeblich so oft ab ! Doch bald sind wir älter, dann dürfen wir auch ein richtiges Pferd reiten!“ Fast kam eine kleine Zankerei zustande, die Prinz Ludwig energisch beendete. „Kinder, bedenkt, dass sich unser Leben verändern wird, wenn wir Marias Idee beherzigen. Eure Mutter und ich haben beschlossen, den südlichen Schlosstrakt umbauen zu lassen, so dass eine Anlaufstelle für Jugendliche eine gute Sache werden kann. Auch werden wir einen Computer anschaffen, einen Internet Anschluss legen lassen, obwohl wir euch eigentlich davor zu verschonen gedachten. Doch wo viel Licht ist, ist auch Schatten!“ „O, danke Vater“, rief Maria begeistert – und alle brüllten durcheinander, wie toll so etwas sei! Endlich würden sie eine interessantere Welt entdecken. Die Familienratsitzung war zunächst beendet – und nicht nur Maria, sondern alle waren glücklich und dankbar.     
Gemeinsam ging das Prinzenpaar noch in die Kapelle, um Gottes Kraft und Segen zu erbitten. Natürlich für alle ihre Kinder, aber besonders für Maria, in deren Seele sich eine reine Blüte voller Schönheit und Kraft mehr und mehr zu entfalten schien. Wie viel Schutz würde dieses Menschenkind benötigen, um es durch harte Lebensstürme zu bringen ? Da besonders Prinz Ludwig auch um die Macht des Widersachers wusste, würde er alles daran setzen, um sein bisher friedliches Schloss von Versuchungen des Bösen zu bewahren. Er war sich bewusst, dass nur der Himmel dabei helfen würde, alle bevorstehenden Schwierigkeiten zu bewältigen....
 
Und ein neuer Tag begann !
Es sollte dieser erste, besondere werden, auf den sich alle gründlich vorbereitet hatten. Deshalb wollte Maria diesen Tagesanbruch im Wald erleben, wie so viele andere zuvor. Schon als Kind hatte sie die Waldungen um das Schloss durchstreift, mit Wonne beobachtet, wenn das Getier erwachte, die Vöglein ihre Freude in den grauenden Morgen schmetterten, ja, wenn die ersten Sonnenstrahlen die Wipfel der Bäume in freudige Röte tauchten.
Ihren Kinderglauben hatte Maria sich bewahrt, doch er war gewachsen – und sie erlebte ihn mehr in jubelnder Liebe und Dankbarkeit. Innig schaute sie hinauf zum Himmel, wusste, dass keine Menschenliebe groß genug sein kann, wenn sie sich nicht mit dem Himmel verbinden würde. Ob ihr Schimmel wiehern würde, wenn sie ihn mitgenommen hätte? Gewiss hätte er das getan. Doch sie musste heute alleine sein, um ihre Gedanken eigener Sehnsucht gen Himmel zu senden. O, dieses tiefe Sehnen nach dem Frieden im ganzen Land, und über dieses Land hinaus über alle Teile der Erde. Wie zerbrechlich war der Friede, für den man immer wieder neu zum Kämpfen, auch Leiden sich berufen fühlte. Doch sie wusste, dass sie Trotz ihrer 17 Jahre hier beginnen musste, hier, in dem wunderschönen Friedenschein Domizil.
Hatte ihr gütiger Vater im Gemeindeboten eine präzise Veröffentlichung eingegeben, nicht den schnöden Mammon gescheut den südlichen Schlosstrakt so zu gestalten, so dass sich junge Menschen wohl fühlen konnten. Eine junge Betreuerin hatte Studien über Computer und Internet Erfahrungen erfolgreich abgeschlossen, um Jugendliche in diese Wissenschaft zu führen, , die man weltweit erforschen konnte. Natürlich legte ihr Vater den größten Wert darauf, dass Jungen, oder Mädchen nur die wertvollsten Dinge des Kosmoses betrachten durften, was auch Maria mit ihren Geschwister schon einige Male fasziniert hatte.
In welch einer Liebesidee hatte Gott seine Schöpfung geschaffen, doch scheinbar konnten es nur wenige begreifen; denn auch Ausschnitte von Kriegen, Hungersnöten, Kriminalität und mannigfaltigen Seuchen durften sie unter der Aufsicht ihres gütigen Vaters und Seelsorgers Jordan kurzfristig schauen. Nein, nicht jetzt darüber nachdenken, überlegte Maria, beeilte sich, um rechtzeitig beim Morgenfrühstück zu sein. Durch eine gezielte Abkürzung gelang es ihr, denn darin war Brigitta ein wenig streng, aber Maria sah ein, dass eine kleine, Tischgemeinschaft notwendig war, um auch im gemeinsamen Segensgebet in den Tag zu schreiten. Jeder Tag trug ja ein neues Gesicht – und der heutige ......lag in einem besonderen Neubeginn !!!
 
5. Teil
Endlich war es 16 Uhr, als der kleine Gemeindebus in den Schlosshof fuhr. Alle von Friedenscheins standen freudigst vor dem Portal, um die jungen Gäste zu begrüßen. Diese sprangen wie die Wilden aus dem Bus heraus, tobten um ihn herum, begriffen aber bald, dass sie sich zunächst namentlich vorstellen mussten. 15 Jugendliche konnte man sich nicht so rasch behalten, obwohl Lukas, der Hauslehrer half, diesen Nachmittag mit zu gestalten. Nicht immer konnte er dabei sein, weshalb man sich für diesen Freitag entschieden hatte, der im wöchentlichen Ablauf für alle gut war. Die Jugendlichen hatten am nächsten Tag keine Schule, würden sich entspannter für diese Stunde öffnen. Auch die 25. jährige Betreuerin Lara vermochte sich zeitlich für diesen Nebenjob gut zu engagieren.
So nahm sie ihren Notizblock, in dem sich jeder Gast nicht nur namentlich, sondern auch mit Alter und Adresse eintragen musste. Eine notwendige Disziplin sollte schon Voraussetzung sein. 12 Jungs und drei Mädchen hatten sich zwar mürrisch, aber dieser Ordnung gebeugt. Zehn bis sechzehnjährige Schüler bewiesen sich in ihrer Art einer schönen, aber auch verschnörkelnden Handschrift. Schon bald tobten sie erneut in irgendwelchen Ecken herum, was man heute, zum ersten Mal keinem verübeln konnte. Doch in welch einem Benehmen geschah es ? Ein junger, schmaler Bub trat respektlos gegen ein Brautschleierbäumchen, ein anderer Bursche scheuchte belustigt einen Singvogel hinweg, während wieder ein anderer gegen ein Gartentürchen trat, so dass es fast aus den Angeln sprang. Spöttisch versuchte ein sogenannter Bandenchef, dennoch gewinnend zu wirken; welch eine eigenartige Mischung von fester Männlichkeit, aber auch unverfrorener Jugend. Sein fast zu kurz geschnittenes Braunhaar legte sich irgendwie störrisch um den kantigen Schädel. Keine Spur von Freude redete aus den strengen Zügen. „Chef“ riefen alle begeistert, ist doch cool, sich in dieser Idylle mal so ganz anders austoben zu können – und schon blitzte das eine oder andere Feuerzeug auf, Zigaretten begannen zu qualmen. Wieder andere spuckten gegen irgendeine Tonfigur und erneut zuckten Flammen auf. Maria war entsetzt und ging zunächst auf den sogenannten „Chef“ zu, bat ihn, für Ordnung zu sorgen. „Bist ja wirklich geil, Kleine, dich würde ich auch mal vernaschen, o, ja, sehr gern !“
Beschämt verließ sie ihn, um mit den fremden Mädchen in ein Gespräch zu kommen. Auch dieser Versuch misslang, versteckten sie ihre Hände in allzu enge Jeans Hosen, die natürlich bauchfrei getragen wurden. Spöttisch betrachteten sie die Schimmelprinzessin mit ihrem wadenlangen Rock. Auch Lukas konnte die Meute kaum zur Räson bringen, während Prinz Ludwig noch eine Wut unterdrückte. Bald reichte es auch ihm und er forderte alle mit einer festen und klaren Stimme auf, ihm in das Schloss zu folgen. „Okäääy“, sagte der lange, schlanke „Chef“, surfen wir mal so richtig die Friedenscheins ins wahre Leben hinein. Schon bald saßen alle in der weißen, schlichten Wohnhalle, in der nur erste Frühlingsblumen auf Fensternischen standen, um ihren Duft zu verstreuen. Bewusst hatte man die Computerecke so eingebaut, so dass man sie gut überschauen konnte. Ein langer, fester Holztisch stand im mittleren Raum, um den 2O Stühle zum sitzen einluden.
Im hinteren Eckteil stand Marias Piano, das man vorsichtshalber mit einem Tuch überzogen hatte. 
Den 16. jährigen „Chef“, den man nun gnädigst Tom nennen durfte, saß schon vor dem Computer, um ihn gezielt einzuschalten. Neben ihn hatte sich Lara gesetzt, die ihn forschend beobachtete. Alle anderen tranken irgend einen Obstsaft, da es hier keine Cola gab. „Beschissen“, brüllten sie undankbar durcheinander, wonach sich Brigitta energisch einen solchen Sprachschatz verbat. „Das darf doch wohl nicht wahr sein“, krächzte Tom, „ein Kinderschutz System ist eingebaut worden?“ Seine Stimme, noch in der Pubertät, hörte sich irgendwie lustig an, weniger aber seine Einstellung, um gezielte Pornoseiten zu finden. „Wir sind doch keine Kinder mehr“, bestätigte er im Brustton der Überzeugung, „über solche Themenangebote sind wir lange schon herausgewachsen. Spätestens, als wir vom Schulunterricht nach Hause kamen, konnten wir andere Informationsfluten im Computer kennen lernen, Sex in allen Variationen im Internet, stimmt`s girls ?“ „Aber eure Eltern, haben sie das zugelassen“, fragten sogar die Zwillinge Sarah und Regina entsetzt ? „Die waren doch nie zu Hause, müssen fast alle unsere Eltern beidseitig arbeiten gehen, um Kohle zu verdienen!“
„Dann habt ihr ja keine gemeinsamen Medienerfahrungen durchgesprochen“, wagte Franziskus einzuwenden – und alle lachten ihn aus. „Nein, ihr wohlbehüteten Schlosskinder“, widersprach Tom und spuckte provozierend auf den Boden. Quer Beet surfte er sich durch andere Programme, während die Friedenscheins nervlich am Ende waren. Inmitten des zunehmenden Spektabels war es mehr als begreiflich – und sogar „Chef Tom“ musste erst mal hinaus, um eine zu qualmen. „Wir auch, „Chef“... und schon raste die Mannschaft hinaus ! Maria schritt traurig zu ihrem Piano, um ihre Schwermut zu ihnen hinauszujubeln. Ob sie es berühren würde? Versunken in das Beethovensche Allegro, begann sie noch das träumerische Andante zu singen, worauf es draußen etwas ruhiger wurde. Eine geheimnisvolle Stimme, dachte nicht nur Prinz Ludwig, sondern auch Mutter Brigitta, die gerührt ihrer Maria lauschten. Sie würde auf Erden niemals heimisch werden – und doch für alle Sehnsucht geöffneter Herzen da sein wollen. Wie zur Bestätigung erklang noch leidenschaftlicher das Allegro unter ihren Händen, bis ihre Wehmut im fast finsteren Nachmittag verklang. Sogar „Chef Tom“ empfand eine Art Rührung, draußen, dachte versonnen über irgend eine Erinnerung nach.......
Der Schimmelprinzessin Klang und Gesang war doch tiefgreifender, als in versteinten Kirchen die frömmste Predigt sein mochte. Das konnte Maria jedoch nicht ahnen, denn die Gruppe im Schlosshof draußen surfte sich in abartigen Auswüchsen durch ihre eigene Welt. „Sie haben keine Vorbilder gehabt, liebe Eltern“, versuchte sie diese zu entschuldigen, „wir müssen Geduld aufbringen.“ Mittlerweile wurde die wilde Horde wieder vom Busfahrer abgeholt, der sie unter ihren ironischen Witzen wieder ins Tal hinab fuhr.....
Einsam stand Maria noch droben vor diesem Tal, das wie ein zartes, farbiges Träumen in eine beginnende Nacht hineinzudämmern schien. Obwohl die Friedenscheins frustriert waren, die junge Betreuerin Lara sogar weinte, durfte man nicht aufgeben. Bloß musste man in der nächsten Woche einen anderen Neubeginn starten.......... Maria betete sehr innig darum!
 
Was sie wiederum nicht ahnte, war ein Traum von „Chef Tom“, der in irgend einer Weglichtung nicht nur einen Schimmel, sondern auf dem Pferderücken eine grazile Reiterin herankommen sah. Sonnenstrahlen fielen auf die Liebliche und ihr Pferd. Im finsteren Wald ?
Tom erwachte und es war ihm, als würde er noch träumen und die himmlische Reiterin neben ihm sein. Um diesen wundersamen Traum zu verscheuchen, betäubte er seine Vereinsamung durch einen Joint. Doch er schien nicht zu wirken. Hörte er sogar noch nach diesem ihn eine melodische Stimme fragen: „Bist du so arg verletzt, „Chef Tom“? Kann ich dir, auch deiner Bande denn wirklich nicht helfen?“ Verzweifelt zog er sein Kopfkissen übers Gesicht, doch die Gedanken vermochte er nicht zu verstecken. So „flogen“ sie zu der Lieblichen: „Weißt du denn wirklich wie hart es ist, einen jungen Menschen meiner Art aus der Schwere von bitteren Erfahrungen zu befreien?“ Weißt du um die verloren gegangenen Kinderträume einer heutigen, unbequemen Generation?“
„O, ja, Tom, auch ich war einst bloß ein armes Kind, drunten in Waldrausch, damals, durfte aber zu einem „Silberglöcklein“ werden. Aber der liebe Gott hat mich das Christkind finden lassen, Tom, lieber, lieber Tom und wir müssen nur Geduld haben, dann werden wir es gemeinsam finden.“ „Bloß ich, oder auch die anderen“, hörte er sich fragend flüstern, „o, ja, auch die anderen, Gottes Liebe ist doch so groß, unfassbar groß!“ Unter irgend einem „Silberglöcklein“ Gesang ... durchdachte er, der einstig kleine Thomas, eine Ungewissheit, die aber unbewusst zu erwachen und reifen begann .............
 
6. Teil
 Zeit, ist sie überhaupt in einem menschlichen Dasein begreifbar, sinnierte Maria, als sie an einem Maimorgen durch den Friedenscheiner Wald schritt. Unter wie vielen ungezählten Jahren mochte das Frühlingsleben das gleiche sein? Gewiss für viele ein wohliges Träumen im Glanz der wunderschönen Sonne, im gläubigen Herzen an das ewig neu erwachende Leben, das sich täglich in einem anderen Gesicht offenbaren möchte. Für sie war es ein freudiges Umschleiern , dieses Dürsten und Drängen inmitten der Natur zu durchleben, zu beobachten, wie weiße, feine Blüten sich mit zarten Rosenmündchen zu öffnen begannen. Maria überlegte, ob Engel aus verschiedenen Kelchen ihren himmlischen Tau trinken mochten, um berauscht von diesem schöpferischen Elixier Menschen zu dienen. Nachdenklich setzte sie sich auf einen alten Stein, um sich in das Schönheitsdogma der Natur noch tiefer zu verinnerlichen. In ihrer derzeitigen Verfassung konnte sie sich solchen Gefühlen nur in Frühmorgenstunden hingeben, da die Realität ein gänzlich anderes Gesicht zeigte. Viel zu hart und grausam. So konnte sie im Alleinsein eine eigene Andacht genießen – und lauschte fasziniert, als ihre Kuckucke zu jubeln begannen. Welche Gedanken hatte sie gelesen? Ungestillte Sehnsucht, ob sie aus reinen oder trüben Quellen steigt, sei eine Macht – oder auch ein Schmerz im Ewigen? Es entfiel ihr, aus welch einem Buch sie eine diesbezügliche Weisheit gelesen hatte – und nur schwerlich erhob sie sich, um ihre kleine Waldmorgenandacht an diesem beginnenden Maientag fortzusetzen.
Schon war sie in gänzlich andere Gedanken vertieft.......
„Es wird mir schon was einfallen“, murmelte sie im Zwiegespräch vor sich hin und wusste noch nicht, dass dieser Einfall einer Idee schon im göttlichen Plan gespeichert war. Irgendwie ermutigt schritt sie über noch teilweise, eisigen Wurzeln gen Friedenschein zurück.
 
