Vom tapfren Bub auf weiter See

                

                                          

                                         

                                           Und wer ist dieser kleine Held

                                           aus Hannelore Leibold`s

                                           Geschichte ihrer Märchenwelt ?

  1. Teil

 

Und wenn ich nur ein Säckchen voll mit solchen Kristallen hätte, wäre ich bald so reich, um Großvater zu helfen. Doch, es muss eine Möglichkeit geben, überlegt Julian entschlossen, während er gespannt hinaus auf das Schiff schaut. Jetzt macht der Steuermann eine Pause und ich könnte hinüberschwimmen, um mich noch rasch an Bord zu verstecken. Werde ich es schaffen? Vielleicht fährt das Schiff sogar nach Dänemark, murmelt er vor sich hin, das wäre prima, denn dort soll ein unbekannter Ahne von mir leben, ein reicher Abenteurer, hat Großvater erzählt.... Irgendwo in einer Ritterburg, die ich gewiss entdecken könnte. Armer Großvater, warum nur bist du so krank geworden, ja, warum? Seine Gedanken verlieren sich im alten Mann. O, das Schiff scheint seinen Kurs geändert zu haben, warum bloß habe ich so lange die Zeit vertrödelt? Nein, so weit hinaus kann ich nun nicht mehr schwimmen, da scheint die See ja schon in den Himmel einzumünden. Schade! Liebes Schiff, nun schaust du nur noch wie ein Nilpferdchen aus, denkt Julian verträumt und winkt ihm wehmütig nach.Traurig schlendert er davon.

"Julian, Julchen, wo bist du mein Junge?" – hört er seinen Großvater mit krächzender Stimme rufen und bangt um die Not, die ihn nun erwartet. Ein letztes mal schaut er sehnsüchtig über die Ostsee, die im Abendschimmer der untergehenden Sonne in noch unergründlichen Farben leuchtet. Ja, du wirst uns helfen, spricht sich Julian Mut zu, während er mit nacktem und braungebrannten Oberkörper in die alte Fischerkate springt. "Julian, kannst du uns nicht eine Fischsuppe kochen, mir ist so übel – und du bist doch gewiss auch hungrig?" "Natürlich, Großvater, wir haben doch noch eingesalzene Fische im Bottich und meine Suppe wird dir bestimmt schmecken." "Danke Junge", stöhnt der alte Mann unter Schmerzen und beobachtet hustend den kleinen Koch bei seiner Arbeit. Wie geschickt er ist. Julian hat ein Feuer im Küchenherd entzündet, gießt Wasser in einen Zinktopf, das schon bald zu kochen beginnt. Nun zerschneidet er zwei Fische, schält eine Zwiebel und gibt die zerteilten Stücke in das Wasser. Noch eine Prise Salz hinein und schon kann die Suppe garen.... Verschwitzt setzt sich der Enkel an den Bettrand des kranken Mannes, um ihn zu trösten. "Bald werden wir reich sein, Großvater – und ich werde die Schatzinsel finden, auf der die wertvollen Kristalle sind." "Junge, was sind das für Träume", widerspricht Olaf, "diese Schatzinsel wirst du nie finden, nein Julian, die gibt es nicht." "Doch, Großvater, du hast mir damals so oft von ihr erzählt und von dem Ahnen in Dänemark! Der ist doch deshalb reich geworden, weil...." – "Quatsch Junge, das war ein Spinner und Abenteurer, ja, ein Fantast, der sogar noch an Gott glaubte." "Aber Gott gibt es doch wirklich, Großvater, wenn er auch soo weit hinter den Wolken lebt!" "Unsinn, Junge, wenn es ihn gäbe, sollte er für mehr Gerechtigkeit auf dieser Welt sorgen. Nein, Bub, Gott kannst du vergessen!