Spätnachmittag !
„Papa, lieber Lu Papa, könnte ich mit dir mal so ganz alleine ein Anliegen besprechen?“ „Aber natürlich, Maria, setzen wir uns doch in dein Kindergärtchen, in dem du mich noch Lu Papa nanntest, als meine einstige Kleine ! Meist hattest du ein Problem, das ich dir zu bewältigen half !“ „Ja, lieber, guter Vater, danke, dass du das erkannt hast.“ Schon bald saßen die Beiden auf der alten Holzbank, um für eine Weile zu schweigen. Es war so friedlich, fast zu still an diesem Spätnachmittag im Mai. Kaum ein Geräusch schien Vater und Tochter zu stören, nicht einmal ein liebliches Vogelgezwitscher ? Oder doch? Überhörten sie Töne in dieser ungewohnten Stille? Scheinbar schienen sie die bereits geöffneten Frühlingsblumen zu betrachten. Maria sah nachdenklich auf die eine oder andere Blume nieder, die sie an ein fragendes Kindergesicht erinnerten. Das war für die Prinzessin das ausschlaggebende Signal des Gespräches.
„Vater, als ich damals noch zu klein war, gab es da eine Begebenheit, welche du und Mama mir verschwiegen habt ? In diesem Zusammenhang muss ich immer wieder an Tom denken, an die Provokationen und Zankereien während der letzten Wochen, denen wir doch alle hier letztendlich nicht gewachsen waren. Öfter hatte ich das Gefühl, dass er sich in einer besseren Phase zu beweisen versuchte, doch wenn die anderen ihn „Chef Tom“ nannten, wurde er wieder rückfälliger im Benehmen und Sprachschatz. Ja, oft so verletzend eisig, warf uns vor, dass er in unserer feinen und gebildeten Welt frieren würde. Und wenn er mich anschaute, begann ich ebenso zu frieren und spürte, dass dieser innere Zustand einen tieferen Sinn in sich verberge. Irgend jemand muss mit ihm ein neues Leben begonnen haben, ein zerstörerisches, als er noch ein Kind war. So träumte ich auch schon des öfteren.
Prinz Ludwig sah ernsthaft in Marias fragende Augen. Aber auch sehr nachdenklich. „Verschweige mir nichts, lieber Vater, denn Tom leidet, und wir können ihm nur helfen, wenn er von irgendeinem, ihm unbewussten kindlichen Trauma befreit werden kann.“ „Seltsam, Maria, dass ich soeben an Kronaus Grafentochter Susanne denken muss. Sie war eine eiskalte und berechnende Person, zwar sehr hübsch und reich, aber.......“
„Aber, o Vater, du solltest sie heiraten?“ „Ja, Kind, doch konnte und wollte ich das nicht!“ „Wo lebte sie, Vater ?“ „In dem romantischen Städtchen Ulmenstein, vor dem großen Schlosspark Kronau, der wie du weißt, lange schon eine fremde Erbengesellschaft gekauft hat. Auch deren Schloss, das man für betuchte Gäste umgebaut und mit erworben hat.“ „Wie alt warst du damals, Vater?“ „35 Jahre, Maria, und meine Eltern, sie waren für alle nur als die Herrschaften bekannt, wollten mich mit der Grafentochter Susanne Kronau verheiraten. Das kam natürlich nicht zustande, da Brigitta, deine Mutter, nicht nur meine Traumfrau, sondern vom Himmel zugedachte Gattin werden sollte.“
„Doch dann kam der schreckliche Unfall, Vater, durch den deine lieben Eltern starben – und du ein ganzes Jahr in einer Klinik verbringen musstest. Während diesem Jahr wuchs ich ja in Mamas Bauch heran, aber nicht in Ulmenstein, sondern in Waldrausch. Es muss in meinem dritten Lebensjahr gewesen sein, als ich des öfteren einen kleinen Jungen sah, der Mama hinterher lief, um bei uns in Waldrausch sein zu dürfen.“ „Hat das deine Mutter nicht bemerkt, Maria ?“ „Nein, ich glaube nicht, Vater, war sie doch immer viel zu beschäftigt, um uns zu versorgen. Und Großvater verstarb ja, wie du weißt !“ „Ja, Maria, in diesen fünf Jahren meiner Einsamkeit raste die Zeit dahin und ich kümmerte mich nur um unsere Waldungen, bis du zu mir kamst.“ „So konntest du auch nicht mehr verfolgen, was mit der Grafenfamilie Kronau geschah ?“ „Nein, Maria, nur vom Förster hörte ich hin und wieder das Gerücht, dass Susanne Kronau geheiratet haben soll. Einen ebenso berechnenden Luftikus, mit dem sie einen kleinen Sohn Thomas gezeugt hatten. Dieser Bub musste unter der Gewaltbereitschaft seiner Eltern sehr gelitten haben, was diese natürlich nicht bemerkt zu haben schienen.
Für sie zählte nur das große Leben, aber kaum das wertvollste Gut, ihr Kind. Solche Geschichten nahm ich damals nur flüchtig zur Kenntnis, wusste nicht, ob es der Wahrheit entsprach, dass der kleine, heranwachsende Junge in Ulmenstein umher lief, um kindliche und absonderliche Proteste zu bezeugen.“ „Welcher Art, Vater?“ „Des öfteren soll er ein Pappschild um den Hals getragen haben, auf dem er ein Kind gemalt hatte, das mit braunen Haaren ihm glich. Auf andere Pappschilder malte er irgendwelche zerfetzte Monster, man soll den Kleinen verspottet haben, während seine Eltern auf irgend einer Weltreise waren. So wurde gemunkelt, Maria, auch von einer diesbezüglichen wirtschaftlichen Misere von Kronaus, die immer mehr über ihre Verhältnisse lebten. Das ging so lange, bis eine Versteigerung nicht mehr zu umgehen war.“ „O, Vater, ob Thomas der heutige ........
„Chef Tom“ ist ? Seine Computerspiele, die er öfter mit brachte, bezogen sich doch fast ausschließlich auf eine Gewaltbereitschaft, um Kinder Ängste zu schüren. Ebenso seine Einstellung zum Drogenkonsum, weshalb wir eine Verschnaufpause machen mussten?“ „Ja, Maria, und dringend einhalten werden !“ Forschend betrachtete Maria Prinz Ludwig. Es waren weniger die Jahre, unter denen er etwas gebeugt neben ihr saß, sondern mehr die Sorgen der letzten Monate, unter deren Last und Verantwortung er arg zu kämpfen hatte. Wie viele Silberhaare durchzogen die zuvorigen, fast schwarzen Haare – und wie viele Sorgenfältchen das markante Männergesicht. Ein leichter Windhauch begann durch das Gärtchen zu wehen und Maria dachte gerührt, wie sich die grauen und schwarzen Haare ihres Vaters im leichten Windspiel so gänzlich anders mit bewegten. „Lieber Vater“, nahm sie das Gespräch wieder auf, „fast alle haben sich doch blenden lassen, von dem - was Tom mit seiner Bande uns an Schmutz anzubieten gedachte.
Mamas Nerven streikten erheblich, die Geschwister tobten oft wie eine wilde Horde durchs Schloss, Lukas konnte fast kaum noch dem Hausunterricht gerecht werden, auch Lara ließ sich nicht mehr überlisten, hatte die Nase voll. Ganz zu schweigen von unserem gütigen Pfarrer Jordan, dessen Herzleiden sich zu steigern begann. Bloß Lisa und ich konnten einiger-
maßen durchhalten – und natürlich auch du, lieber Vater, ließt dich nicht so rasch von den Umständen beeinflussen. Und ich glaube, weil wir hauptsächlich auf die Kraft des lebendigen Gottes bauten. Sollten wir nicht immer wieder Tag für Tag, Stunde für Stunde seiner Hilfe und Barmherzigkeit vertrauen? Ja, mit dieser Kraft und Hilfe von oben rechnen ?
Menschen geben meist zu früh auf, wenn alles so aussichtslos erscheint. Haben das nicht sogar so viele in der Heiligen Schrift erlebt und bezeugt ? Dabei fällt mir Hiob ein, der in seinen schlimmsten Nöten sogar von Freunden und Verwandten verlassen wurde.
Ganz zu schweigen von Jesus, dessen Verräter nicht nur Judas und Petrus waren, aber er dennoch in unendlicher Liebe den göttlichen Sieg proklamierte.“
„Maria, meine kleine „Heilige“, fast schäme ich mich, dass auch ich schon aufgeben wollte, kann man trotz Gottvertrauen schon hin und wieder zu einem ungläubigen Thomas werden.“
„Das darfst du auch Vater, bin ich fest überzeugt, dass ein solch großer und allmächtiger Gott sogar mal einen Zweifler lieber mag, als jemand, der ihn gänzlich ignoriert. Und der biblische Thomas musste ja auch erst seine Hände in die Wundmahle Jesu legen, um erneut an ihn zu glauben. Bitte, Vater, lass mich mit Lisa öfter zu den Jugendlichen nach Waldrausch gehen, denn wenn wir Thomas diese Jesu Liebe ganz anders zu schenken versuchen, wird er bald nicht mehr der „Chef Tom“ sein, sondern gewiss mit seinem Team ein sinnerfüllendes Leben finden. Wir müssen nur fest daran glauben – und unser Glaube braucht doch bloß so groß wie ein Senfkorn zu sein!“
„Nur schweren, sehr schweren Herzens kann ich dir dazu die Erlaubnis geben, aber da du ja in wenigen Tagen 18 Jahre bist“, „und somit mündig, Väterchen“, „ja, junge Dame, versuche deiner inneren Stimme zu folgen, zumal auch Lisa dir zur Seite stehen wird. Bloß wie bringe ich das deiner Mutter bei, Maria?“ „Das wird deine innere Stimme tun, Vater, denn lebt nicht Jesus in lebendigen Tempel? Und ist der allmächtige Gott nicht auch ein Allgegenwärtiger?“
„Doch – meine liebe, „Kleine, Große“ .....................
 
7. Teil
Letztmaienwoche!
Maria saß mit Lisa vor ihrem ehemaligen Häuschen in Waldrausch, das seit längerer Zeit nicht mehr bewohnt war. Ihr guter Vater hatte ihr den Wunsch erfüllt, es für ihre Idee benutzen zu dürfen. Handwerker durften es so renovieren, so dass es wieder behaglich ausschaute. Bloß im verwilderten Garten gab es noch viel zu tun, aber Maria wollte mit Lisa ihre Gartenarchitektur alleine gestalten. Natürlich hatte Tom mit seiner Bande bald heraus – bekommen, dass die beiden Mädchen öfters dieses Domizil aufsuchten – und auch recht tüchtig im Gärtchen wirkten. Diese für sie ungewohnte Arbeit erforderte schon erhebliche Kraft, was den Mädchen aber nichts auszumachen schien. Mit ihrer bequemen Gartengarderobe, ja vor allem den praktischen Schutzhandschuhen – zogen sie mächtige Unkrautsträucher heraus, um das Stechzeug in einer Ecke zu lagern. Ab und zu machten sie eine Pause, um sich nicht nur erfrischt aufzutanken, sondern die wundersame Maienschönheit zu genießen. Während einer solchen Pause stand plötzlich Tom neben den Beiden, um sie zu verspotten. Besonders - Maria. „Na, Prinzesschen, mal so ganz anders in Aktion ? Freilich, das Gebildete pflegt sogar noch unter Dornen und Disteln eine Kunst zu schaffen, steht so was nicht auch in deinem Heiligen Buch ?“ In anderer Art und Weise von fast unverzeihlicher Gotteslästerung spuckte Tom zur Bekräftigung diese auf den Boden nieder, während Maria nur scheinbar gelassen vor ihm saß, aber eine rosige Blutwelle über ihre rundlichen Wangen sich ausbreitete. Das blasse und schmale Gesicht von Lisa begann zu glühen. „Tom, Maria und ich dulden diesen Sprach – schatz nicht mehr“, versuchte sie ihn ernsthaft zu belehren, wobei sie sich mutig erhob, ja, ihre schlanke Gestalt zu wachsen schien. „Du graues Mäuslein und Waise versuchst mich zu bekehren? Wer bist du schon, unscheinbare Geigerin?“ „Nein“, widersprach Maria, „weder Lisa noch ich können dich bekehren, das kann nur Gott tun, der dich sehr lieb hat.“ „ Schimmelprinzessin, wie oft hast du das nicht nur mir, sondern auch uns anderen gepredigt, aber wir sahen keinen Gott der Liebe, schon gar nicht droben bei euch auf Friedenschein!
Versuchst du es nun mit anderen Tricks hier unten ?“ Schon hatte er Marias Strohhütchen übers Gatter geworfen, was sie aber gar nicht zu berühren schien. „Gewissermaßen schon, Tom, denn alles Große, mag es auf den ersten Blick auch unbezwingbar ausschauen, birgt immer etwas Einfaches in sich.“ Verwundert schaute Tom auf die junge Maria, durchdachte diesen Satz, der ihn zu berühren schien. In der ihrer eigenen Sensibilität spürte Maria, dass in Tom sich ein Knoten zu öffnen begann, während Lisa ihr das Strohhütchen holte, um es auf die Bank zu legen. Aber da der Tag sich zu Ende neigte, beschlossen die Mädchen, ihre Gartenarbeit zu beenden.
„Setze dich zu uns Tom, wollen wir gemeinsam einen Gartenschmaus halten!“
„Nichts lieber als ein solches Angebot, Prinzessin“, spöttelte er noch belustigt, wurde bald aber still, als die Beiden Obstsäfte und Butterbrote auf den Gartentisch stellten. Lisa holte noch ihre alte Geige aus dem Häuschen, um sie behutsam neben sich zu legen. „Gibt es keinen Obstler in diesem Haus?“ „Nein, Tom, wir trinken keinen Alkohol und es ist auch nicht eine Flasche in der Vorratskammer.“ Lässig lehnte er sich über den Tisch, trank gierig einen Saft und aß eine Scheibe von dem köstlichen Bauernbrot. Wären die anderen bloß hier, flogen seine Gedanken durch irgendwelche Gefilde, während erste Akkorde den beginnenden Abend durchträumten. Zunächst war in den Tönen der Geige noch etwas Schwächliches und Zaghaftes, bald aber wurden sie lebendiger und zu einer schwellenden Kraft.
Was sie fühlt, überträgt sie in ihr Spiel, wurde Tom bewusst, eine Tiefe, eine Sehnsucht, welche doch in allen jungen Seelen wie ein heißes Feuer brennt. Er sah, wie Lisa mit der Geige an der Wange in einen hellen Lichtkreis schritt, obwohl die Dämmerung kaum einen solchen ermöglichte. Wo kam dieser her ? Ob der EINE diesen gesandt hatte, den Maria nun mit jubelnder Glockenstimme zu loben und preisen begann? Lisa spielte diesen noch inniger in den Lob-Preis hinein – und Tom wusste nicht mehr, ob er lachen oder weinen sollte. Bitterlich weinen, weinen....
Tatsächlich weinte er, der coole Tom. Gebannt schauten die zwei Mädchen auf den langen, schmalen Tom, der sie verließ, wortlos verließ.........
 
 
„Hoffentlich war es nicht die Ruhe vor dem Sturm“, flüsterte Lisa, als sie neben Maria auf ihrem Lager lag. „Nein, Lisa, das glaube ich nicht, „schau, in diesem Zimmer lag ich früher mit Gittli Mama und kann mich noch schwach erinnern, wie Großvater draußen auf einer alten Geige spielte. Oft begleitete ihn Mama mit einer wundersamen Stimme, die an klingende Silberglöcklein erinnerten. Wir waren zwar irdisch arm, aber in der Gottesliebe sehr reich. Und diese Liebe muss der damalige, kleine Grafensohn Thomas gespürt, ja, sich regelrecht nach ihr gesehnt haben. In seinem Haus lief eben das Rad anders herum. Sie waren irdisch reich, kannten aber keinen liebenden Gott .....
Und als du in den hellen Lichtkreis tratest, mochte er wohl nur diese Liebe gesehen, gefühlt haben, die aus göttlicher Quelle entstammt. Vielleicht war es das erste Aufbrechen seines kindlichen Traumas, in das wir ihn führen helfen durften. Ich glaube, dass da noch eine Idee in mir schlummert, bloß weiß ich noch nicht, ob sie aus dem Vaterherzen Gottes kommt!“
„Welche, Maria?“ „Wenn wir den Garten so einigermaßen in Ordnung haben, könnten wir mit Tom und den anderen Jugendlichen einen Malwettbewerb starten. Könnten sie ihre Gefühle nicht nur in buntfarbiger, sondern auch in schwarzweißer Empfindung auf dem Papier zum Ausdruck bringen.“ „Maria, du bist ein Engel, denn auch ich malte mich in meiner einsamen Kindheit frei, so frei, obwohl ich damals im Heim nur eine Tafel mit Kreide besaß.“
„Bis dich meine lieben Eltern zu mir holten?“
„Ja, denn sie betrachteten ein letztes Kinderbild von mir, auf dem ich weiße Traumblumen, ein mutiges Prinzesschen und ein Schloss gemalt hatte. Bloß die Eltern konnte ich nicht malen, weil ich keine mehr hatte. Beide kamen durch einen Unfall ums Leben. Meine Tränen tropften auf die Tafel nieder – und rund um die Blumen schauten sie wie kleine Eiskristalle aus. Sofort begriffen sie, wie verletzt mein armes Seelchen war, weshalb sie mich aus dem Kinderheim holten, um dir eine Freundin zu schenken.“
„Nein Lisa, auch als mein Schwesterchen, hast du das noch immer nicht begriffen?“
„Doch, Maria, entschuldige, aber nun lasse uns schlafen, haben wir nicht nur morgen, sondern in kommender Zeit noch mächtig viel zu tun..............
 
Thomas schlenderte indessen zum Marktplatz hinab, vermutete er dort seine Freunde. Tatsächlich fand er sie am Brunnenrand sitzend, qualmend, aber auch irgendwie so fremd, so fremd. Gelangweilt setzte er sich zu ihnen, musste sich wieder ihre Geschichten anhören, die meist bitteren Frust bezeugten. Aber auch von Gespenster die nicht existierten, oder von Monstern in abartiger Schilderung. Und natürlich von Sex, sowie ekelerregender Pornografie.
Die Mädchen waren mit einigen Jungs noch droben, in der Giebelstube, konnte man durch das geöffnete Fenster ihr albernes Getue gut hören. Nun begann Tim auch noch die entsetzliche Techno Musik aufzudrehen, mal im tiefen Schlag, hinauf bis zum bersten, um wieder hinunter in eine wahnsinnige Tiefe zu dröhnen. Alles endete in einem blechernen Wirrwarr und Thomas fühlte sich erbärmlich in diesem Höllenspektabel.
Nur flüchtig vermochte er sich an die wunderschöne Lob-Preis Musik zu erinnern, die in seinem Herzen unbeschreibliche Spuren einer anderen Welt hinterlassen hatte.
„Tom Chef“, was ist los mit dir, brauchst du einen Joint?“
„Nein, nur Ruhe, absolute Ruhe!“
Aufatmend verließ er die Bande, die ihm in seiner Verfassung völlig gleichgültig war. Irgendwo lehnte er sich schweratmend an einen Laternenmast, blickte zum Himmel hinauf, von dem der Mondschein so gänzlich anders auf ihn niederzufallen schien.
„Großer Gott wir loben dich, Herr wir preisen deine Stärke...... wie du warst vor aller Zeit,
so bleibst du in Ewigkeit.“ Sang oder murmelte er diese Melodie vor sich hin?
Und das sogar noch in seiner Bude im Zwiegespräch mit diesem großen Gott?
„Irgendwelche Texte müssen mir entfallen sein“, flüsterte er resigniert, während es draußen
wolkenbruchartig zu regnen begann. Hellwach saß er vor seinem Fenster, durchdachte so vieles bis in den Frühmorgen hinein. Doch alles was er durchdacht hatte, war wieder nur ein Halbes und er musste erneut hinauf zu den Mädchen nach Waldrausch, in ihr buntbarbiges Lichtgeflimmer, in dem sie ihren Wildwuchsgarten zu ordnen begonnen hatten. Schon marschierte er kräftigen Ganges hinauf ..............
                                                                                          