Immer habe ich mich mit deiner verstorbenen Großmutter redlich durchs Leben gemüht, habe auch diese Kate noch aufgebaut und viele Jahre meine Fischerei im ehrlichen Handel betrieben. Es reichte gerade aus, um unser Leben zu fristen, während die Großen in Saus und Braus leben konnten. Als dann deine lieben und fleißigen Eltern auch noch bei einem Unwetter ihr Leben draußen auf See verlieren mussten, konnte ich überhaupt nur deinetwegen einen Sinn im Leben finden. Zwei Jahre alt warst du mein Bübchen, als das Unglück damals geschah – und wiederum musste ich Kämpfe bei der Behörde durchstehen, damit du überhaupt bei mir aufwachsen durftest. Unser schönes Häuschen drüben am Deich, musste ich an Fähnrich Johannsen und seine Grete verkaufen, um für den Erlös des Geldes dich hier notdürftig zu versorgen. Sechs Jahre leben wir nun gemeinsam zusammen – und das Geschäft ging mehr und mehr bergab. Und nun musste ich so krank werden, kann für uns auch dieses karge Zubrot nicht mehr verdienen. Wenn ich sterben sollte, muss ich dich wieder alleine lassen – und dann soll es einen Gott geben, einen sogenannten Gott der Gerechtigkeit? Nein, Julian, den gibt es nicht, den kannst du dir gründlich aus dem Kopf schlagen!" Mit rotumrandeten Augen schaut der Mann verbittert seinen Enkelsohn an, als ihn plötzlich wieder ein Hustenanfall quält.... "Großvater, schon bald wird es dir besser gehen, die Fischsuppe ist nun fertig. Aber ich könnte noch einige Brotkrusten hineingeben, ja, dann ist sie kräftiger! " Flink zerschneidet der kleine Koch Krusten, rührt sie in die Suppe ein, wonach er zwei Teller auf den Tisch stellt. Nur mühsam gelingt es dem alten Mann, sich von seinem Lager zu erheben und Julian hilft ihm dabei. "Schmeckt prima", lobt er seinen Enkel, während er die heiße Suppe hinunterschlürft. "Bist schon ein Engel", ertönt plötzlich die vertraute Stimme von Nachbarin Grete durch den Raum. "Julchen, wie gut du deinen Großvater versorgst!" "Ja, Grete, der Junge ist in Ordnung, aber kein Engel. Die gibt es nicht – und du solltest Julian nicht immer solche Geschichten erzählen." "Doch, Großvater, Gretes Geschichten sind wirklich schön", unterbricht ihn der strahlende Bub, der in diesem Eifer auch wie ein kleiner Engel ausschaut. Unter dem blonden Lockenschopf strahlen seine Augen wie das smaragdgrüne Meer, das im Wechselspiel eines geheimnisvollen Lichtes zu beglücken versteht. Obwohl noch im kindlichen Ausdruck, verspricht sich der trutzige Bub in eine später männlich markante Persönlichkeit auszuwachsen. Bloß was wird auf den 8-jährigen Jungen zukommen, wenn Olaf wirklich sterben sollte? Julian muss dann in einem Heim heranwachsen, überlegt Grete – wie schon so oft besorgt, während Olaf sich mit zittrigen Händen über seinen Bart wischt, um sich nur mühsam wieder zu seinem Lager zu schleppen. Fiebrig und erschöpft sitzt er nachdenklich an seinem Bettrand. Grete schüttelt noch rasch sein zerwühltes Kopfkissen auf, ordnet das Laken, das mehr einer vergilbten Strandfahne ähnelt. Verstohlen wischt sich die 7O-jährige Nachbarin Tränen aus den Augen. So sehr berührt sie all das Leid und Elend. Julian hat das Geschirr gespült und lässt den Rest der Fischsuppe im Topf. Die wird für morgen noch reichen, überlegt er und Grete wird auch nach Großvater schauen, wenn ich ihr von meinem bevorstehenden Abenteuer berichten werde. Es muss klappen und Großvater wird sich wundern, wenn er wieder gesund wird. Mittlerweile ist der kranke Mann eingeschlafen und schnarcht ziemlich laut durch die Stube. "Komm, Junge", flüstert Grete –"gehen wir noch eine Weile hinaus und reden miteinander!" "Ja, das wird nötig sein, Grete, sehr nötig!" Draußen, unter der alten Weide, sitzen die Beiden nun auf der von Großvater gezimmerten Holzbank. Eine frische Brise weht von der Ostsee über den Strand. "Julchen, setzen wir und doch in den Strandkorb, mag er auch morsch geworden sein, ist es in ihm wärmer." "Natürlich, Grete, du sollst ja nicht frieren!" So sitzen die Beiden nun unter dem schützenden Dach im Korb und schauen zunächst schweigend über die See. Es ist schwül geworden und Julian mag den Geruch von fauligen Algen am ärmlichen Strand. "Wie schön ist es Grete, dass ich jetzt Ferien habe, o, könnte ich nur das tun, was mir so richtig Freude machen würde. "Natürlich, Junge, das wünsche ich dir auch, ach – hättest du Freunde, könnte ich dir helfen." "Das Kannst du Grete, bitte, o bitte, könntest du morgen Großvater versorgen? Ich möchte doch so gerne auf die Schatzinsel fahren, um die Kristalle zu finden!" "Bub, es ist doch viel zu gefährlich für dich, kannst doch nicht mit eurem alten Kahn auf die weite See hinausrudern. Und mit der Schatzinsel, es ist doch bloß nur eine alte Sage, von der niemand so recht weiß, ob sie stimmt." "Aber Grete, du hast mir doch so oft erzählt, dass der liebe Gott alles weiß und uns immer beschützt, wenn wir ihm vertrauen? Auch Jesus ist doch unser allerbester Freund, weil wir an ihn glauben. Selbst wenn er unsichtbar ist, will er doch überall bei uns sein – und nur er kann noch Großvater gesund machen, weil wir keinen Arzt bezahlen können. Und Jesus hat Großvater doch auch lieb?" "Natürlich Julian, er hat alle Menschen lieb, aber Olaf glaubt nicht an ihn, sogar jetzt noch nicht, wo er sehr krank ist. Der alte Dickschädel ist zwar ein liebenswerter, aber auch erheblich störrischer Mann." "Ja, Grete, das stimmt, aber er hat so viel Leid und Enttäuschungen durchgemacht, so dass er nicht mehr an Gott glauben kann. Deshalb muss ich ihm nun helfen, damit er ihn wieder ganz neu findet. Doch – das muss ich tun, bevor es zu spät ist, bitte hilf mir dabei, gemeinsam werden wir es bestimmt schaffen. O, Großvater ist erwacht, er ruft mich. Also, wirst du mir helfen?" Grete nickt gütig, während sie über eine andere Lösung nachdenkt. "Danke, Grete, grüße Johannsen von mir, tschüß !" "Julian, wo bist du Bub?" "Großvater, bin schon hier, hast du Durst?" "Ja, Bub, reiche mir einen Becher Wasser." Nach dieser Liebestat verkriecht sich Julian in sein schmales Bett neben seines Großvaters und lauscht in die Nacht hinaus. Seemöwen und Wildtauben raunen ihn bald in einen traumlosen Tiefschlaf ein ...........