 
8. Teil
Nach dieser stürmischen und regnerischen Nacht schien der Himmel seinen Unmut überwunden zu haben, bloß ziehende Dünste durchzogen noch das Tal, über das Tom während einer kurzen Pause nieder schaute. Erste Sonnenstrahlen schienen gebeugte Wiesenblumen nur zögernd aufzurichten, für Tom schaute alles so anders aus.
Werde nicht zu einem Poeten, sinnierte er nachdenklich, wurde fast ärgerlich über sich selbst, dass er noch hängende Regentropfen wie rote, auch lichtblaue Perlen auf den schlichten Wiesenblumen zu erblicken schien. Hörte er nicht ebenso ihn Tims Spottruf zurück rufen?
„Tom, komme zurück, wir sind viel stärker hier unten in unserem Teamgeist einer Freiheit !
Werden es die Friedenscheins nicht schaffen, uns durch eine Verbesserungsfrist in eine erneute Scheinwelt zu entführen!“
Nachdenklich setzte sich Tom auf einen Hügel, um über seine Freunde nachzudenken.
Die meisten würden jetzt noch in der Schule sein, um sich zwangsläufig einen Unfug einzupauken, den sie draußen in ihrer Freiheit schon bald vergessen hatten. Nun, eine solche Schulbank musste er nicht mehr drücken, konnte er – nun 17. jährig – diese Qual verlassen, um durch Gelegenheitsjobs sein Leben zu fristen. Doch was war das wiederum für ein Leben? Die Miete für die düstere Kellerbude konnte er nur recht und schlecht aufbringen, ebenso seine karge Kost und Qualmereien. Klauen lag ihm nicht, hatten ihm das damals irgendwelche Pflegeeltern ziemlich vermiest. Wie oft hatten sie ihn brutal verhauen, ihm danach vorbildliches Benehmen beizubringen versucht, aber das Notwendigste vergessen, ihn in einer Herzensbildung heranzuziehen. Vertiefe dich nicht jetzt in eine solch finstere Vergangenheit, die ja doch nicht mehr aufzuholen ist, dachte er deprimiert – und meine Freunde haben ja Eltern, wenn auch beide berufstätig sind. Was wissen die von ihren Sprösslingen überhaupt? Nichts, absolut nichts. Nur ihre schlechten Zeugnisse scheinen ihnen bekannt zu sein, aber habe ich ein besseres ? Bloß in dem Wischzeug einer Malkunst hatte ich eine gute Note, doch die hilft mir nicht weiter, wenn ich am Bau oder irgendwo anders schufte. Auch beim letzten Job wurde ich gefeuert, doch ein Dealer half mir, den Frust zu schlucken. Aber ich werde was anderes finden, irgend einen lukrativen Job.
Hoffentlich kommt die Bande nicht heute hinauf, um die Mädchen zu belauern, sinnierte er, während er schon fast oben bei ihnen war.
Endlich hatte er das Häuschen erreicht, in dem er die zwei fröhlichen Mädchen im Garten eifrig wirken sah. Irgendwie glaubte er sich in ein Märchenland versetzt, das nach einem „langen, finsteren“ Weg doch Wirklichkeit war. Wie ein Erwachender erschien ihm noch vieles verschleiert, versuchte es unter gemischten Gefühlen einzuordnen. Welch ein heilig, träumender Ernst lag auf Marias Gesichtchen, das er aus dieser Sicht noch nie bemerkt hatte. Und Lisa ? Sah er in diesem für ihn zuvorig – grauen Mäuslein nicht eine reizvolle Ausstrahlung ? Ihre schönen, grauen Augen in fragender Sehnsucht geöffnet, ihre Begrüßung im leisen Klang einer Art Geigenmelodie ?
„Tom, wir wussten, dass du uns helfen würdest, Maria und ich haben so sehr auf dich gewartet!“ „Und bestimmt auch für mich gebetet?“ „O, ja, riefen die Mädchen wie aus einem Mund, wir beginnen jeden Tag mit einem gemeinsamen Gebet, denn von einem Gott – mit dem man nicht redet, kann man auch keine Antwort erwarten!“ „Ob er auch eine für mich hat?“ „Aber natürlich“, versicherte Maria eifrig, „doch frühstücke erst mal“, ermutigte ihn Lisa – und Tom nahm dankbar das Angebot an..........
Am Abend ....
Welch einen wunderschönen Garten hatten sie sich geschaffen, fast ein kleines Paradies. „Danke, Tom, dass du uns geholfen hast, denn ohne dich wären wir nicht so weit gekommen“, versicherten ihm die Mädchen. „Aber warum blühen in dieser Ecke keine Maiblumen mehr, Maria ? Es war doch euer Lieblingsplätzchen, damals, nach dem ich mich so sehr sehnte.“ „Daran kannst du dich noch erinnern, Tom?“ „Ja, während der Arbeit schien irgend ein Schleier zu fallen, oder war es eine Halluzination?“ „Nein, Tom, lieber kleiner Thomas, der himmlische „Gärtner“ hat seinen irdischen berührt. Doch was die Blumen anbelangt, wuchsen die Bäume in den vielen Jahren all zu rasch empor. Ihre Kronen haben sich so dicht geschlossen, so dass keine Sonne mehr hineinfallen kann.
Und in einem dauernden Schatten mögen Blumen nicht blühen!“
„Ja, das ist begreiflich, Maria, aber mein Märchen von damals, die schlanke, zärtliche Frau und das liebliche Kinderstimmchen, ja, und der kleine, hilflose Bub, der diese Liebe miterleben wollte, könnte das auch eine Bedeutung für mich haben?“
„O, ja, Tom, eine sehr tiefgreifende sogar. Darüber wollen wir uns nach einer gründlichen Reinigung später unterhalten. Schon bald saß das Trio während einer gemütlichen Brotzeit im Abendgarten. Dankbar betrachteten sie ihre Arbeit. Ein dunkler Weg, Tom hatte ihn von zähem Unkraut befreit, umrandete den grünen Garten, der unter weißen Blütenbüschen wie eine kleine Friedensoase zu träumen begann. Singvöglein sangen noch vergnügt eine Gute-Nacht-Melodie. Maria summte ein zärtliches Wiegenlied einstiger Kinderzeit. Das buntbemalte Häuschen leuchtete wie ein kleines Märchenschloss. Lisas graue Augen erinnerten an eine wundersame Abendwolke, die sich im Farbwechselspiel noch weitaus tiefer verinnerlichten. Dass ein cooler Typ wie Tom noch Herzklopfen bekam, konnte er sich nicht erklären. Seltsam, dass er diese junge Person in Zeiten auf Friedenschein für eine unscheinbare Maus gehalten hatte, sie nun aber mit gänzlich anderen Augen sah. Begabt, gebildet, erfüllt an schöpferischer Schaffungskraft – und doch noch im zarten Jugendalter irgendwie bedrückt vom Leben. Eine Waise, die für ihn über den Sternen zu wohnen schien. Wie gebannt schaute er immer wieder in diese Augen, die so rätselhaft, oder gar unergründlich schienen. Ihr aschblondes Haar wirkte zwar etwas farblos, aber man dachte bei diesem Mädchen automatisch an andere Werte. Und wieder tauchte eine Erinnerung in ihm auf. Ein kleiner Bub, der so oft vor dieser Idylle stand, hilflos und immer wieder um Liebe heischte. Tief in Gedanken versunken bemerkte er nicht, dass er sich eine Zigarette entzündete, seine erste an diesem Tag? Und die beiden Mädchen lächelten nur liebevoll? Über Unausgegorenes muss ich noch schweigen, dachte Maria, was nicht nur Tom, sondern auch Lisa spürten. „Was machen deine Freunde, drunten in Ulmenstein, Tom ? ... unterbrach ihn Maria fragend, „wahrscheinlich Blödsinn, was anderes kennen sie ja nicht. Ihre Pauker bilden ja fast ausschließlich die sogenannte Elite heran.“ „Tom, Lisa und ich haben eine Idee durchdacht, für euch alle. Ob du sie dafür begeistern könntest?“ „Einen Malwettbewerb, Maria?“ „Ja, und mein Vater könnte der Sponsor sein. “Vielleicht lüftet sich dann auch ein Geheimnis, und nicht nur für dich!“
Ob er das tun würde, Maria?“ „O, ja, übers Wochenende werden wir in Friedenschein sein – und am Montag, dann wieder hier im Garten. Dann werden wir präziser über die Sache reden. Zunächst alleine, danach mit den anderen!“ „Prima, Maria, nun muss ich euch aber verlassen, es ist ja schon fast Mitternacht.“ „Passe gut auf dich auf, Tom, gute Nacht“, riefen ihm die beiden Mädchen sehr dankbar nach .................
Ich muss mit Sebastian beginnen, überlegte Tom, ist er der einzige in unserer Clique, der für Recht und Gerechtigkeit einen tieferen Sinn hat. Da er nun auch schon 16 ist, die künstlerische Fähigkeit hat, Gefühle aufs Papier zu malen, könnte er zielgerecht für sich und andere in den Riss treten. Im Beginn des wunderschönen Monates Juni, könnten schon viele geöffnete Blumen – ja – wahrscheinlich auch einem Menschengesicht ähneln.
Warum muss ich bloß immer wieder an eine alte Frau denken, die in Kissen und Decken eingepackt, auf einer Terrasse saß, um mich liebevoll zu trösten? Irgendwie hatte ich sogar Vertrauen zu ihr, was ich ihr aber nicht eingestand. Ob aus Wut oder Freude habe ich ihr ebenso irgendwann ein Stiefmütter Büschlein aus der Erde gerissen, es ihr in den Schoß geworfen, um ihr verletzend zuzurufen, dass sie ebenso ausschaue. Am oberen Rand ihres Steingartens sah man dann nur noch ein kleines, dunkles Loch. Stumm und fassungslos schaute sie mich an, als ich mich ein letztes Mal zu ihr kauerte und so entsetzlich fror. Ob es durch ihre eiskalten Hände geschah, mit denen sie mich dennoch streichelte? Nicht nur ein echter Kronau, sondern auch Merkur murmelte sie vor sich hin, „armer Bub, auch du musst leiden, leiden.“ Danach ergriff ich endgültig die Flucht, erinnerte sich Tom,Gott, wer waren diese Menschen, die alte Dame? Verdränge, vergesse endlich diese Zeiten, sprach er sich Mut zu, während er gedankenlos irgendwelche Monster auf einen Schmierzettel malte, bis er müde – über das Ecktischen gelehnt – einschlief. Als er gegen Morgengrauen erwachte, durchdachte er einen seltsamen Traum. Als Kind liebte er diese alte Frau, die seine Großmutter gewesen sein solle – und das Bübchen so gerne bei sich gehabt hätte. Doch seine Eltern hatten durch eine Flucht ins Ausland dazu keine niederschriftliche Erlaubnis hinterlassen, sich bald geschieden, während seine Großmutter sich auf ein kleines Hofgut zurückzog. Wenn der kleine Thomas sie mit seinen braunen Augen forschend anschaute, musste die alte Frau an ihren Sohn Gerold denken, den man auch durch Suchdienste nicht mehr fand. Dass er ein liebenswerter, aber auch leichtfertiger Luftikus war, verübelte sie ihm kaum, denn diese Gene hatte er von ihrem Mann, seinem Vater – dem General von Merkur geerbt. Die alte Dame erinnerte sich nur ungern an ihren verstorbenen Mann, mit dem sie nach damaligen Brauch zwangsläufig verheiratet ward. Als sie, die Generalin im betagten Alter von 9O Jahren verstarb, wurde ihr Enkelsöhnchen Thomas an Pflegeeltern übergeben, die ihn nicht aus Liebe, sondern des Mammons wegen aufgenommen hatten.
Können Träume nicht Schäume sein, überlegte Thomas, während er sich einen heißen Kaffee braute. Sollte ich aber dennoch einen von Merkur sein, dann hätten diese Pflegeeltern Schindler mich nicht nur namentlich getäuscht, sondern im wahrsten Sinne des Wortes Schindluder mit mir getrieben. Nun, auch die waren verstorben, und niemand wagte ihn nach deren Tod noch als „Schinderhannes“ zu verspotten. Als „Chef Tom“ hatte er sich durchgeboxt, vor dem zumindest seine Bande Respekt hatte. Sein Magen knurrte, während er den heißen Kaffee trank – und auf sein gemaltes Bild nieder schaute. Monster schienen ihn nicht nur zu verspotten, sondern listig anzugrinsen. Für Tom verschoben sich die Monster,
es half nichts, sich in unerklärliche Rätsel zu vertiefen.
Energisch zerriss er das Gezeichnete, um sich in eine andere Welt zu versenken. Dabei wurde sein Herz voll froher Zuversicht. Die frühere Unsicherheit, ob es recht sei, einen jungen Menschen in unverantwortliche Schwere und Pflichten mit einzubinden, schien von ihm abgefallen. Wie gütig musste dieser Gott von Maria und Lisa sein. Doch ein Unrecht wurde nicht zum Recht, wenn es durch ein altes Unrecht bekriegt wurde. Rasch malte er noch ein Stiefmütterchen auf ein anderes Blatt, das durch erste, hereinfallende Sonnenstrahlen ihn zu ermutigen schien: „Kleiner Thomas, wir alle waren nur Opfer von Opfern, das erkannten wir aber erst hier in der anderen Welt. Danke Großmütterchen, beschriftete er noch mit schräger Handschrift das Flüstern der Generalin, dein kleiner Thomas wird erwachsen........
 
9. Teil
Sebastian saß im Wohnzimmer und las.
Er sah überrascht auf, als Tom mit seiner Mutter ins Zimmer kam, um mit ihm zu reden? „Sebastian, Tom hat eine wunderbare Idee, was dich und eure Clique anbelangt. Er hat mir schon einiges in der Küche erläutert, was ich wirklich toll finde. Weiß er doch, dass Vater und ich viel zu wenig Zeit für dich haben – und ich am Samstag in der Küche vieles aufarbeiten muss. Macht es euch gemütlich, ihr Beiden!“ „Danke, Mama, doch wollen wir dich nicht stören ! Tom und ich werden einen Bummel machen!“ Schon erhob er sich, um sich von der gütigen Mutter zu verabschieden. So schlenderten die beiden Jungs zum Marktplatz, wobei Sebastian schon das Wesentlichste erfuhr. Bald entdeckten sie Frederik am Brunnenrand sitzend, der sie mürrisch anstarrte. Er drückte seine Zigarette aus, zerrieb den Stummel und die winzigen Papierfetzchen und braunen Tabakkrümel zertrat er mit den Füßen. Dabei grinste er seine Freunde an.
„Gibt’s ne neue Story?“ „O ja, Fred, eine tolle sogar.“ Sebastian begann den Malwettbewerb zu schildern, eine Aufbesserung des Taschengeldes, falls der Prinz von Friedenschein dafür zu begeistern wäre. „Doch, Sebastian, davon bin ich überzeugt“, versicherte ihm Tom, „denn wenn Maria und Lisa zu einer guten Tat stehen, wird der Vater auch immer das Gute unterstützen. Und es ist eine redliche Sache, Sebastian, das spüre ich ziemlich intensiv. Irgend was ist mit mir passiert, das nach einer solchen Wende schreit !“
„Ja, Tom, auch ich habe es satt – so satt mit dem Schmutz unserer Clique und du Frederik brauchst ebenso einen Neubeginn !“ Doch bemerkten die Beiden schon bald, dass Fred ziemlich übernächtigt aussah. Er wurde nicht nur kratzbürstig, sondern zynisch. „Neubeginn? Seid ihr wahnsinnig geworden, habt vielleicht sogar die Mädchen von Waldrausch vernascht? Natürlich hätte ich das auch versucht, versucht, zumindest mit einer zu pennen, aber Lukas, bei dem wir in unserer Schule eine Unterrichtsstunde hatten, belehrte uns eines besseren.
Er sprach doch nur über Sport und Politik, was mehr als langweilig war. Bei den anderen Paukern, den sogenannten Intellektuellen, wurde jedes Buch so ausgelegt, so dass man das Gefühl bekam, es nie zu begreifen. Auch mit den Mädels ist es nicht anders. Die sind doch so geil, warten auf einen unbewachten Augenblick, um unter ihren Röcken zu fummeln. Wenn es nur dabei bliebe, aber sie wollen ja den richtigen Sex, den sie aus pornografischen Webseiten kennen.“ „Richtig, Fred, wir kennen ja all den Schmutz, aber hat uns das nicht letztendlich angeekelt?“ „Sebastian, „Tom Chef“, man scheint euch ja tatsächlich verhext zu haben, oder seid ihr aus dem Rennen – wegen der blöden Tucke, der Schimmelprinzessin mit Graumäuslein? Heute Nacht waren wir fast alle droben in Waldrausch, aber sie waren nicht da. Man hat sie sicherlich wieder nach Friedenschein geholt, die Wohlbehüteten? Nein, sie werden vergeblich warten, die vornehmen Herrschaften, wir verändern uns nicht.“ Zur Bestätigung spuckte Frederik seinen Frust vor dem Brunnenrand nieder. „Dann wollen wir für heute nicht mehr über die Sache mit dir reden, komm Tom....“...
„Maul halten, Sebastian, Unterbrechen ist unfair. Das wird sogar den anderen Jungs die Sprache verschlagen, auch bestimmt denen dort droben, die bestimmt auf ihren Friedenscheiner Biedermeierstühlen nicht begeistert sein werden, wenn wir dort aufkreuzen!“
„Wir sind stärker „Fred, Tom und ich“, versuchte Sebastian sehr ernsthaft zu beteuern, bleibt eben kaputte Typen, aber wie lange noch? „ Sprachlos glotzte Fred ihnen nach, als sie mutig und gelassen in einer Marktplatz Gasse verschwanden. Unter düsteren Gedanken brütete der Gedemütigte vor sich hin. Doch, wie lange noch, fragte er sich selbst................
„Sebastian, lass uns in eine Imbissbude gehen, werde ich das Gefühl nicht los, dass Frederik irgendeine Rache auszubrüten gedenkt.“ „Eine gute Idee, Tom, auch ich habe ein mulmiges Gefühl. Einen Hamburger kann ich für uns bezahlen, Vater schenkte mir zu meinem Taschengeld noch fünf Euro für meine letzte Supernote. Zeichnen liegt mir irgendwie“, ja Sebastian, darin warst du schon immer Spitze.“ „Ich wollte ihm ja heute bei der Gartenarbeit helfen, doch wird er Verständnis haben, wenn ich den freien Schultag mal für mich benötigen möchte.“ „Doch, Sebastian, auch deine Mutter fand die Idee super, sie ist wirklich eine wunderbare Frau. Das konnte ich nicht nur heute, sondern schon des öfteren feststellen.“
Flüchtig erinnerte sich Tom an das nette Gespräch mit Sebastians Mutter.
Schon hatten die beiden Jungs die Imbissstube erreicht, waren erleichtert, dass der Italiener sie ohne ihre Clique freundlicher begrüßte. Sebastian legte schon vor der Bestellung seinen fünf Euro Schein hin, wonach sie fast augenblicklich ihre zwei Hamburger bekamen – und genüsslich verzehrten. Tom konnte noch zwei Cola bezahlen und schon waren die Beiden in ihre Thematik versunken. „Wir sollten die Mädchen beschützen, Sebastian, auch ihren Garten, in dem sie sich droben in Waldrausch so abgemüht haben.“ „Klar, Tom, das sind wir ihnen schuldig, ist Frederik mit der Clique zu allem fähig.“ „Und man kann es ihnen nicht mal verübeln, sind die meisten Schlüsselkinder, wurden von den besser behüteten Mitschüler gemieden und bewiesen sich auf eine andere Art im „Cool Sein“. Selten findet man noch solche Eltern wie die deinen, Basti, sogar Pfarrer Jordan ist von den Steiners sehr angetan.“ „Doch, Tom, mögen wir auch evangelisch sein, dem greisen Priester lag schon immer die Ökumene sehr am Herzen.“ „Ja, Sebastian, solche Seelsorger benötigten wir mehr denn je.
Wäre ein Gott, der nicht alle Menschen guten Willens lieben würde, nicht ein Unglaubwürdiger?“ „Tom, glaubst du plötzlich an Gott ?“ „Ja, Sebastian, da ist irgend ein Wunder mit mir geschehen, noch kann ich aber nicht darüber reden. Doch eines weiß ich mit Sicherheit, dass ich ein Christ geworden bin!“ „Klasse, Tom, dann werden wir die ersten Kämpfer sein – und schon heute Abend beginnen!“ „Könnte ich dich gegen acht Uhr abholen, wären deine Eltern einverstanden, Sebastian?“ „Mit Sicherheit! Haben sie immer ein offenes Herz für Gerechtigkeit ! Ich werde Vater noch eine Weile im Garten helfen, Mutter so gut wie möglich den Kellerraum säubern“, „und ich meine Bude aufräumen!“ „Prima, Tom, dann radeln wir nach acht Uhr nach Waldrausch hinauf!“
In diesem Einvernehmen trennten sich die beiden Jungs, auch schon bald von den Steiners, die nach diesem Abend vertrauensvoll den zwei Freunden nachwinkten.
 Fast war es schon so finster, so dass die Beiden ihre Fahrräder gut unter einem höheren Busch verstecken konnten. Nachdem sie das Gärtchen noch in verträumter Stille vorfanden, auch niemand im Häuschen zu sein schien, konnte man um diese 9. Abendstunde noch mit unangenehmen Überraschungen rechnen. „Wir müssen uns verstecken, Sebastian, drüben im Wäldchen, ihre Zeit beginnt ja meist erst gegen Mitternacht.“ „Stimmt, Tom, suchen wir uns eine verborgene Mulde!“ In einer solchen lagen sie schon bald, als es irgendwo im Gehölz knackte. Angespannt, aber mit geschulten Ohren, versuchten sie herauszufinden, ob Frederik mit der Clique den Wald durchstreunten, als es wieder im Gehölz knackte. Doch hörte es sich nicht wie ein leichter, dumpfer Hufschlag an, der auf dem weichen Moos nur von einem Tier sein konnte ? Schräge Mondstrahlen fielen durch die Bäume, als sie eine Reiterin auf ihrem Pferd erblickten. Wer mochte sie sein, hier in dieser Einsamkeit des nächtlichen Waldes?
Welch ein wunderschönes Bild“, flüsterte Sebastian, während Tom auf die Weglichtung schaute, in der sie nun fast unbeweglich stand. „Maria“, stöhnte er fast lautlos, als er sie auf des Schimmels Pferderücken erkannte. Halblange Locken umrahmten ihr Gesichtchen, die Augen fragend auf ihn gerichtet ? Das Erkennen dauerte nur wenige Sekunden, - „Tom?“
„Ja, Maria – „doch wer ist dieser junge Mann?“
Sebastian wagte kaum zu atmen, um das liebliche Bild nicht zu verscheuchen. Erinnerte es ihn nicht an eine himmlische Reiterin? Obwohl er Maria kannte, hatte er sie so nicht in Erinnerung, ob es an den Nebelschwaden lag, die über den Waldboden aufstiegen? „Maria, das ist Sebastian, der sich mit mir von der Bande gelöst hat. Wir sind beide Christen geworden, entschiedene Kämpfer für Gerechtigkeit!“
„Guten Abend, lieber Sebastian, das spürte ich schon damals, nach dem du mit den anderen nicht mehr zu uns kamst. Doch warum seid ihr alleine hier? Wo sind die anderen?“
„Maria, unser Neubeginn scheiterte, sie versuchen Rache zu üben und wir waren besorgt, dass es schon die heutige Nacht sein könne.“ „Ihr Lieben, gebt nicht allzu früh auf“, ermutigte sie Maria, „ist die Liebe Gottes nicht so groß, so unbeschreiblich groß ?
Natürlich bangen sich auch meine Eltern um mich – und besonders Lisa – aber ich musste diesen Ritt machen, gewiss hat mich ein guter Schutzengel begleitet. Danke, wenn ihr das Häuschen bewacht, dürfen wir hier einen Malwettbewerb starten. Vater wird unser Sponsor sein, wir haben schon vieles gemeinsam durchdacht. Ebenso hat er mit unserem Bürgermeister gesprochen, der eine solche Idee begrüßte. In der nächsten Woche werden Lisa und ich wieder hier sein, um noch wunderschöne Blumenzwiebeln in verschiedene Nischen einzupflanzen. Ihr könnt nun unbesorgt nach Hause gehen, aber vielleicht am Montag Nachmittag Gemeinschaft mit uns teilen?“
„O, ja, Maria, sehr gerne werden wir euch helfen“, versicherte Sebastian erregt, wonach sogar das Pferd freudigst wieherte – und Maria mit ihm zwischen den Bäumen verschwand. Lächelnd winkte sie den Beiden nach. Alleine im Wald und so furchtlos, dachten Sebastian und Tom und ein großer Dank erfüllte ihr Herz! Beide wussten, dass Maria betend gen Friedenschein ritt.
Nach einer fast nachmitternächtlichen Wache wussten sie ebenso, dass ihre Clique nicht mehr ihre Rache auszuüben gedachte, zumindest nicht in dieser Nacht.
Dankbar und vergnügt radelten sie in ihr Tal zurück..............
 
 
1O. Teil
Endlich kam die Ferienzeit.
Es war ein wunderschöner Julitag, an dem Maria und Lisa mit allen von Friedenscheins Angehörigen im Waldrauscher Paradiesgärtchen saßen, um den großen Malwettbewerb zu starten. Natürlich waren Tom und Sebastian Ehrengäste, hatten sie keine Mühe gescheut, den Garten mit den Mädchen so zu gestalten, so dass man ihn nur andächtig bestaunen konnte. Welch ein Sonntag in dieser Idylle!
Es war 15 Uhr. Nach einer kleinen Andacht – die der greise Seelsorger Jordan hielt, spürte man zwar seinen erschöpften Zustand, aber auch die innige Liebe eines Priesterherzens. Wie sehr lag ihm das Wohlergehen seiner ihm anvertrauten „Schäfchen“ noch immer im Sinn und er dankte dem Allmächtigen für diese Spuren, die er hinterlassen durfte. Er hatte keine Angst vor dem Tod, war aber sehr dankbar, wenn Gott ihm noch die Zeit schenken würde, um auch den anderen Jugendlichen noch besser zu dienen. So wollte er im Vertrauen warten, bis die göttliche Vorsehung sie rufen, ja, zu ihm führen würde. Diese armen Straßenkinder.
In solche Gedanken eingetaucht, saß der Gütige auf einem Stuhl, hielt seinen Kopf an eine Wand gelehnt, um mit geschlossenen Augen sich in einer inneren Betrachtung zu verlieren. Er wusste, dass nicht die Kunst alleine diese jungen Menschen inspiriert hatte – in diese Gottesliebe zu finden, wie sie hier so spürbar war, sondern dass der Glaube im menschlichen Herzensgarten den Unglauben „Terrorismus“ siegreich bekämpft hatte. Nichts konnte mehr in diese Vollendung führen, als ein solcher Glaube in jubelnder Dankbarkeit und Liebe.
Doch die Zeit verging wie im Fluge .....seine Gedanken durchflogen weite Gefilde!
 Ebenso „flogen“ buntfarbige Stifte über weiße Zeichenblock Blätter, man durfte sich in einer eigenen Idee und in einer wunschgemäßen Stimmung frei malen.
Unter dem Motto „Malwettbewerb“ stand: „Malen eigener Ideen“. Diesen Text hatte Marias Vater im Gemeindeboten veröffentlichen lassen. Für jedes Bild in individueller Gestaltung wurde dann auch die Preisverleihung von der Jury festgesetzt. Auch eine Kurzbeschriftung sollte zu einer jeweiligen Zeichnung beschrieben werden. Dazu durfte man eine andere Notizblock Seite benutzen. Alle waren damit einverstanden – und das Abenteuer begann.
 Während die Zwillinge Sarah und Regina, schicke, 14. jährige Dämchen malten, besonderen Wert auf deren Garderobe legten, hatten sie gewiss schon zuvor fleißig geübt, ja, sich wahrscheinlich in gemeinsamer Absprache ausgetauscht. Malte jedes Mädchen eine lässige Teenagerin, so wie sie dem Zeitgeist entsprach. Sarah malte ein hautenges Jeans Modell, das mit bauchfreien Oberkörper nur ein knappes, zerfranstes T-Shirt trug. Einen beginnenden Flirt schien das Modell anzustreben, rabenschwarze Strähnen im rotgefärbten Haar und verlockende Augen. Reginas Girl trug ein Minni Röckchen aus irgend einer gezielten Boutique, in der eine große Barbi Puppe mit einem verlängerten Büstenhalter und auf hohen Stöckelschuhen stehend, sich den Betrachter durch das Schaufenster vorzustellen verstand. Auch diese war sehr auffallend geschminkt, nur ihr Make-Up war etwas dunkler, weil das unter den bleichgefärbten Haaren schicker wirkte.
„COOLE SEXY GIRLS“, hatten die Zwillinge ihre Zeichnung betitelt, brüllten begeistert: „fertig!“ Nein, sie mussten die Stille respektieren, weil die anderen noch mit ihren Zeichnungen beschäftigt waren. Beleidigt nutzten sie die Zeit, ihre sexy Girls mit schrägen, oder kugelrunden Augen durch schwarze Wimperntusche zu verschönern. Gelangweilt tranken sie ihren Obstsaft und aßen ein gesundes Honigplätzchen.
 Franziskus schien einen jungen Fuchs im Wald beobachtet zu haben, mit dem er ein zärtliches Zwiegespräch hielt. Schon bald verschwand dieser in sein Fuchsbau Nest, das er mit irgendwelchem Weichzeugs sich gebaut hatte. Neugierig schaute ein kleines Füchslein aus der Höhle, das in der Gesamtskizze so friedlich ausschaute.
„VOM FUCHS – AUF DEN HUNGRIGE FÜCHSLEIN WARTEN“ beschriftete er seine Zeichnung, die er noch eine Weile betrachtete. Johannes schien eine ganz andere Idee zu beflügeln. Eine Katze, rot-weiß getigert, schlich sich nicht nur durch hohes Gras, sondern bald durch ein Blumenbeet, um sich auf diesem auszuruhen. Doch lauerte sie nicht auf ein liebliches Singvöglein, das noch tollpatschig aus einem Nest entflohen war? Dennoch bemühte es sich eifriger, gen eine riesige Sonne zu fliegen. Diese schien aber viel zu heiß zu sein, weshalb es rasch wieder in sein Nestchen zurück flog. Nachdenklich lutschte der kleine Daumenlutscher sich in sein Nesthäkchen Bild hinein, unter das er mit steiler und allzu großer Handschrift schrieb: „VON NESTHÄKCHEN JOHANNES“ Ebenso nachdenklich betrachtete Maria ihre liebe Lisa, mit der sie im Kindergärtchen Friedenschein saß, aber auch in ihrer Zeichnung mit ihr in inniger Gemeinschaft. Die fast 6 jährige Lisa schaute sie mit großen, grauen Augen so fragend an? War es wegen ihrer einzigen und zerfetzten Stoffpuppe, die sie Maria zu schenken gedachte? Weshalb habe ich ein solches Bild gemalt, überlegte Maria, fand aber keine Antwort. Zwei kleine Mädchen, eine zerfetzte Stoffpuppe, nein, durchdachte sie grübelnd, malte automatisch einen großen Lichtkreis, den sie bald durch geschickte Übermalung in einen wunderschönen Regenbogen umwandelte. „GOTTES LIEBE VERMAG ALLES“ beschriftete sie ihr Bild, wonach sie hinauf in den himmlischen Baldachin schaute.
 Ebenso Lisa, nachdem sie über ihrem fertigen Bild saß. Fertig, durchsann sie ihre Zeichnung, nein, diese vielfältige Farbenpracht himmlischer Wolkengebilde – trägt immer wieder ein neues Gesicht ! Und mit ihrer feinen, Jungmädchenhandschrift beschriftete sie diese Gedankenflut unter folgenden Worten: „Was in diesem Leben zur Heiligkeit reift, ist nur durch das unergründliche Geheimnis einer Gottesliebe möglich. Öffne es Gott, großer Allmächtiger, und nicht nur für mich, sondern für: Meine liebe Maria!
Tom tat sich schwer, sehr schwer ein Bild zu malen, obwohl er sich zuvor so viele Gedanken gemacht hatte. Von irgendwelchen nächtlichen, gruseligen Szenen, von Monster, die sich als gierige Blutsauger bewiesen hatten, wiederum von Vampiren, Fledermäusen, die er in Albträumen seiner Kellerbude durchlebte.. Nein, alles schien nicht mehr seinem Gefühlsleben gerecht zu sein. Doch die alte Frau? Ja, diese musste er malen, vor der auch er – mit einem Pappschild um den Hals saß, um als Büblein um Liebe zu heischen. Sie sollte wie das Stiefmütterbüschlein ausschauen, welches er herausgerissen hatte, weil es ihr ähnelte. „Generalin, warst du wirklich meine Großmutter“, flüsterte er leise vor sich hin, „waren wir alle wirklich nur Opfer von Opfern ?“ Doch jetzt bin ich ein entschiedener Christ geworden und – in diesem Glauben darf ich Berge versetzen helfen, hier und in der anderen Welt.
Rasch malte er noch einen Berg unter dem er stand: „TOM IM NEUBEGINN“ Bevor er den Block schloss, bemerkte er nicht, dass unbewusste Tränen auf das Bild fielen ..... Sebastian zeichnete noch einige Entwürfe, die eine künstlerische Perfektion bezeugten. Dieses Talent schien ihm in die Wiege gelegt, in der er sich auch nie vor einem strengen, protestantischen Gott gefürchtet hatte. Mit eleganten Strichen malte er eine Begegnungsstätte für gestrandete Jugendliche, die in Waldrausch entstehen konnte. Automatisch dachte er an die leeren Augen von Frederik, dessen Hoffnungslosigkeit und Rachegefühle. Rasch verscheuchte er die Fratze, malte einen Engel in life mit gütig, lächelnden Augen. Natürlich wusste er, dass lebendige Engel nicht wie sein Puttchen ausschauten, das er mit dicken Grübchen Armen als Schutzengel mit gespreizten Flügel auf einen Sockel stellte, damit es erhöht über das paradiesische Gärtchen wachen sollte. Schon als Kind hatte er eine Vorliebe für Engelszeichnungen – und als Heranwachsender fand er sie im biblischen Tempel von Salomo gestattet. Einen Gott zu malen hatte er sich nie gewagt, vielleicht mal den Menschen Jesus, der in Kutte und Sandalen inmitten seiner Jüngerschar wirkte. Solche Zeichnungen hatte er noch immer in der Schublade aufbewahrt, vielleicht auch deshalb, weil die Kunstlehrer sie mit sehr guter Benotung beurteilt hatten. Rackerten sich seine gütigen Eltern nicht auch deshalb für ihn ab, um nicht nur das Eigenheim zu erbauen, sondern ein eventuelles Atelier für ihren Sohn im oberen Dachgeschoss einzuplanen ? Oder gedachten sie sich einen Wunschtraum zu erfüllen, in ihm einen angehenden Architekten zu schauen? Nein, einen solchen Beruf konnte er nicht anstreben, fehlte ihm jegliche Beziehung zur Mathematik. Rasch malte er noch eine Putte mit traurigen Augen, doch nun war wirklich kein Platz mehr auf der Seite des Blockes. Wie sollte er bloß seine Zeichnung beschriften ? Bei seinen vielen Gedankengängen fand er nur den einen:
„ENGEL IN LIFE DIENEN IM WALDRAUSCHER FRIEDENSDOMIZIL“
Idee von Sebastian Steiners!
 Und wie zur Bestätigung ertönte gerade in diesem Augenblick die friedliche Abendglocke vom Turmkapellchen Friedenschein – und alle wussten, dass nun der Malwettbewerb beendet und der große Moment gekommen war. Es war 18 Uhr. Pünktlich kam Herr Bürgermeister Freudenreich in den Garten, der bekannte Pressefotograf Sudermann, sowie Herr Sanders vom Medienzentrum Kunst und Bildung aus Ulmenstein. Alle wurden herzlich begrüßt. Prinz Ludwig wollte bewusst nicht als Mitbegutachter fungieren, hätte er – obwohl als Sponsor – eine eventuelle Bevorzugung nicht in gerechter Weise vollzogen. Nach einem erfrischenden Umtrunk machte der Fotograf ein erstes Bild von der friedlichen Oase, bald aber mehrere im Gesamtfoto von allen. Endlich schien ein Gruppenbild gelungen und endlich vertiefte man sich in die Zeichnungen eigener Ideen ..........
Inmitten des noch grauenden Abendhimmels schien sich hier, in dem kleinen Wildgarten eine solch blühende Insel zu öffnen, in der alles Ferne so nahe zu sein schien, jede Idee eine eigene Empfindung ausdrückte, ja, jede Farbe so leuchtete, so dass sie noch im Schatten eine bezaubernde Ausstrahlung zu haben schien. Selbst die gräulichen, coolen sexy Girls von den Zwillingen Sarah und Regina, schienen in ihren noch unreifen Seelen gerechtfertigt, denn hatten sie zeitgemäße Medien nicht um Profitgier Willen benutzt, um „schmutziges Saatgut“ heranzuzüchten? Franziskus hungrige Füchslein drückte eine ihm unbewusste Sehnsucht aus, die aber zunächst nur für einen Tag gestillt war. Ob er mit dem gütigen Förster darüber gesprochen hatte? Ebenso mochte Johannes in noch allzu kindlicher Betrachtung die rot-weiße getigerte Katze auf Friedenschein beobachtet haben, lag vielleicht im hohen Gras, wo ihn keiner verspotten konnte, weil er noch ein Daumenlutscher war ? Oder saß er deswegen auf einem Blumenbeet, um weniger die lieblichen Blumen beobachtete, sondern weitaus mehr ein Singvöglein, das von einem Raubtier bedroht zu werden schien. Nesthäkchen Johannes hatte Angst vor Katzen, ja, streunende Katzen waren für ihn einem Albtraum ähnlich. Marias tieferes Erkennen, das trotz jeder noch so wunderschönen, blühenden Insel, ein Menschenkind auch ein Teilchen oder Mosaiksteinchen – gleich einer zerfetzten Puppe in sich trug, die nur durch die Hand des göttlichen Gärtners zu dem heilen Seelengärtchen wurde, das ER ,durch zuvoriges Roden, Pflanzen und durch seine überirdische Lichtquelle in eine Blütenpracht zu verwandeln vermochte. Lisa bestätigte diese Seelensprache ihrer Maria, ahnte jedoch nicht, dass sie damals, nach dem Unfall ihrer Eltern, nur ihre zerfetzte Puppe aus deren Auto rettete, und sie so viele Jahre in diesem Trauma gelebt hatte, dass es der Eltern letztes Liebesgeschenk für sie gewesen sei. Als gehorsames Kind hatte sie deshalb immer diese zerfetzte Puppe bei sich, doch nun wusste sie – dass es nur ein Trauma war, welches durch ihr tiefes Gottvertrauen nun geöffnet, gelöst schien.....
Es war gut, dass Toms Monster, Gespenster nicht auf der Zeichnung, sondern im Speicherstübchen eines menschlichen Gedankengebäudes verbannt blieben. Waren bildgewordene Gedanken einer alten Frau notwendiger, weil sie um die Liebe eines kleinen Knaben warb, was er aber nicht erkannte. Und deshalb ein niedliches Stiefmütterchen Büschlein herausriss, um dieser alten Frau zu beweisen, wie arg er litt, aber auch sie das nicht erkannte. Das man auf irgendwelchen Bergen seine Tränen als zerschmelzende Eiskristalle sah, wurde ihm erst bewusst, als alle ihn forschend in seinem „Neubeginn Start“ betrachteten – und eine erneute Träne von Pfarrer Jordan auf sein Bild fiel, oder mitten in sein Herz hinein ? Über Sebastians Zeichnung war man angenehm überrascht. Hatte er inmitten dieser Oase erkannt, wie Putten, auch fliegende, immer eine unheilvolle Welt durchkreuzen können. Hatte die eine, mit den traurigen Augen – nicht eine Ähnlichkeit mit ihm, dem strotzenden Jungmann? Ob er an seine Clique gedacht haben mochte, an deren von Entbehrungen – mager und ausgelaugten Körper? Schien er sie noch immer nicht aufgegeben zu haben, obwohl man doch wusste, wie diese sich unter staken Fausthieben in Ulmenstein zu beweisen versuchten ? Vergeblich versuchte die Jury durch ein schräges Mansardenfenster eine architektonische Kunst einzuordnen, da dieses durch den Schatten eines riesigen Vogels eine Verschleierung bot. Doch spürte jeder, dass Sebastian durch Engel in life im Dienen seine Zeichnung vorrangiger fand. 
Nicht nur über die 8 Künstler, sondern über alle breitete sich der fast nachtblaue Abendhimmel aus – und man spürte, dass nicht nur die betörende Blumenduftnacht die Kunstoase Waldrausch umschlang. Weitaus tiefer wurden die Herzen der jungen Menschen berührt, die in ihrer jeweiligen Entwicklungsphase und freudiger Dankbarkeit einen gemeinsamen Malwettbewerb Check von 1OOO EURO überreicht bekamen. Prinz Ludwig von Friedenschein hatte es nicht nur mit Gemahlin Brigitta durchdacht, sondern durch Erklärung auch im Einverständnis mit der Jury.
Alle waren dankbar, sehr dankbar und beschlossen, das Geld in einer gemeinsamen Kasse so lange aufzubewahren, bis sie als Engel in life im Waldrauscher Friedensdomizil zu wirken beginnen würden...... Nach einem gemütlichen Abendschmaus und gemeinsamen Segensgebet trennte man sich nach diesem langen Tag !!!
  