2. Teil

"Hast du dich verirrt"? –fragt Julian noch schläfrig die wunderschöne Taube, die ihn am geöffneten Fensterchen gurrend aufweckt. Schon ist er hellwach, als er sich an sein Abenteuer erinnert. Großvater scheint noch zu schlafen. Prima! Wie wird er staunen, wenn alles gelungen ist und bestimmt schon nach diesem Tag. Rasch schlüpft er in seine Jeans, schneidet sich eine Brotschnitte ab und trinkt durstig seinen Becher Milch aus. Nach dem Frühstück noch einen letzten Blick auf Großvater und nun rasch hinaus in den beginnenden Morgen. Geschickt hat er endlich den alten Kahn vom verrosteten Haken losgebunden und zieht ihn nun mühsam zum Ufer. Es wird schon klappen, spricht er sich Mut zu und die Fahrt beginnt. Schon rudert er auf der noch leicht wogenden See in sein Abenteuer hinaus. In dieser frühen Morgenstunde ist der Himmel noch trist und grau. Auch die See verschenkt sich im trostlosen Farbspiel. Trotz aller Anstrengung friert Julian und überlegt, ob er nicht doch seinen Pulli hätte anziehen sollen. Aber ich werde mich schon warm rudern und ganz sicher bald die Schatzinsel finden. Warum wird die See immer unruhiger? O, er ist ja schon ganz weit draußen und sein Kahn schwankt bedenklich unter einem aufkommenden Sturm. Er muss alle Kraft aufbringen, um gegen die Seewogen anzukämpfen. Fasziniert, aber auch bange, schaut er auf die schwarzweiße Gischt, die nicht nur hohe Wellen durchtrennt, sondern ihre Wogen auf und nieder bäumen lässt. "Jesus, guter Freund, bitte lass meinen Kahn nicht kentern", schreit er ziemlich verzweifelt, während der Sturm sich gnadenloser auswütet. Fast ist sein Kahn mit Wasser überfüllt und er scheint in die Tiefe zu versinken. Nein, Julian kann nicht mehr und fühlt sich elender denn je. Müde und sehr geschwächt legt er sich in den Kahn, umklammert noch hilflos das eine Ruder, weil das andere beim Herausschöpfen des Wassers eine Welle mitgerissen hat. "Lieber Gott, bitte hilf mir", stöhnt er verzweifelt in dieser nun nachtschwarzen Finsternis des mörderischen Sturmes – und fällt in eine Ohnmacht. Durch diese wird er zunächst aus seiner Todesangst befreit. Doch er hat einen Traum – und in diesem hört er Großvater raunend krächzen: "Quatsch Junge, es gibt keinen Gott! Schau, sogar bei diesem Unwetter lässt er dich im Stich. Aber Mut hast du Bub, das muss man dir zugestehen – und nur das zählt in diesem elendigen Leben. Ja, Julian, Mut! Vielleicht war ich auch deshalb ein Versager, weil ich mich nicht härter durchgeboxt habe. O, mein Julchen, ja, ich war ein Versager!" "Nein, Großvater, das warst du nicht, sterbe nicht, du hast mir so viel Liebe geschenkt, Gott wird dir helfen!" Julian versucht verzweifelt den alten Mann vor einem Erstickungsanfall zu befreien, rüttelt und schüttelt ihn aus der Todesqual heraus. Nun beginnt auch noch die alte Kate zu schwanken und Julian brüllt erregt: "Großvater, der Orkan will sie uns abreißen, komm schnell aus deinem Bett heraus, wir müssen uns retten!" "Ja, das lässt dein grausamer Gott auch noch zu, Junge, wir sind verloren!" "Nein, Großvater, Gott ist nicht grausam!"