Nachtrag !
Als man am übernächsten Tag nicht nur in der Zeitung, sondern auch in einer Fernsehübertragung die „Waldrauscher Engel in life im Dienen durchlas, beobachtete, schienen selbst die „Versucher“ zu resignieren.Frederik mit seiner Clique versuchte zwar noch einen Racheakt zu praktizieren, doch als sie sich in die Bilder vertieften, hielten sie ihre Hände wie dürstende Gespenster auf. „So viel Geld für ein gemaltes Bild“, stammelte er gereizt vor sich hin, aber nicht nur er, sondern hauptsächlich ihr neuer Bandenchef „Romeo“- den sie „Chef Rom“ nannten. Mit nacktem, braungebrannten und tätowierten Oberkörper, ein provozierendes Stirnband unter dem schwarzen Lockengewirr tragend, schlug er mit geballter Faust auf einen verschmutzten Tisch, während die Mädchen ihn zu umschmusen gedachten.Jedoch hörten alle plötzlich das feine Stimmchen von Maria durch den Fernsehapparat sie
ermutigen:
 
„WIR ALLE HABEN EUCH DOCH SO LIEB,
SEID DOCH BALD UNSERE EHRENGÄSTE –
ODER ENGEL IN LIFE IM DIENEN!“
 
 Noch brannten des neuen Bandenchefs Augen im düsteren Feuer, noch irrte ein mitleidig spottendes Lächeln um seinen üppigen Mund ,aber hörte er sich nicht schon bald in diesem Flüstern: „Kleine Schimmelprinzessin, da scheint was wahres dran zu sein!“ Und sie schien nicht nur ihm, „Romeo“ innig zuzuwinken, sondern allen in ihrer düsteren Bude...... „Wir alle haben euch lieb“, flüsterte es durch die Nacht, die unter aufsteigenden Nebelgebilden sich im zauberschönen Wechselspiel verlor.
Und in diesem Wechselspiel flogen, fliegen meine Gedanken ebenso noch durch unergründliche „Fluten“, aber der GROßE FISCHER sitzt mit uns allen im gemeinsamen Boot, ja, auch in seiner individuellen Liebe!
Für IHN, auch für euch habe ich dieses Buch geschrieben und verbleibe mit einem schlichten Dankeschön:
 
Eure Hannelore Leibold ...www.ge-dichte.besucht.de 36124 Eichenzell/Rönshausen – Rohingstraße 20                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                
 
        

 
 
 
 
 

Maria`s Passion  
Drittes Buch von
Maria  - dem einstigen Traumkind
 
 
Vorwort
Die Autorin möchte ihre Leser in eine märchenhafte Geschichte „entführen“, welche zwar nicht immer dem
Zeitgeist entspricht. Aber sollte man nicht gegen den „Strom“ schwimmen, wenn er sich mit dieser urgewaltigen
Liebesquelle vereint, ja, sich sogar in einem orientalischen „Liebeslied“ verliert? Und alles im Wechselspiel
einer keuschen Erotik eines „biblischen Gartens“, in schöpferischer Harmonie...
 
 
 
Maria`s Passion
 
1. Teil
 
Und wieder war es Mai. Maria, nun zwanzigjährig, saß vor ihrer Bibel - um vertieft in diese, sich gleichzeitig in
ihrem Waldrauscher Gartendomizil zu verlieren. Eigentlich ist es ein biblischer Garten geworden, überlegte sie
nachdenklich, der jeden Tag ein anderes Gesicht trägt. Nur muss man der Fantasie solche Flügel geben, wie sie
die Turteltauben zu haben scheinen. Denn vergeblich haben sie sich wohl nicht in den Nussbaum versteckt, in
dem die Knospen so verführerisch blühen. Salomo mochte sich vor Jahrtausenden in seinem Hohen Lied der
Liebe ebenso in dieser göttlichen Schau verloren haben, wie der liebende Heilige Geist ihm äußerliche, auch
innere Herzensaugen geöffnet hatte. Schade, dass Granatapfelbäume nur im fernen Orient wachsen, schrieb
Maria auf eine neue Seite in ihrem Block, auf den ein weißes, schmuckes Blütenblättchen fiel. Ja, lieber
Apfelbaum, du bist auch wunderschön, dachte sie in zärtlicher Betrachtung und schaute wie gebannt durch seine
schmucken Zweige in das Wolkenmeer kosmischer Unergründlichkeit. Eine ferne und doch so nahe „Wüste“
schien sich in wellenförmigen, sandfarbigen Gebilden, in eine wüstenähnliche Landschaft zu verwandeln, hinter
dieser die Liebe lebt. Wie eine feurige Glut, auch Flamme des Herrn, schien sie greifbar nahe zu sein.
Ein sanftes Rauschen unterbrach die Stille. Maria`s Blicke wurden automatisch auf die heranwachsenden Lilien
gelenkt, die um ein Kiesrondell eingepflanzt, sich nun in mächtiger Fülle auswuchsen. Mit welch einer Liebe
hatte sie vor drei Jahren ihre Knollen eingepflanzt, dachte sie zärtlich berührt und alles was ja im
Gedankengebäude Liebe geschieht, kann sich ja nur wieder in Liebe finden. Ob man in Gottes Wort auch
Fantasie erweitern darf, sinnierte sie nachdenklich, denn Salomos sechzig Königinnen, achtzig Nebenfrauen und
Jungfrauen ohne Zahl, vermochte er trotz seines Reichtumes wohl kaum in diese Liebe zu entführen, wie sie im
Hohen Lied las. Gedankenverloren schloss sie das Buch, legte noch ein „Grantapfelzweiglein“ hinein, welches
zwar nur ein wildes Fantasieästchen war, das sich aus einer Kompostlagerung ausgewachsen hatte. Maria
dehnte und reckte ihren jungen Körper, wonach sie sich einen Spaziergang um ihre Lilienpracht gönnte. Bald
werde ich eure Gesichter schauen dürfen, ja, schon bald. Und dann sollt ihr die Königinnen, Nebenfrauen und
Jungfrauen sein, was der einstige Gottesmann Salomo wohl gemeint haben mag. Denn tötet nicht der
Buchstabe, wenn ihn der Heilige Geist lebendig macht? Obwohl Maria ihre Bibel als Gesamtwerk des Alten und
Neuen Testamentes sehr gut kannte, wollte sie später die so wertvolle Gottesermutigung suchen und fand sie
auch im zweiten Korinther Brief des Kapitels 3.6. Zunächst aber schien der große Herr, sie nochmals als
„lebendige Bibel“  durch ihr Lichtgärtlein führen zu wollen.
Plötzlich  stand sie wie gebannt vor einem fast leblosen Dornenast stehen. Feindlich  schien er  einer 
besonderen Lilie  gesonnen. Er  drohte  sie zu ersticken. „Nein, das darfst du nicht“, sprach sie flüsternd vor sich
hin und überlegte... Könnte es nicht die besondere Lilie Sharon sein, die im biblischen Garten ihrem Geliebten
alles zu schenken bereit ist? Bist du vielleicht sogar der „raffinierte Fuchs“, der durch Aussaat schon viele kleine,
noch nicht sichtbare „Füchslein“ gezüchtet hat, um den Weinberg im Liebesgarten zu vernichten? Doch, ein
solcher Wüstling scheinst du zu sein. Ich muss und darf dich entfernen, denn wenn das Böse die Liebe erstickt...
Entschlossen eilte Maria in den kleinen Geräteschuppen, um mit einer Gartengabel den Wüstling herauszu-
buddeln. Nein, es gelang nicht, aber könnte sie nicht von dem, im rechten Eckteil, im Garten gelagerten
Bundsandsteinkies diesen überschütten? „Oh Jesus, auch das schaffe ich nicht, bitte, hilf mir!“, stöhnte sie.
Während sie sich mit ihrem Eimerchen abmühte, das Dornengestrüpp zu überfüllen, kamen zwei junge
Burschen um die Ecke gerast, um ihr mit voller Energie diese qualvolle Arbeit abzunehmen. „Dominik, Jan, euch
hat Jesus geschickt, oh, wie schön!“ Und schon in kurzer Zeit hatten sie für Maria nicht nur den Zerstörer,
sondern auch seine vermutlichen „Nachkommen“ herausge-zogen und unter einem wundersamen
Goldinselherz verbannt. Schade, dass kein Material mehr vorhanden war, denn ihr Goldinselherz, ja, so wollte sie
es nennen war doch ein ganz bezaubernder Anblick. Auch Sascha, ein Freund der Jungs war herbeigeeilt, um
das große Goldherz mit dem letzen Kies verdichten zu helfen. Morgen würde sie in Friedenschein anrufen, ihren
Vater bitten, eine Fuhre von dem Material in ihrem Waldrauscher Garten ablagern zu lassen. Gemütlich saß sie
mit ihren jungen Freunden noch einen Weile im Garten, wo sie sich einen erfrischenden Umtrunk gönnten.
„Danke, ihr lieben „Engel in Life“,“ gestand sie ihnen ganz herzlich, während ein Regenschauer einsetzte und die
Jungs, nach einem gütigen Abschied nach Ulmenstein hinabradelten. Maria winkte ihnen nach. Erschöpft und
durchnässt, gönnte sie sich eine heiße Dusche, wonach sie ihr schlichtes Abendbrot aß und so dankbar für
alles war.
Das Telefon läutete.  „Maria, geht es dir gut, Kind?“ „Oh, ja, Papa“, gestand sie ihm beglückt und erzählte ihm von
dem Tagesablauf. „Natürlich wirst du morgen deinen „Goldkies“ bekommen, Maria, aber überfordere dich nicht,
kleine Schriftstellerin.“ „Oh nein, Papa, es macht mir große Freude hier im Waldrauscher Häuschen zu wirken,
denn man sollte eine Gabe Gottes nicht unter, sondern auf den Scheffel stellen. Und es ist eine Faszination
ohnegleichen, sich im Hohen Lied der Liebe von Salomo, zu finden. Das gelingt mir hier in der Abgeschiedenheit
weitaus besser, als droben in Schloss Friedenschein. Bitte, sei mir nicht kram, lieber Papa.“ “Oh, nein, Maria,
niemand kann das besser verstehen als ich und deine liebe Mutter. Habt ihr doch, die ersten 5 Jahre in dieser
kleinen Friedensoase gelebt.“ „bis uns das Christkind zusammenführte, Papa!“ „Ja, Kleine „Große“, es war ein
Wunder göttlicher Liebe, für das wir täglich danken. Doch nun gehe schlafen, Maria, Gott behüte und segne dich.“
„Dich und euch ebenso lieber Papa, gute Nacht!“ Bevor sich Maria niederlegte, gönnte sie sich noch einen
kleinen Rundgang um ihre Lilienbete, umkoste die besondere Lilie Sharon, die sich nun in ihren Freiraum als
die schönste Blumenkönigin entfalten konnte. Verträumt schaute sie hinauf in das Firmament, bestaunte
andächtig einen wundersamen Regenbogen, der sich in selten schönen kosmischen Farben über das
Firmament spannte. Oh, Gott, welch ein Zeichen deiner Liebe, deiner Allmacht, brach es aus einer stummen
Herzenssprache hervor. Aber es wurde zu kühl um sich einer weiteren Vertiefung hinzugeben. Einen letzten
zärtlichen Blick warf Maria noch auf ihr „Goldinselherz“, war ihren „Engel in life“ so dankbar, unendlich dankbar,
bevor sie in einen gesunden Mädchenschlaf fiel. Doch in diesem hatte sie einen Traum, einen gar seltsamen
Traum.
 
 
2. Teil
 
Sie hatte ihre Liebe gefunden, ihre große und einzige wahrhafte Liebe. Während sie an seiner Brust gelehnt, ihn
nur fragend und staunend anschaute, wusste sie, dass es diese einmalige Seelenliebe doch gab. Wurde eine
kleine Zeitspanne zur Ewigkeit? Oh, Geliebter, schon immer ahnte ich, dass nur du es bist, den meine Seele so
lieben kann, in keuscher und unsagbarer Liebe. Stumm wanderte er mit ihr durch Lustgärten voller Wonne, führte
sie zärtlich durch dieses Traumland. Schien es nicht das Häuschen, das Zimmer, neben dem Apfelbaum zu
sein, in dem Maria, durch Mutter Brigitta, in diese Welt hineingeboren wurde? Ja, schien das alles ein Teil ihrer
Passion zu sein, ward` ihr kleiner Bibelgarten nicht nur zu einem schemenhaften Abglanz göttlicher Weite?
Während sie sich auf ein Lager zu legen gedachten, war er verschwunden, ihr Geliebter war verschwunden. So
irrte sie durch Gassen und Straßen, suchte ihn, doch sie fand ihn nicht. Dabei fanden sie Wächter, die sie so
wund schlugen, weil sie die Liebe nicht kannten und böse sein mussten. „Wir sind so stark wie das Totenreich“,
verhöhnten sie Maria. Doch das konnte und wollte sie nicht glauben, suchte weiter nach diesem Einmaligen, den
sie dennoch nicht fand.
In irgendeiner Art Panik erwachte sie. Sah sie tatsächlich eine Hand durchs Riegelloch ihr zuwinken? Erneut und
so zärtlich wallte ihr Innerstes ihm entgegen. Nur allmählich fand sie sich in dieser irdischen Schwerkraft, die sie
zwar hellwach, doch auch noch schlafestrunken durchdachte. Fröhlich schrie ein Kuckuck durch ihr geöffnetes
Fensterchen und schon war Maria im Seidennachthemdchen draußen. Ja, hier wollte sie heute frühstücken.
Unter dem besonderen Weidenbaum, der wie alles, in ihrem jungen Leben, eine eigene Geschichte hatte.
Während sie ihr Frühstück holte, Milch, Toast, Butter und Honig, hatte sie sich nur einen Kimono übergezogen,
nachdem sie das köstliche Mahl zu sich nahm und das im innigen Dank. Hin und wieder warf sie einen Blick auf
ihren Schmetterlingshügel, auf dem schon bald Klatschmohnen, Margaritten und viele andere Fantasieblumen
heranwachsen würden. Besonders die Senfkornpflänzchen waren schon sichtbar und Maria überlegte, mit wie
viel Liebe sie das alles ausgesät hatte. Diesen farben-frohen Blickfang würden gewiss die Bienchen nicht
überfliegen, sondern Nektar im pollen-reichen Berausch aussaugen. An diesem wunderschönen Morgen roch
fast alles schon nach Honig, aber Maria wusste, dass es aus ihrem süßen Wonnefrühstück kam. Dabei
wanderten ihre Gedanken ins Himmlische Jerusalem, in ihrem nächtlichen Traum, den sie noch nicht so
einzuordnen vermochte, wie sie es vielleicht in diesem Büchlein finden würde. Schon wollte sie sich in das Werk
vertiefen, doch eine wohlbekannte Stimme rief ihr zu: „Hallo, Maria, ich habe wieder Post für Sie!“  „Danke, lieber
Günther!“ Und nach einem kleinen Gespräch, musste sie der nette Postbote wieder verlassen. Zunächst
erfrischte sich Maria ein wenig, um sich danach gespannt nur in ihre kleine Gartenlaube zu verkriechen. Was
würden die Zwillinge wieder ihrer Schwester anvertraut haben, dachte sie gerührt, und öffnete vorsichtig das
Couvert von Regina und Sarah.
 
Hallo,  liebe Maria,
wie geht es dir in deiner Einöde? Bestimmt hast du genug Ideen um solch frommes Zeugs zu schreiben. Na,
jedem das Seine. Unser Ziel führt in eine völlig andere Richtung, wie du ja weißt. Bloß das dämliche Internat, in
dem wir uns sinnloses Zeug einpauken lassen müssen, nein, das kann man nur durch gelegentliche Feten
durchstehen. Eine solche hatten wir letzte Nacht. Oh, Maria, du hättest uns kaum wieder erkannt. Nun, wir sind ja
schon 17 Jahre und mit Make-up könnte man uns für 20 halten. Mit einem Korrekturstift eliminierten Regina und
ich die schrecklichen Lachfältchen um die Augen, Erbmasse von unseren Großeltern, die von Vaters Seite, wie
wir sie von Bildern kennen. Mit einem feinen Pinsel haben wir die Augenbrauen bemalt, trugen leichten,
lichtblauen Lidschatten auf, wonach wir alles mit flüssigen Eyeliner umrahmten. Danach bestäubten wir die
Wangen mit einer goldenen Erdfarbe und trugen einen knallroten Lippenstift auf. Natürlich zogen wir noch
gezielte Konturen mit einem Lippenpinseln um den Mund herum. Danach kam die Duftpomade. So sahen
unsere Lippen sinnlicher und fülliger aus. Eine Perfektion liebe Maria, die wir  in einem Kosmetiksalon erlernten.
Nur ein Experte hätte erkannt, dass ohne das Zeugs unsere Gesichter noch viel zu kindlich ausschauen. Am
frühen Morgen erkennen wir das schon vor dem Spiegel aber im Internat darf man ja  nur ungeschminkt
erscheinen. Hätte unser Familienrat, vor drei Jahren nur eine andere Entscheidung getroffen. Aber wir mussten
uns beugen, weil wir noch unmündig waren. Noch ein Jahr, Maria, müssen wir durchhalten, aber dann werden wir
Modells oder Filmschau-spielerinnen. Schade, dass du uns bei dem verhassten Latein  nicht mehr helfen kannst.
Aber eine große Bitte könntest du uns erfüllen helfen. Bereite bitte schonend die Eltern vor, wie wir uns unseren
künftigen Werdegang vorstellen! Und eventuell ein wenig Taschengelderhöhung. In Discotheken ist alles
ziemlich teuer und unsere Kosmetik fordert ihren Preis. In diesem abgelegenen Nest, Schottlands, in dem es
noch meist trist und kühl ist, nein, Maria, kein Leben....  Doch hättest du die staunenden Augen von den Jungen
gesehen, wir waren die absolute Spitze in dieser Nacht. Das erzähle aber nicht den Eltern, denn vermutlich
würden sie der Direktorin einen Brief schreiben, oder gar hier noch aufkreuzen. So, Maria, nun werden wir uns ein
Sonnenbad gönnen, denn es ist ein heißer Sonntag und wir sind schon super braun gebrannt. Schick und sexy
sieht das aus. Oh, die Jungs werden bei der nächsten Fete Stielaugen machen. Aber wir lassen sie nicht an uns
heran, nein, das haben wir beschlossen.
 