"Jesus, wo bist du, mein unsichtbarer Freund?" Julian erwacht aus seiner Ohnmacht und kann nur allmählich begreifen, dass er wirklich dieser lebensgefährlichen Gefahr ausgeliefert ist. "Jesus, hilf mir", schreit er erneut unter Todesangst, während plötzlich ein Lichtstrahl die nachtschwarze Finsternis durchdringt. Eine mächtige Stimme schallt über die See: "Das hättest du nicht tun dürfen, Julian, mein lieber, lieber Bub! Darf man nie leichtfertig mit seinem Leben umgehen, da ich aber weiß, warum du es getan hast und in dieser Not bist – ja, und weil du mir vertraut hast, werde ich dir helfen!" Nur staunend begreift Julian, dass ihn Jesus doch nicht verlassen hat und winkt jubelnd zu ihm hinauf, dem so liebevollen Unsichtbaren. Düstere Wolken verwandeln sich plötzlich in ein wunderschönes Lichtgebilde, unter dem ein Regenbogen wie ein Schutzwall in märchenhaften Farben schimmert. Der Sturm scheint sich nun endgültig beruhigt zu haben und Julian erkennt in der Ferne ein weißes Schiff, das ihm immer näher entgegengleitet. Schon deutlicher sieht er nun die schöne Jacht. Und mit dem einen Ruder in der Hand, steht der kleine Kämpfer wieder aufrecht in seinem Kahn, der noch erheblich mit Wasser angefüllt ist. Mutig versucht er mit dem erhobenen Ruder den unbekannten Schiffsmann auf sich aufmerksam zu machen, rutscht jedoch unter dieser Aufregung unerwartet aus und liegt erneut ohnmächtig im Kahn .........

 

3. Teil

 

Schneller, jetzt muss etwas passiert sein, denkt der Kapitän an Bord. "Gott, lass das Bürschchen leben", flüstert er erregt. Hat er es schon eine ganze Weile durch ein Fernglas beobachtet und um sein Leben gebangt. Endlich hat er den kleinen Kahn erreicht und lässt als Rettungssignal seine Schiffshupe ertönen. Durch diese erwacht Julian aus seiner Ohnmacht und spürt benommen einen Schmerz im Kopf. "Junge, hast du dich verletzt?" Besorgt hört Julian eine gütige Stimme ihn ansprechen – und schaut staunend hinauf auf das Schiff, auf dem der fremde Mann zu ihm hinunterschaut. "Es geht schon wieder, nur eine Beule am Kopf, aber wer bist du? Bist du der Engel von der Schatzinsel?" "Nein, mehr dein Retter in Not, Bub und bin Uwe. Du warst in großer Gefahr, aber der Sturm hat sich nun restlos verzogen. Dennoch kannst du nicht in dem kleinen und arg zerschundenen Kahn bleiben. Ich hole eine feste Strickleiter, werfe sie dir hinab, auf dieser kannst du zu mir hinauf klettern. Wirst du es schaffen?"