Deine Regina und Sarah
 
Nachdenklich schloss Maria die Augen, vertiefte sich in ihre lieben Geschwister, die eigentlich schon immer
glückliche Kinder dieser Welt waren. Gott sei Dank, dass sie zumindest ihre Körper noch rein hielten. Denn mit
17 war das im argen Zeitgeist fast ein Wunder. Still betete Maria für die Zwillinge um Bewahrung, doch wie
konnte sie das alles ihren lieben Eltern übermitteln? Nun, am Wochenende würde sie nach Friedenschein
fahren. Doch nun musste sie die Zeit nutzten um an ihrem Manuskript zu arbeiten. Wie leicht verliert man den
Faden, wenn man abgelenkt wird. Aber einen Rundgang um ihr Goldinselherz wollte sie sich noch gönnen. Wie
wundersam leuchtete es und tatsächlich war eine kleine Neulagerung von dem Bundsandsteinkies angefahren
worden. Guter Papa dachte sie gerührt, das Material würde sie noch neben der kleinen Wüste, die sie aus
Sägemehl gebaut hatte, benötigen. Da nur lästiges Unkraut in diesem Garteneck wuchs, sahen die
wellenförmigen Hügel in ihrer Symbolik einer orientalischen Wüste ähnlich. Und die vielen Farne, die sich
reichlich ausgewachsen hatten, erinnerten an erfrischende Palmgärtchen in grenzenloser Fantasie. Doch nun
verkroch sie sich endgültig in ihre Schreibecke, suchte im Nachschlagwerk, wie andere Dichter das  Himmlische
Jerusalem sahen. Es würde kein geistiger Diebstahl sein, wenn sie solche Gedanken herausnahm, die sich mit
den Eigenen im Einklang treffen würden, überlegte sie nachdenklich und vielen Menschen helfen könnten.
 
 
3. Teil
 
Ja, hier würde sie ihren Faden wieder aufnehmen, dachte sie beglückt. Denn wenn dieser schlichte
Bundsandsteinkies im herzförmigen Anblick, schon wie eine kleine Goldinsel ausschaut, ja, in dieser
grobstofflichen Welt menschliches Denken, Wünschen und Begehren zum Ausdruck bringt, kann es doch im
Jenseits nur dieser wunderbare Schöpfergott sein, der in einer geistigen und strahlenden Lichtfülle lebt und
alles unter seiner Kontrolle hat. So ist es für Maria erklärlich, dass selbst die hellleuchtende Sonne im
Himmlischen Jerusalem völlig bedeutungslos wird. In Offenbarung 21.16, brütete sie sich regelrecht in Länge,
Breite und Höhe hinein, fand eine Stadt in Form eines Würfels, oder einer Pyramide, gab aber bald auf, sich in
eine solche Wissenschaft zu vertiefen, die für sie zu gewaltig war. Wie könnten schlichte Menschen sich solche
Maße vorstellen? Eine Stadie hat 185 Meter, 12.000 Stadien wären demnach fast unmessbar, oder in 2220 km
begreiflich? Wie denkt man sich in eine Stadt, die 2220 Kilometer hoch ist? Im gewissen Sinne könnte man an
einen Wolkenkratzer, wie in Großstädten Amerikas denken, die zuweilen eine Höhe bis zu 70 Stockwerken
besitzen. Durch elektrische Aufzüge kann man zwar in diese Höhe  kommen, doch entbehrte Maria jegliche Logik
auf diesem Gebiet. Wenn aber solche Fortschritte schon für und von Menschen geschaffen möglich sind, sollte
es da Gott unmöglich sein, geistige Gebäude und Wohnstätten in der angegebenen Höhe zu errichten? Nein, für
Ihn ist nichts unmöglich. Und die wunderbaren Stätten,  oben in den Himmeln, können nur ein Segensort der
Liebe, des Friedens sein, der unser noch wartet und den Jesus für uns erworben hat. Und für diesen werden wir
hiernieden noch zubereitet werden. Verträumt schaute die junge Schriftstellerin hinauf in den wundersamen
Baldachin, der sich in „Wolkenbrücken“, „Schlössern“, ja, in allen möglichen Traumgebilden zeigte. Oh, ihr
Seligen, ihr Heiligen dort oben, werdet gewiss nicht mehr an das Gesetz der Schwere, an den Raum gebunden
sein, werdet euch auch mit der Geschwindigkeit aller Gedanken, von oben nach unten oder von unten nach oben
bewegen dürfen, so dass ihr weder Zeit und Raum benötigt um euch fortzubewegen. Zeit und Raum nach
unseren irdischen Begriffen, existieren nicht mehr für euch, ihr Lieben. Und auch die Stätte, in der ihr die „Braut
des Lammes“ genannt werdet, (Offenb. 21.9) kann kein Symbol sein. 
 
Nachdenklich musste sie an ihren kleinen Bruder Johannes denken, der vor zwei Jahren an einer tödlichen
Viruserkrankung verstorben war. An den unsagbaren Schmerz ihrer Eltern, ja für alle, von denen von
Friedenscheins, in dieser Zeit sie die eigentliche Trösterin war. Natürlich hatte auch sie einen tiefen
Seelenschmerz zu durchleiden, aber sie wusste, dass ihr Nesthäkchen in einem großen Liebesland geborgen
war.
Es würde zwar nun stofflich körperlos - aber in einem strahlenden Geistkörperchen leben. Er war immer wieder
nur für die Liebe geöffnet, hatte weder Gemeines, oder Greuel, begangen und  würde nun zu einer ihm
zugedachten Gruppe heranreifen, ja, vielleicht dem großen König lauschen? Nur für uns Irdische spielt das Alter
eine Rolle, doch niemals für den allmächtigen Schöpfergott, der um Vollendung einer reifen Seele weiß. Auch
einer „Kleinen“, wie von Johannes und unzähligen anderen in ihrer individuellen Entwicklung. Automatisch
schaute Maria hinauf gen` Himmel. Zärtlich winkte sie ihrem Nesthäkchen einen innigen Liebesgruß zu. Bald
wieder in ihr Manuskript vertieft, las Maria von dem Material, welches in himmlischen Gefilden zum Bau
verwendet wird. In (Offenb. Kapitel 21.18) wird die heilige Stadt, als von reinem Gold und wie durchsichtiges Glas
beschrieben. Hier ist durch den chemischen Prozess, die stoffliche Grundlage der Welt nicht nur in dem feinsten
irdischen Stoff, in metallisches Gold verwandelt, sondern durch diesen alchemistischen Vorgang weiter gefördert
und die völlig reine Essenz der Stoffe, in ätherisches, durchsichtiges Gold vom Schöpfer zustande gebracht
worden. Es fällt sofort auf, dass die Straßen von reinem Gold sind und es dürfte selbstverständlich sein, dass
irdische Straßen von festem, widerstandfähigen und dabei geringwertigen Material gebaut werden. Doch in der
oberen Welt gilt die Umwertung der Werte. Wie viele törichte Menschen prahlen, dass sie „steinreich“ seien, aber
nicht sind. Oder gar „brilliantenreich“, aber so viele Brillianten gibt es wirklich nicht, zwar unendlich viele Steine,
die eben auch billig sind. Das Pflaster des neuen Jerusalems besteht aber aus Gold. Man sieht aus der
Tatsache, dass das, was hier unendlich viel Wert zu haben scheint, und wonach die Meisten sich sehnen und
trachten, in himmlischen Räumen mit Füßen getreten wird. Die Verhältnisse sind dort umgekehrt als bei uns.
Hier bildet das Geld den Schatz des Menschen und seinen Schmuck, dort ist es das Straßenpflaster.
Nachdenklich betrachtete sie ihr Goldinselherz während sie an manche Gäste dachte, die ab und zu eine Rast
bei ihr gemacht hatten und sie als reiche „Friedenschein-Prinzessin“ bewundert hatten. Wenn sie ihnen das
widerlegt hatte, mochte man sie für psychisch gestört gehalten haben. Lächelnd erinnerte sich Maria, dass sie
vor wenigen Wochen einer Wandergruppe erzählt hatte, dass der Heilige Geist alles was hier Wert und
Bedeutung hat, in der himmlischen Welt für nichts achtet, wenn es aus Habgier oder Gewinnsucht missbraucht
wird. „Was vor Menschen Hoch ist, ist vor Gott ein Greuel“, versuchte sie mit ihrem noch immer feinen
Stimmchen, diese Menschen zu überzeugen. Und Evangelist Lukas, (Kapitel 16.15) wurde lebendig.... doch nicht
für ihre Gäste. Nur ein junger Priester, er mochte ein evangelischer Pastor gewesen sein, lauschte ihr gespannt,
hätte gerne einen Dialog mit ihr fortgesetzt. Doch seine Wandergruppe eilte schon hinab zum wartenden Bus.
“Vielleicht, werde ich Sie mal wieder besuchen“, verabschiedete er sich dankbar. Und Maria war überzeugt, das
diese Stunde irgendwann einmal kommen würde. Ja, irgendwann einmal. Denn gehörte das nicht alles zu ihrer
Passion?
 
„Maria, hast du wieder Arbeit für uns? Können wir dir helfen?“
Noch völlig benommen, sah sie drei ihrer Freunde um die Ecke radeln und schloss ihren Notizblock. „Das ist lieb
von euch, aber heute habe ich intensiv an meiner Schriftstellerei gearbeitet und unser Gärtchen auf seine Art und
Weise bearbeitet.“ „Wie meinst du das, Maria?“ „Nun,  ohne jegliches Eingreifen. „Schaut die Farne an, wie sie
gewachsen sind, ja, sich sogar noch vermehrt haben!“ „Sollen wir sie herausziehen, Maria?“ „Oh, nein, bitte nicht,
es sind doch die Palmen aus dem Hohen Lied der Liebe Salomos und Vegetation ist auch in einer Wüste ganz
wichtig. Weil Menschen sowie auch Lebewesen, Kamele und andere Tiere, Schatten brauchen. Ja, liebe
Freunde, auch das ist von Nöten. Aber ihr könntet mir einen großen Gefallen tun.“ „Natürlich, welchen?“ „Es ist
doch heute Freitag und ihr braucht morgen nicht in die Schule oder Lehre zu gehen. So könntet ihr ein wenig auf
unser Domizil achten. Weil auch kleine „Füchse“ diesen Weinberg zerstören könnten. Auch das wusste Salomo
und es ist bindend, damals so wie heute. Und da mich mein Vater für das Wochenende nach Friedenschein
holen möchte, wäre ich sehr dankbar, euch als Wächter zu haben.“ „Aber natürlich, Maria, wir und die anderen
werden gut aufpassen. Haben wir uns doch völlig verändert, wie du uns so oft gesagt hast.“ „Ja, das stimmt, ihr
seid wirklich Engel in life geworden, seit damals.“ „Und im Dienen“, bestätigten sie ernsthaft. Gemeinsam
tranken sie noch einen Saft, als ein Fahrer von Friedenschein vor das Häuschen fuhr, um Maria abzuholen.
„Tschüss, Maria, wir werden alles bewachen und freuen uns auf Montag, wenn du wieder hier bist.“ „Danke, und
grüßt all eure Freunde, ganz herzlich!“ Mit ihrer Schreibtasche im Pkw, winkte sie Ihnen noch durchs geöffnete
Fenster nach.
 
 
4. Teil
 
Nicht nur ihre Eltern, Prinz Ludwig und Brigitta, sondern auch Bruder Franziskus begrüßten Maria freudig und
umarmten sich zärtlich. „Als ob ich von einer Weltreise zurückgekommen wäre“, neckte sie ihre Lieben, während
das Schloss Friedenschein unter dem Sonnenuntergang in einem eigenartigen Zauber lag, und irgendwie im
Gedankengebäude schöpferischer Liebe. „Bist du müde Maria?“, fragte die Mutter  besorgt, „möchtest du dich für
eine Weile in deinem Zimmer ausruhen?“ „Ja, Mama, eine innere Einkehr würde mir gut tun und gegen 19.00
Uhr, könnten wir uns  zum gemeinsamen Abendbrot gewiss noch einen gemütlichen Plausch gönnen.“ Während
Maria nun hinauf in ihr Erkerzimmerchen schritt, in dem wie immer ein frischer Blumenstrauß sowie Saft und
gesundes Obst auf ihrem Tischchen stand, zog sie zunächst den wundersamem Duft des Flieders ein, der in
diesem Maienmonat noch bezaubernder zu riechen schien. Dankbar und liebevoll überschaute sie ihr kleines
Reich, gönnte sich aber zunächst ein erfrischendes Bad um sich danach für eine Weile, auf ihr Lager zu legen.
So viele Gedanken vermochte sie kaum einzuordnen. wie diese durch ihr Köpfchen wirbelten. Aber letztendlich
beschloss sie, an diesem Abend nur oberflächliche Gespräche mit Eltern und Bruder zu führen. Keine Sorge
sollte ihren nächtlichen Schlaf rauben und am morgigen Samstag würde man über das Wesentliche reden
können. Sie musste es wegen Regina und Sarah tun.
Nach einem leichten Schlummer weckte sie das Friedensglöcklein auf und hellwach sprang Maria in ihren
buntseidenen Hausanzug hinein, eilte hinab in den kleinen Salon, in dem nur die Familie sich zum
gemeinsamen Mahl traf. Nach einem Dankgebet, fast immer vollzog es Prinz Ludwig, nahm nun jeder von den
vitaminreichen Salaten, Käsehäppchen und einer Vollkornsemmel. Mit guter Butter bestrichen, waren besonders
die selbstgebackenen Semmel ein himmlisches Mahl, für das man allgemein dankte. „Der Holunderblütensaft
schmeckt ja in diesem Jahr besonders köstlich“, lobte Maria diese Gabe Gottes, die natürlich, wie immer, Mutter
Brigitta selbst gebraut hatte. „Ich habe schon einige Flaschen für dich in einen Korb gestellt, Kind. Denn Geist,
Seele und Körper benötigen gezielte Ernährung.“ „Ja, danke Mama und je schlichter, desto mehr, ist es für mich
bekömmlicher.
 
„Wie weit bist du denn mit deinem Manuskript gekommen?“, unterbrach gespannt Franziskus. „Nun, ich glaube,
 dass ich besonders von dir noch einige Ratschläge benötige.“ „Aber morgen ist auch noch ein Tag, Kinder,
gönnt euch noch einen Abendspaziergang“, schlug Prinz Ludwig vor, was alle nach dem Abendmahl dankbar
begrüßten. 
„Gute Nacht, liebe Eltern!“ riefen die Geschwister fast gleichzeitig, wonach Maria sich noch rasch einen warmen
Baumwollpulli holte, um mit dem Bruder durch die kühle Nacht zu wandern.
Franziskus, nun fast 19-jährig, überragte Maria über einen Kopf und sie musste unter dem nächtlichen Himmel
schon zu ihm aufschauen, ob seine Mimik ernsthaft oder mehr schmunzelnder Art war. Nein, sie bewegten sich
auf eine Variante dieser Ewigkeit zu, denen sie kaum einen Widerstand zu leisten vermochten. Oder nur unter
kärglichen Versuchen?
 
„Wenn ich mich auch der christlichen Wissenschaft zuwende, Maria, so glaube ich, dass das „Jetzt“ entsteht, im
Heute die Zeit verschwindet, die nie ohne Schattenseiten sein kann. Auch im Paradies nicht. „Aber Franziskus, im
Paradies gibt es doch keinen Zeitbegriff. Das las ich doch in einem sehr wertvollen Buch, parallel zur Heiligen
Schrift. Da öffnete sich sogar für mich die Offenbarung, zwar in einer mir noch unverständlichen Tiefe, aber doch
in Stückwerkerkenntnis. Nur mit dem Hohen Lied Salomos hatte ich noch Schwierigkeiten. Denn wenn Liebende
von Wächtern überwältig werden, vermögen sie kaum die Zeit zu nutzen, die einer flammenden Liebe gleich
wäre!
 
 „Diese Wächter scheinen mir mehr auf die Symbolik des Todes hinzuweisen, Maria, oft denke ich, das solche
Erkenntnisse unseren Horizont überschreiten. Dein derzeitiges Leben besteht ja meist aus drei verschiedenen
Tätigkeiten. Die Liebe zur Schriftstellerei, zu deinem biblischen Wüstengarten und für deine jungen Freunde.“ „Ja,
sie passen auf zerstörerische Füchse auf, weil sie auch Salomos Garten verwüsteten.“ „Vorsicht,
Schwesterchen, das kann auch eine andere Deutung haben.“ „Welcher Art Franziskus?“ Dieser sinnierte vor sich
hin, während sein dichter Blondhaarschopf unter dem zunehmenden Mond eine eigenartige Glanzfülle hatte. Wie
Mama Gittli, überlegte Maria gerührt, als er endlich zu reden begann.
„Maria, vor wenigen Tagen las ich in einer wissenschaftlichen Zeitschrift, wie zum Bespiel die Heuschrecken,
nicht nur seit Menschengedenken miserable Insekten sind, sondern noch in unserem heutigen Zeitgeist, für
manche Hungersnöte sorgen. In Afrika soll ihr Fressverhalten so gierig sein, ja, für Hungersnot sorgen und
unzählige Menschenleben vernichten. Das ist irdische Tatsache. Auch in der Bibel wird das Insekt an vielen
Stellen erwähnt. „In der Bibel, Franziskus?“ „Ja; und als achte Ägyptische Plage sprach der Herr zu Mose:
„Strecke deine Hand über Ägyptenland, dass Heuschrecken auf Ägyptenland kommen und alles auffressen, was
im Lande wächst. Ja, alles, was der Hagel übrig gelassen hat. Das kannst du in 2. Mose 10, Vers 12 nachlesen.“
 
 
„Und es geschah so Franziskus?“ „Ja, Maria, auch in unseren Breitengraden gab es solche „Gerichte“.“ „Aber
Gott ist doch Liebe, Bruder. Wie könnte er wollen, dass Menschen so leiden müssen?“ „Maria, darüber habe ich
sehr intensiv gegrübelt. Schon fast den Heiligen Geist bestürmt, mir Weisheit zu schenken. Kam aber nur zu dem
einen Ergebnis, dass unverantwortliche Finanzinvestoren mit Heuschreckenschwärmen vergleichbar sind. Und
nicht nur diese, auch andere irdische Machthaber, fallen in einer  entsetzlichen Art und Weise über gutgläubige
Menschen her. Berauben sie um ihr Eigentum, für das sie sich fast durch ihr ganzes, meist kärgliches Leben,
gemüht, ja abgeschuftet haben.“ Auf allen Ebenen kann man das unsoziale Geschehen beobachten, Maria.“ „Ja,
Franziskus, wenn man es von dieser Seite betrachtet, könnten sogar Salomos Füchse solche Hintergründler
sein.“ Doch Maria, hört man nicht oft genug, Vorsicht vor gerissenen Füchsen walten zu lassen?“ „Damit meint
man nicht ein Füchslein, das eine Gans stielt, wie wir es aus Kinderreimen kennen, sondern jene Aasgeier in
Menschengestalt. Und die sitzen fast überall und lauern.“ „Aber Bruder, haben die denn kein Gewissen, das sie
anklagt?“ „Scheinbar nicht Maria, oder es muss noch geweckt werden.“ „Aber durch wen, Franziskus?“ „Der
ewige Gott hat allen Menschen einen freien Willen gegeben und wartet, wartet in Liebe, Geduld und
Barmherzigkeit. Aber hier sind wir an die Grenze unseres Vorstellungsvermögens gekommen, Schwesterchen.
Denn was kein Auge gesehen, und kein Ohr gehört hat und in keines Menschenherz gekommen ist, das hat Gott
denen bereitet, die ihn lieben. So steht es im 1. Korintherbrief (2.9.10).“ „Deswegen dürfen wir nicht schweigen,
wurden wir durch Gottes Gnade nicht schon so reichlich gesegnet?“ „Ja, Maria, aber alles was wir hier sehen,
erleben, findet sich auch in der jenseitigen Welt wieder, nur mit dem Unterschied, das dort Recht und
Gerechtigkeit herrscht.  Ursache und Wirkung zwischen Hüben und Drüben. Nun wollen wir uns aber ins warme
Bett verkriechen, denn die Nacht ist kühl, fast eisig für einen weiteren Dialog. „Danke für das gute Gespräch,
Brüderlein, schlafe gut!“ „Du auch, Maria, gute Nacht!“ Eine Weile stand sie noch gebannt vor ihrem Lindenbaum,
sah durch eine Öffnung der Baumwipfel in den Himmel und die Sterne und dachte, dass dennoch die
Weltenordnung ein andauernder Liebesakt zwischen Himmel und Erde ist.
Unter solchen Gedanken legte sie sich endlich in ihr Bett und übergab dem Allmächtigen Schöpfergott ein
Dankgebet aus innigem Herzen...
 
 
5. Teil
 
„Bitte, liebe Eltern, ich möchte euch eigentlich ersparen, Sarah`s und Regina`s Wünsche zu übermitteln. Jedoch
darf ich es nicht.“ Maria senkte den Kopf. „Was haben die Zwillinge wieder ausgeheckt, Maria“, fragte Prinz
Ludwig gespannt und legte beruhigend seine Hände auf Brigitta, welche nervös ein Blumenästchen zerrieb.
„Mama, so schlimm ist alles gar nicht. Waren sie einst doch auch in dir, durch eine warme Nabelschnur
miteinander verbunden. Schau, wie wunderbar die Natur in ihrer Vielfalt sich ineinander schmiegt und doch ist
jeder Strauch, jedes Blatt, jede Blume einmalig. Und auch wir Menschen, liebe Mama, sind eine einzige oder
einmalige Liebesidee Gottes. Aber das weißt du ja, Mama und selbst eineiige Zwillinge können
grundverschiedener Natur sein.“ „Bloß unsere Mädchen, scheinen trotz Grundverschiedenheit ziemlich Eins zu
sein, besonders, wenn es um ihren Egoismus geht“, bestätigte der Vater. „Ja, Papa, aber sie sind noch jung, wie
oft konnte ich beobachten, wie 17-jährige Mädchen, üblere Neigungen ausleben und mancher Verantwortliche
einer Wandergruppe vermochte kaum noch eine Übersicht zu behalten.“  Eine leichte Röte überzog Marias
Wangen, wenn sie an manche Szene dachte. „Sarah und Regina fühlen sich in dem strengen und abgelegenen
Internat nicht wohl, was man ihnen nicht einmal verübeln kann und darf. Konnten sie doch hier in einer Art
goldenen Freiheit heranwachsen, sich auf ihren Pferden frei reiten, worauf sie dort verzichten müssen. Schade,
dass mein Schimmelchen gestorben ist, wie arg vermisse ich es. Warum nur musste es in einen rostigen Nagel
treten und diese Blutvergiftung es töten?“ „Oh, Kind, auch wir fragen uns oft, sehr oft warum, oder wozu müssen
so manche unbegreifliche Dinge geschehen. Aber im Gottvertrauen wissen wir, dass er über all dem „Argen“
noch immer seine Hände über das Böse hält!“ Und wie zur Bestätigung  flog eine kleine Taube auf das
Gartentischlein, schaute das Trio irgendwie forschend an, um in irgendwelche Baumwipfel zu fliegen. „Sie
scheint gerade flügge geworden zu sein,“ flüsterte Maria, dachte an Regina und Sarah und nahm den Faden
wieder auf. „Schaut liebe Eltern, die Mädchen fühlen sich in diesem abgelegenen Teil Schottlands nicht wohl.
Gönnen sich deshalb an Wochenenden eine Fete um ihren Frust zu überwinden. Und da sie ja schon früher
schicke „Sexygirls“ bewunderten, kaufen sie sich Makeup um reizvoller auszuschauen. Im wesentlichen
übertünchen sie damit ihre innere Einsamkeit, aber auch um unreifen Jungs zu imponieren. Mehr aber nicht, wie
sie mir schrieben. Ihre Körper wollen sie rein bewahren. Das nehme ich ihnen auch ab, denn sonst würden sie
nicht eine Taschengeld-erhöhung benötigen. Ebenso ihre Begabung zur Schauspielerei kann man ihnen nicht
absprechen. Und wenn sie diese Gabe zum Guten nutzen, könnten sie sehr viele Menschen zum Umdenken
bringen. Natürlich müssten sie erst eine Schauspielschule besuchen, obwohl ich sie für Naturtalente halte. Und
ich habe mir schon überlegt, ob man sie nicht frühzeitiger das Internat verlassen lässt, um sie an einer
ordentlichen Schule anzumelden.“ „Nein, Maria, so gut du das alles meinst, können wir es nicht dulden, das so
etwas geschieht. Haben wir sie doch auch wegen ihren schwachen Lungen in dieses Reizklima gesandt, in der
besonders die salzhaltige Luft zur Stabilisierung dienen soll. Das hatte uns doch der Lungenfacharzt nahe
gelegt. Doch nicht in verrauchten Disconächten.“ Im erregten Dialog, versuchten Maria`s Eltern ihrer Tochter den
Ernst der Situation so nahe zu legen, so dass sie zunächst kapitulierte. „Das Taschengeld für die Mädchen
könnten wir etwas erhöhen, denn von Jungen ausgehalten zu werden wäre entsetzlich.“ „Oh, danke, Vater, das
würde ihnen erheblich helfen.“ „Und nach einer ordentlichen Schauspielschule werden wir uns kundig machen,
versicherte Brigitta. Es könnte ja sogar eine großartige Karriere werden.“ „Wunderbar Mama, was seid ihr doch
für gütige Eltern. Wollen wir doch bitte unseren Gottesdienst heute Abend im Kapellchen halten und den Heiligen
Geist bitten, dass er immer wieder alle unsere Probleme so lenken mag, so dass sie zu Spuren der Jesuliebe
werden. Und bitte liebe Eltern, lasst mich noch am heutigen Abend nach Waldrausch hinabfahren. Denn da habe
ich scheinbar einiges missverstanden und muss es den Jungs erklären. Franziskus gab mir neue
Denkanstöße. Er sollte sich mehr in die politische Wissenschaft vertiefen.“ „Ja, Maria, das haben wir auch schon
beobachtet, doch soll er später unser Gut übernehmen.“ „Natürlich, aber das eine schließt ja das andere nicht
aus. Und er  wird sicherlich der gerechte Verwalter Gottes, für viele, so viele Menschen.“  „Ja Kind, das ist
entscheidend, besonders in diesem Zeitgeist erheblichen Unrechtes. So wollen wir dich gegen 20.00 Uhr in dein
Bibeldomizil fahren lassen. Denn nicht nur Korrektur deiner Jugendlichen, sondern auch den Brief an unsere
Zwillinge wirst du noch durcharbeiten, wie wir dich kennen. Wir werden ihr Taschengeld um 20 Euro erhöhen
und abwarten, wann das nächste fällig ist. Ob sie uns einen gelegentlichen Kartengruß wieder senden werden?“
„Geduld, liebe Eltern und nochmals danke für  alles, was ihr für uns getan habt.“  
 
Später... In ihrem Waldrauscher Häuschen saß Maria fast bis Mitternacht um den Zwillingen einen langen und
ausführlichen Brief zu schreiben. Dieser war durchflutet von einer solch zwischenmenschlichen Liebe, die nicht
ohne Spuren bleiben konnte. Ob sie diese Art meiner Passion unberührt lassen kann, überlegte sie noch einen
ganze Weile in ihrem Bett, in dem sie bis zum Sonntagmorgen durchschlief.
 
 
6. Teil
 
Welch ein wunderschöner Sonntag! Fasziniert bestaunte Maria den Sonnenaufgang, in den sie sich betend
hineindachte. Schon eine ganze Weile. Dabei durchströmte sie eine solche Wärme, wie sie eigentlich nur aus
der göttlichen Liebesquelle kommen konnte. „Jesus, nur du kannst eine solche Liebe verschenken“, flüsterte sie
in inniger Gewissheit, „nur du kannst  wunde Seelen streicheln, ob weiblichen oder männlichen Geschlechtes.
Doch so viele kennen dich nicht, so viele!“ Gedankenversunken schritt sie zu ihrem kleinen Wüsten-garten und
genau in diesem Moment schien eine Schattenwolke ihn von der Sicht aus zu blenden, wie von vielen erträumt.
Und nicht nur in Alttestamentarischer Harmonie einer ewigen Sehnsuchtsmelodie. Doch schon kam wieder das
Licht, nicht langsam sondern plötzlich und sehr intensiv. Wie durch einen Dunstschleier schienen sich nächtliche
Tautropfen aufzulösen, eigenartige Düfte begannen sich zu steigern, wonach der Pulsschlag des Gartens sich
zur Höchstfrequenz erhob. Aber alles Lebendige braucht eine Pause, die gegen Mittag einzusetzen schien. Sogar
die Strahlen der Lilie Sharon, schien ihre rostrote Zunge in den Weidebaumwipfeln spiegeln zu lassen, was
einen großen, bunten Vogel veranlasst haben mochte, sich in einem breiteren Baumgezweig niederzusetzen.
 
 „Bist du ein Paradiesvogel?“, fragte ihn Maria gespannt, aber nichts, keine Regung erfolgte. Auch er schien
diese heilige Stille zu respektieren, glaubte Maria zu ahnen und bestaunte andächtig sein feuriges Gefieder.
Paradiesvögel muss der liebe Gott in einer besonderen launigen Stunde geschaffen haben, schrieb sie auf ihr
neues Blatt, wahrscheinlich in einer solchen, als er in großer Geduld über seine Schöpfung schaute, sie
durchdachte. Aber lief diese Stunde nicht einer Beschleunigung entgegen? Schien das Himmlische Jerusalem
sich nicht tiefer und tiefer hernieder zu beugen? In diese Schau versunken, flog ein Königsadler  an ihr vorbei,
immer etwas höher, als wolle er sich eine Kostprobe „Glut“ aus der Sonne holen, dann wieder niedriger, bis er
im eleganten Flug verschwand. Vielleicht war er ihr damaliger, kindlicher Greifvogel, den sie in ihren Fantasien
zwar nicht kannte, aber liebte. Franziskus hatte ihr später von dem Königsadler erzählt, was sie ihm anhand von
Bildern und Textbeschreibungen glauben musste. Doch mit den Füchsen, ob er sich da nicht geirrt haben
mochte, obwohl alles so glaubwürdig erschien. Maria trank von dem köstlichen Holunderblütensaft ihrer Mutter,
der heute nur als Mittagessen diente, denn hungrig war sie nicht. Dafür schien eine kleine Waldmaus gefräßiger
zu sein. Sprang sie rasch in das Goldkiesbeet hinein und suchte vielleicht ein Körnlein, bloß  welches? Belustig
winkte sie dem Mäuslein nach. Durch all diese Eindrücke, die zu Maria`s Passion gehörten, setzte sie sich
wieder in eine andere Ecke, um sich im Hohen Liebeslied Salomos zu verinnerlichen. Welche Stelle hatte sie mit
einem feinen, rosafarbenen Stift unterstrichen? Ja, das sechste Kapitel hatte sie auch mit einem Fragezeichen
abge-rundet. Wo war er, ihr Geliebter, wohin hatte er sich gewandt? Ging er in seinem Garten tatsächlich zu den
Balsambeeten, oder zu seinen Lilien in prachtvoller Fülle? Wer weiß, ob du nicht gerade für eine Zeit wie diese,
zur Königin erhoben wurdest, dachte sie an das Buch Esther (4.14) während sie aber zur besonderen Lilie
Sharon schaute.
„Wir wollen ihn mit dir suchen, Maria“, hörte sie plötzlich ihre Freunde rufen, welche von ihr unbemerkt über ihre
Bibel gebeugt, das Unterstrichene lasen. „Entschuldige, dass wir uns so heimlich herangeschlichen haben,
aber Füchse kann man sonst schon verjagen. Bisher haben wir zwar keine Füchse entdeckt, aber man weiß ja
nie!“ Forschend schauten sie in Marias Augen. „Wer ist dieser Geliebte den du suchst?“ „Aber Jungs, ich habe
doch keinen Liebhaber, das wisst ihr doch.“ Warum hast du dann dieses Kapitel unterstrichen, Maria, darf man
das tun, in einem solch heiligen Buch? Na ja, das Alte Testament ist ja nicht mehr zeitgemäß.“ „Oh doch, meine
Freunde es weißt in vielen Stellen auf das Neue Testament in Jesus Christus hin.“ „Nein, Maria, das können wir
nun wirklich nicht glauben. Aber könntest du uns wieder ein Glas von dem tollen Holundersaft geben?“
„Natürlich!“ „Und vielleicht auch einige Fragen beantworten helfen?“ Schon bald saßen sie mit dem prima
Saftgebräu in einem gemütlichen Dialog vereint, Dominik, Jan, Sebastian, Fred und Maria. Die vier Jungs
bestürmten nun Maria mit ernsthaften Fragen. „Wenn nur Jesus Christus das sogenannte „A“ und „O“ ist, was
geschieht mit gläubigen Buddhisten, Mohammedaner, oder so vielen anderen religiösen Richtungen, wenn sie
auf ihrer Gottsuche die Christuserkenntnis noch nicht gefunden haben? Sind doch die einzelnen Gläubigen
unschuldig, wenn sie in Folge ihrer Geburt zu ihrem Glaubensleben stehen. Und die Heiden, die meist
irgendeinen Götzenkult frönen oder die Indianer, welche nie etwas von einem lebendigen Christengott gehört
haben, sind solche für das ewige Leben verloren, Maria?“ Alle hatten sich in Rage hineingesteigert und Maria
schloss die Augen um nachzudenken. „Oh, nein, ich glaube nicht, dass sie verloren sein könnten“, flüsterte sie
überzeugt. „Denn wenn sie die 10 Gebote Gottes im Herzen haben und diese auszuleben versuchen, dann
werden auch sie, einst im Himmel sein. Die Aufrichtigkeit ihres Charakters, die Ehrlichkeit des Willens zur
Wahrheit und Rechtschaffenheit sind ausschlaggebend und bilden die Grundlage für alles Heil.“ „Das können
wir glauben, Maria“, bestätigten die vier jungen Männer ernsthaft. Und so was steht ja auch im Neuen Testament,
irgendwo in der Offen-barung, welch eine große Schar aus allen Völkern wird später einmal im Himmel sein,
Maria, und bestimmt auch unsere Clique.  Auch wenn viele Arme in unseren Schulen sind. Wir aber haben fast
alle ein kleines, Neues Testa-ment, bloß sind manche Stellen noch unbegreiflich.“ „Liebe Freunde, haben wir
nicht einen solch reichen Gott, um der Armut wegen zu verzagen? Wie oft wenden wir uns an Menschen, werden
so enttäuscht, obwohl wir alle auch mal Glaubenszweifel haben dürfen. Wartet er doch nur darauf, dass wir ihm
wieder vertrauen!“ „Liebe Maria, bist du vielleicht auch in einer solchen Krise? Du suchst doch den im Hohen
Lied?“ Maria schwieg. „Und sind die Füchse vielleicht auch nur in einer Art Symbolik beschriftet?“ „Ja, meine
lieben Freunde, auch das begriff ich erst auf Friedenschein.“ „Durch Herrn Pfarrer Jordan?“ „Nein, er ist doch
krank, lebt in einem entfernten Seniorenstift, in dem er liebevoll betreut wird. Aber mein 19-jähriger Bruder,
Franziskus, der sich nicht nur in christlichen, sondern auch in politische wissenschaftliche Bereiche vertieft hat,
führte mich in manch eine neue Erkenntnis. „Ja, solche Politiker unserer Zeit, Maria, können schon gerissene
Füchse sein. Denn mehr als 5 Millionen arbeitslose Menschen ist doch himmelschreiend.“ Noch bevor sich die
Jungs in Wut hineinzusteigern vermochten, beendete Maria ein mögliches Streitgespräch und lud alle zu einem
köstlichen Abendbrot ein. Dankbar saßen sie an diesem frühen Abend, unter dem leicht rauschenden
Holunderblütenbaum, aßen das selbst gebackene Brot mit Schinkenhäppchen belegt, wobei Maria ihnen
erklärte, das es die Liebe ist, die große göttliche Liebe, die die Welt überhaupt noch in eine gerechtere
Bewegung zu versetzen vermag. „Das alles haben wir nun besser verstanden, Maria. Doch nun bist du müde und
benötigst Schlaf, aber wir kommen wieder, helfen dir, in „unserem“ Bibelgarten. Dann hast du mehr Zeit, um uns
vielleicht auch anderen, von der Clique noch mehr von Jesus zu erzählen. Und wehe es käme ein „Fuchs“, der dir
den Glauben zu rauben gedächte, na, den würden wir killen!“ „Nein, meine Freunde, betet für mich, aber nicht um
Füchse zu killen, sondern sie Jesus Christus zu überlassen. Er weiß am besten, wie er mit ihnen umzugehen
hat, versprochen?“ „Ja, Maria, danke dass es dich gibt, gute Nacht.“ Ebenso dankbar sah Maria ihnen noch nach,
sah ihre blitzenden Rücklichter ihrer Fahrräder, während nun der volle Mond auf das friedliche Domizil fiel.
 
 
7.  Teil
 
Noch eine ganze Weile saß Maria in ihrem Garten um die Faszination des Vollmondes zu betrachten. Urlicht,
ewiges Feuer, das auch die Seele versengt. Welch ein unerforschliches Geheimnis. Wie nahe verwandt mit dem
Licht ist das Feuer und doch in Kraft und Stärke so unterschiedlich. Feuer ist ein Zersetzungs-prozess, dient
einer Reinigung und zugleich einer Schau dessen, was man unter Feuerprobe versteht. Ein Symbol göttlicher
Gerechtigkeit? In der Bibel bilden Licht und Feuer Gegensätze. Maria will an die Liebe glauben, an die Symbolik
der leuchtenden Sonne der Gerechtigkeit für jeden, ein Licht auf seinem Wege. Jesus wollte als Mensch nichts
mit dem Feuer zu tun haben, denn Gott ist seinen Feinden ein verzehrendes Feuer, durchdachte sie den
Hebräerbrief und hoffentlich wird in Form von „Atom“, sich nicht irgendwann einmal diese Erde auflösen. Nein,
sie will an das Urlicht ewiger „Feuerliebe“ glauben, an das große TEDEUM LAUDAMUS: „Großer Gott wir loben
dich!“ Würde es doch endlich durch die ganze Schöpfung erschallen, als ein wahrer Gottesdienst, in dem Gott
Licht und Schall geschaffen. Oh, unerschöpftes „Licht“, wie sehne ich mich nach dir, Jesus, den meine Seele
liebt, schon immer geliebt hat. Plötzlich schien sich der Mond hinter einer nachtblauen Himmelsmembrane
zurückzuziehen. Aber die Nacht blieb noch hell und schien sich im rotgrauen Lichtschein über den kleinen
Erdplaneten beweisen zu wollen. Maria legte sich ins Bett um über Zeit nachzudenken. Gab es überhaupt in
diesem Leben einen Zeitbegriff? Nein, dachte sie, oder höchstens einen punktuellen und schnell wieder
vergessenen und über diese, für sie traurige Bilanz überfiel sie der Schlaf, wie eine Wahrheit eigener
Empfindungen. Urliebe, ewige Feuer-liebe, waren die letzten Worte, die auf ihrem Notizblock standen. Zumindest
schien dennoch die Zeit zu rasen, weshalb sie wohl frühzeitig erwachte. So las sie in dieser beginnenden
Julinacht einen Brief, den ihr Lisa geschickt hatte. Obwohl sie ihre Englischsprache zu vertiefen gedachte, schien
die gütige Seele nicht glücklich zu sein. Das konnte man durch die Zeilen lesen. Lisa wäre nie fähig gewesen,
Maria traurig zu machen. Aber die Wahrheit meldete sich während einer Unterrichtsstunde, was die schlichte
Lisa nicht zu verkraften schien.
 
 
Wenn ich Flügel hätte, würde ich zu dir fliegen, liebe Maria, denn nicht notwendiger Lehrstoff, sondern Profitgier
macht auch vor diesen Toren nicht halt. Immer wieder treten neue Gruppen von Menschen ein. Scheinbar
versuchen sie ihre Existenz zu retten. Das konnte ich nicht mehr verantworten. Nicht für so viele, und nicht vor
meinem Gewissen. So sparte ich mir durch Nachhilfeunterricht ein kleines Konto an um einen Wechsel
anzustreben. Reiche Eltern können sich das leisten, um ihren Sprösslingen auf eine Erfolgsleiter zu verhelfen.
Aber ob sie glücklich sind, lässt die meisten ziemlich kalt. Ich spürte doch, wie diese Kinder sich nach was ganz
anderem sehnen und versuchte so gut wie möglich, das in sie gelegte Göttliche, mit dieser Sprache zu
verbinden, welche wie ein Samenkörnlein zur „Ewigkeitsfrucht“ führen kann. Das wiederum war den meisten
Eltern nicht angenehm. Und ich musste schon die eine oder andere Rüge verkraften. Aber wenn solche Pillen zu
„bitter“ sind, kann man sie nicht mehr schlucken, weshalb ich es nach gründlicher Überlegung vorzog, mich für
einen Ortswechsel zu entscheiden. So zog ich an ein anderes Ende der Stadt Mayfair, fand ein schlichtes
Zimmer-chen mit eingebauter Dusche und kleiner Toilette, betrachtete mich im Spiegel und erschrak. In
meinem Inneren schien es Winter geworden zu sein, farblos, Grau in Grau sah ich mich in diesem Spiegelbild.
Kann da ein Kind Vertrauen zu mir haben, fragte ich mich bestürzt, während ein scharfer Schmerz sich durch
meine Seele zog. Doch die Routine, die ich mir erworben hatte, dir mir schon fast bis ins kleinste Detail bekannt
war, ließ mich nicht aufgeben. Ich glaube, dass Kinder mehr mit dem Herzen sehen, als Erwachsene, Maria, was
ich besonders durch dich, während unserer Kindheit erfuhr. Ich muss mir nur öfter einen Spaziergang gönnen
um etwas Farbe zu bekommen und nützte dann auch noch die verbleibende Zeit, um auf einem alten Fahrrad
wiederum in ein anders Stadtende zu flüchten. Das liegt am gegenüberliegenden Themseufer. Als ich fast ganz
am Ende einer kleineren Seitenstraße war, sah ich einen alten Mann sitzen, der seine Füße von einer Pfütze des
gegenüberliegenden Themseufer`s umspülen ließ. Eine tiefe Barmherzigkeit durchflutete mich und ich setzte
mich für eine Weile zu dem armen „Alten“. Es gelang mir mit ihm ein kurzes Gespräch zu führen, das aber auf
ein Meer der Vergeblichkeit ziemlich mutlos machte. „Seit vielen Jahren lasse ich mir hier die Füße umspülen,
junges Fräulein, weil ich letztlich jegliche Hoffnung aufgegeben habe, jemals Land in Sicht zu bekommen. Ja, in
dieser Welt werden es die Redlichen nicht schaffen, aber vielleicht in der Anderen?“ Ich erzählte ihm sehr viele
Geschichten von Jesus, von Gottes Gerechtigkeit und sah diese in seinem Gesicht in einer Art Unergründlichkeit,
aber auch bald  hoffnungsvoller Gewissheit.
So, liebe Maria, nun will ich aber wirklich Schluss machen, denn von mir abgesandte Annoncen liegen vor mir
und ich muss sortieren, welche Eltern eine Englisch Nachhilfebetreuerin suchen. Mache dir keine Sorgen um
mich, Liebes, sind wir in der Vaterhand Gottes geborgen. Und für viele Menschen hier in London, schwebe ich im
Gedankengebäude Seiner Liebe hinein.
Immer deine Lisa
 
 
8.  Teil
 
In der Luft lag eine frische Kühle und Maria fröstelte. Sie sah in ihrem warmen Umhang so zerbrechlich aus, ja,
fast hilflos. Sie setzte sich am Waldrand, auf eine mit Moos bewachsene Anhöhe nieder, während sie hinauf zu
einer Baumsilhouette schaute. Ein Specht klopfte sein Vogelkonzert hinaus. Vielleicht sogar nach London, zu
ihrer Lisa, deren Werdegang sie sich ins Gedächtnis zu rufen versuchte? Ob sie gerade solche Begebenheiten
erlebt, die vor allem mit einem wesentlichen „Augenblick“ zu tun haben? In dieser Liebe fühlte sie sich ihr so
nahe, aber auch wiederum fern. Aus dieser Entfernung heraus gesehen, fühlte sich Maria ziemlich übel. Es ist
mehr ein psychischer Schmerz überlegte sie, denn dreht sich nicht das Weltenrad durch alle Erdteile in diesem
Lauf, wie es nach schöpferischer Bestimmung einem jedem zugedacht ist? Fragen über Fragen durchwirbeln ihr
kluges Köpfchen, während Ameisen über ihre nackten Beine krabbelten. Ihr fleißigen Tierchen, dachte Maria
zärtlich berührt. Baut und baut riesige Pyramiden, obwohl ihr doch nur so winzig klein seid. „Aber an mir sollt ihr
nicht eure Arbeit vermehren“, flüsterte sie leise, wonach sie, sie liebevoll abstrich.
 
„Oh, an einer solchen Lotusblüte möchten sie doch den besonderen Duft einatmen“, hörte sie hinter sich eine
warme Männerstimme beteuern und erschrak. Rasch erhob sie sich und stand einem Fremden gegenüber.
Nein, vor ihm brauchte sie sich nicht zu fürchten. Denn er war nicht nur ein frappierend gutaussehender Mann,
sondern trug auch Spuren eines gütigen Charismas. „Ja, die Natur ist reich, junge Dame, man müsste sie nur in
dieser schöpferischen Ordnung genießen, wie sie für einen jeden zugedacht ist.“ „Sind sie ein Priester?“, fragte
Maria den Unbekannten, der sich nun namentlich vorstellte: „Siegfried Gagern, frisch geprüfter Doktor der
Geologie,“ ergänzte er noch etwas verschämt, zu seinem neuen Rang, wonach Maria sich ebenso vorstellte. „Im
gewissen Sinne bin ich aber auch ein Priester, denn nur aus dieser Sicht kann man doch an einen Schöpfergott
glauben, der all diese Schönheit geschaffen hat und das in mannigfaltiger Pracht.“ „Davon sind sie überzeugt?“,
fragte Maria erregt. „Ja, und das von ganzem Herzen.“ Maria blickte in seine strahlenden Augen, als ein zunächst
leichter, bald aber heftiger Regen einsetzte. „Bitte, kommen sie mit mir hinüber in mein Häuschen, so gerne
würde ich mich noch mit Ihnen unterhalten.“ Dankbar nahm er ihr Angebot an und sie eilten gemeinsam in ihr
Waldrauschdomizil. „Das ist ja ein lebendiger Bibelgarten“, rief er begeistert, wonach sie ihn in ihre kleine
Gaststube führte. Welch eine schlichte Behaglichkeit durchflutet diese Oase, überlegte der junge Mann gerührt,
während Maria ihren durchnässten Umhang auszog und eine kleine Laterne auf den Tisch stellte. Eigentlich war
es ihr Windfackellicht, was sie in dunklen Nächten draußen im Garten entzündete. Aber dieser Nachmittag im
Juli war ja auch drinnen ziemlich düster und nur der Rosenstrauß schien seinen lieblichen Duft zu
verschwenden. Mit einem köstlichen Johannisbeersaft bewirtete sie ihren Gast. War der Holunderblütensaft mit
ihren Jungs längst getrunken worden. Ihre gütige Mutter hatte ihr diesen ersten Johannisbeersaft gebraut, was
sie ihm flüchtig aber dankbar erklärte. „Ja, Herr Doktor, die Natur ist reich, bloß wissen das so viele Menschen
kaum noch zu schätzen.“ „Nennen sie mich schlichtweg Siegfried.“ „Danke, und sie mich Maria.“ Rasch schloss
Maria ihren Notizblock, ihre Bibel und das beigefügte Werk einer wissenschaftlichen Deutung. Siegfried konnte
gerade noch die Beschriftung lesen. „Oh, das interessiert sie, das Himmlische Jerusalem zu erkunden, Maria?“
„Ja, sehr! Auch im Zusammenhang mit dem Hohen Lied der Liebe Salomos.“ „Scheinbar betätigen sie sich als
Schriftstellerin, weshalb ich auch nur flüchtig ihren biblischen Garten wahrnahm.“ „Oh, ja, aber auch mit
Jugendlichen, drunten in Ulmenstein, die einst eine schwierige Clique waren, aber nun auf guten Wegen sich
entfalten.“ „Dann haben sie sich ja sicher ein großes Ziel gesetzt, eine besondere Aufgabe, Maria.“ „Ja, das ist
sie, aber nur durch die Gnade Gottes!“ Fasziniert betrachtete Siegfried das bildhübsche Geschöpfchen, sparte
auch nicht mit einem Kompliment, was Maria erröten ließ. „Bitte missverstehen sie mich nicht, junge Dame, aber
irgendwie erinnern sie mich tatsächlich an die junge Braut im Salomonischen Hohen Lied, zumal sie sich ja
damit beschäftigen.“ „Danke, Siegfried, aber irgendwie lässt mich der Gedanke nicht los, dass die beiden
Liebenden sich auf die mystische Einheit mit Gott beziehen könnten und da ich ja kein Theologiestudium
gemacht habe, und christliche Schriftstellerei, auch Dichtkunst als eine Gabe Gottes betrachte, kann ich nur aus
dieser Gnade göttlicher Inspiration das schreiben, wie ich es in Stückwerk Erkenntnis erkenne.“ „Aber das ist
doch wunderbar, Maria, wie oft verbiegt man Menschen durch Dogmen oder anderen auferlegten Gedanken,
welche nicht aus der inneren Wahrheit kommen. Solche Zwänge sollte man tatsächlich meiden und zu seiner
eigenen Überzeugung stehen. Natürlich verdient man nicht auf diesem Wege das große Geld, aber wenn ich Sie
betrachte, leuchtet aus ihren Augen ein anderer Strahlenglanz, ein göttlicher. Es ist ein Jammer, dass unsere
Welt sich so sehr von dem „Fürsten Mammon“ beherrschen lässt, aber darüber möchte ich mich noch
gründlicher mit Ihnen unterhalten. Könnten wir noch wertvolle Gespräche führen.“ „Oh, ja, Siegfried, kommen sie
bald, bald wieder, denn meine Jungs werden auch bald hier sein und ich glaube, dass es für uns alle eine
Bereicherung sein wird.“ „Danke ihnen, liebe Schriftstellerin, alles wird gewiss nicht nur eine Bereicherung
werden, sondern ein göttlicher Liebesdienst.“ Glücklich, sehr glücklich schaute Maria ihm nach, eine Weile, eine
ganze Weile und ahnte in tiefer Gewissheit, dass eine neue Wende bevorstand.
 
 
9 Teil
 
Obwohl Maria absolut nicht abergläubig war, gehörte der Donnerstag in einen meist segensreichen Tag hinein
und an diesem kam tatsächlich Siegfried, um ihr eine seltene Pflanze zu schenken. „Eine Wüstenrose?“ „Ja,
wollen wir sie mit diesem Namen nicht nur taufen, sondern in ihren Bibelgarten pflanzen?“ „Oh, danke ihnen,
Siegfried, wie sehr freue ich mich auf ihren Wuchs.“ Gemeinsam gingen sie in ihren Garten um ein besonders
Plätzchen für die Wüstenrose zu suchen. Und gemeinsam schauten sie in den Himmel, vermochten kaum in die
strahlend reine Sonne zu schauen, weil sie solch prächtige Himmelsbilder hervorgezaubert hatte. Unter einem
besonderen, rosenartigen Gebilde sollte die Wüstenrose gepflanzt werden. Auch Siegfried war der Meinung,
dass es der geeignete Ort war. So nahm er die kleine Hacke, buddelte ein gezieltes Loch, das Maria mit einem
Eimerchen Wasser füllte. Auch von der kostbaren Muttererde, welche noch in einem Eckteil lag, füllte man nun
mit liebevoller Hingabe den unteren Wurzelstock zu, buddelte noch ein weinig Erde darüber, begoss auch diese
Oberschicht, während die Wüstenrose in Gluten, ja wie in Feuergluten, in Strahlen der Liebe, zu ihnen
hinaufzulächeln schien. Oder zu Jesus, dem unendlich großen „Gärtner“? Maria flüsterte verzückt solche Worte,
die aber Siegfried nicht überhörte. „Maria, wollen wir uns noch ein wenig in das Hohe Lied der Liebe vertiefen?“
„O ja, aber bitte hinter den Lilien, denn dort hat er doch seine besondere Königin, Sharon, die von dem
grässlichen Todesdornast erstickt werden sollte. Deswegen haben wir doch das Goldherzbeet gemacht, unter
dem dieser Feind mit seinen „Nachkommen“ ersticken musste. Gespannt saßen die Beiden nun in diesem
Bibelgarten, tranken nicht nur von dem gesunden Johannisbeersaft, sondern aßen auch die köstlichen
Honigplätzchen, welche Maria nach einer salomonischen Liebesidee gebacken hatte.
„Das waren gestern Abend meine letzten Worte, die ich in mein Manuskript geschrieben habe.“ „Welche, Maria?“
„Honigplätzchen nach einer Salomonischen Liebesidee.“ „Wissen sie, nicht alle orientalischen Bäume, Blumen
oder Pflanzen kann ich in meinem Bibelgarten züchten, weil sie in diesem kleinen Höhenort, im Bayerischen
Waldrausch, nicht wachsen würden. Aber die Fantasie ist grenzenlos und darf wachsen, wachsen. Auch
Honigbienen und Turteltauben singen das Hohe Lied so innig, wie es nur die begreifen, die in der Stille
lauschen. Hören Sie, wie alles im Lustgarten flüstert?“ „Ja, Maria, in diesem Wonnegarten kann man sich an der
Liebe berauschen lassen und scheinbar haben sie einen solchen Geliebten, der sie in diese tiefen Gefühle
geführt haben mag?“ Man könnte fast neidisch sein, dachte der schon über alles verliebte Siegfried. Solch ein
Mädchen könnte nicht nur eine Traumfrau fürs Leben sein, sondern der Himmel auf Erden. „Aber natürlich habe
ich einen Geliebten, Siegfried, Jesus Christus, der mir oft so nahe, doch auch wiederum sehr ferne ist.“ „Maria,
liebe Maria, das ist er nicht, er ist immer in ihnen, in ihrem ganzen Wesen, Sein.“ „Ja, das ahnte ich auch schon
immer, doch warum dürfen dann Wächter mich so wund schlagen?“ Und wie zur Bestätigung legte sie eine
Hand auf ihr Herz, während Tränen aus den Traumaugen tropften. Entschuldigen sie Siegfried, das passierte mir
schon oft, weshalb ich auch das Tränenherzbüschlein dort hinten eingepflanzt habe.“ Siegfried schluckte seine
Rührung  hinunter. Welches feine, intelligente und doch hochgebildete Mädchen ist diese naive Maria, sinnierte
er fast ebenso mit wunder Seele. Ob er überhaupt jemals fähig sein könnte, eine solche „kleine Heilige“, in ein
vollkommenes Ehedasein zu führen?“ „Maria, nun muss ich mich verabschieden, habe ich noch eine
bevorstehende Sitzung.“ „Oh ja, aber verabschieden wir uns noch kurz von unserer Wüstenrose.“ Gemeinsam
standen sie vor der feurigen „Liebesflamme“ und gemeinsam winkten sie sich in dieser noch eine längere Zeit
nach.
 
 
10. Teil
 
Und wieder verging ein Monat, ... ein Jahr. Maria war sich ihrer Passion endgültig bewusst. Sie würde Siegfrieds
Gattin werden. Denn in seiner behutsamen Liebe konnte sie sich so entfalten, wie es eine von Gott gewollte
eheliche Gemeinschaft versprach. Eine Liebe die sich verbindet, auch durch Verzicht mal „verlieren“, aber sich
letztendlich in der mystischen Einheit mit Gott erneut im Liebeslied des Einklanges finden würde.
 
Auch Lisa war wieder nach Friedenschein zurückgekehrt. Konnte sie auch in Ulmenstein Sprachunterricht
erteilen, da Lehrermangel mehr und mehr zunahm. Franziskus, als junger Gutsherr, hatte sich im
Landwirtschaftsministerium als ein gerechter Politiker erwiesen und manch ein bäuerlicher Betrieb konnte
hoffnungsvoll aufatmen. Gemeinsam mit den Eltern saßen alle vor dem Friedenscheiner Fernseher, um gebannt
die Zwillinge zu bestaunen. In irgendeinem zoologischen Garten, man hatte ihn provisorisch in einen
orientalischen Stil verwandelt, konnten sie eine solche Rolle vorführen, wie man sie in keuscher Erotik, im Hohen
Lied der Liebe nur staunend zu begreifen vermochte. „Schön bist du meine Geliebte“, flüsterte die verkleidete
Sarah, in einer Kutte und mit nackten Füßen in Sandalen, „oh, so schön bist du meine süße Braut! Rote Bänder
umragen deinen Mund, deine Brüste sind wie zwei Kitzlein, wie die Zwillinge einer Gazelle, die in den Lilien
weiden....
Wenn die wüssten, das Publikum, dass wir wirkliche Zwillinge sind, dachten die Beiden, als ein Beifall ausbrach,
der nicht enden wollte...
Ein orientalisches Meisterstück, beschrifteten Journalisten in vielen Presseberichten, worüber alle von
Friedenscheins unendlich dankbar waren. Aber besonders Maria, denn konnte nun die Weltöffentlichkeit endlich
mal ein biblisches Werk schauen, das im Hohen Lied von Salomo vielleicht eines der schönsten Liebeslieder
werden würde. „Wie irrational leben Menschen ihr Leben aus“, flüsterte Siegfried seiner jungen Braut zu,
während er sie sehr zärtlich an sein Herz nahm um mit seiner Maria, noch eine kleine „Andacht“, unter dem
nächtlichen Sternenzelt, zu durchleben.
 
 
Und unter diesen Gedanken verbleibe ich in meiner Art Passion
 
Eure dankbare
Hannelore Leibold 

Nachtrag
Nach Maria dem kleinen Traumkind, Maria die junge Prinzessin ist Maria`s Passion die dritte Folge eines
Gesamtwerkes in dem ein „Happy-End“ sich in Flügeln der Liebe durchs Weltall schwingt.....

 

 


   

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