"O, ja, es wird schon gelingen!" Und unter der Anleitung des Kapitäns gelang dann auch die Befestigung, wonach Julian zwar noch schwankend, jedoch mutig hinauf auf das Schiff klettert. Erleichtert kann er nun die Hand seines Retters umklammern und ihm so dankbar sein. "Lieber Junge, das hätten wir geschafft, schon bald sind wir am Strand – und du kannst mir alles erzählen." "Aber meinen Kahn, den darf ich doch nicht verlieren, dann würde Großvater wieder sagen..." "Beruhige dich Bürschchen, den Kahn können wir auf die Jacht heuern!" "O, danke", flüstert Julian glücklich und sitzt neben dem Steuermann nur staunend auf dessen Jacht. Bald schon haben sie den Landeplatz erreicht, an dem viele Schiffe kommen und auf See starten. Echoschüsse durchtönen die Insel. Wie geheimnisvoll für Julian alle Eindrücke sind. Uwes Jacht, auch sein kleiner Kahn sind sicher angelegt und unter vielen Menschen, es scheinen Touristen oder auch Händler zu sein – erklingen fröhliche Lieder über die See. Der große Freund nimmt nun seines Findlinges Hand und geht mit ihm über eine leicht schwankende Holzbrücke. Nun führt er ihn über eine Steintreppe hinauf – und schon bald stehen sie vor einem unter Bäumen versteckten Landhaus. "Was für eine romantische Ritterburg", ruft Julian begeistert, aber zittert gar arg."Das ist mein Heim, Junge - und es wird dir gewiss bei mir gefallen. Du brauchst wirklich keine Angst zu haben, zitterst ja am ganzen Körper!" "O, nein, ich fürchte mich nicht, nur friere ich ein wenig." "Begreiflich, Bub, bist ja völlig durchnässt. Aber eine warme Dusche und ein kräftiges Frühstück werden dich bald wieder aufmuntern. Doch wie heißt du denn, mein kleiner Findling?" "O, entschuldige, ich bin der Julian Götz, der Enkelsohn von Großvater Olaf. Er nennt mich oft Julchen und Nachbarin Grete mit ihrem Mann Johannsen ebenso. Aber Julian klingt viel männlicher, stimmt`s Uwe?" "Ja, Julian, nun aber rasch ins warme Bad. Danach werden wir gemeinsam frühstücken!" "Danke, Uwe, wie lieb du bist!" Bald schon sitzen die Beiden auf der nun sonnigen Hausveranda – und Uwe freut sich über den gesunden Appetit seines kleinen und so hungrigen Freundes. Geduldig wartet er, was sein "Findling" ihm wohl von seiner Schatzinsel und dem Engel berichten mag.........

 

4. Teil

 

"Julian, er kann nicht an Gott glauben, dein Großvater?" "Nein, Uwe, er kann es wirklich nicht. Deshalb muss ich doch die Kristalle finden und darf nicht mehr lange warten, weil er so krank ist – und vielleicht schon bald sterben muss. Dann wird man mich in ein Heim bringen, weil ich doch erst 8 Jahre alt bin. Nein, in einem solchen möchte ich nicht leben. Und weil ich nur ein armer Fischerjunge bin, werden mich die Kinder noch mehr verspotten, als die meisten meiner Mitschüler es schon taten. Nur meine Lehrerin ist lieb. Am liebsten aber ist Großvater, immer war er so gütig zu mir, auch wenn Grete meint, dass er ein störrischer Dickschädel sei." Eifrig erzählt Julian von seiner kleinen Welt in der abgelegenen Fischerbucht, von all den spannenden Erlebnisphasen, die trotz der häuslichen Misere sein Bubenherz beglücken konnten. Nicht nur Gretes Geschichten aus der Bibel wurden lebendig, sondern auch der unbekannte Ahne und Abenteurer in Dänemark. Uwe ist gerührt und spürt, wie ein sanfter Schauer ihn durchströmt. Versunken schließt er im inneren Schauen die Augen. Auch Julian schweigt. Dabei betrachtet er den wildromantischen Garten, der in seiner Fantasie wirklich wie eine Schatzinsel ausschaut. "Ja, hier könnte ich sie auch finden, die Kristalle für Großvater", ruft er begeistert – und Uwe erwacht. "Die Sage ist doch wahr", beteuert eifrig sein kleiner Freund! "Und vielleicht bist du wirklich der Engel, Uwe, aber weißt es nur nicht mehr ? Auch der Ahne aus Dänemark könntest du sein, doch, so könnte ich ihn mir vorstellen!" "Nein, Julian, du irrst. Aber ähnliche Geschichten hat man sich auch in meiner Bubenzeit erzählt, doch ich fragte mich damals oft, ob sie glaubwürdig sein könnten?" Nachdenklich schauen sich die Beiden an. Julian seufzt. "Grete wusste auch nicht so recht, ob man wirklich noch an die Sage glauben kann, aber sie ist doch so schön und geheimnisvoll!" " Ist sie es wirklich, Julian ?" "Doch, Uwe – das ist sie!" Und nur flüsternd, um das Geheimnis nur allmählich erwachen zu lassen, erzählt nun Julian aus seiner Sicht diese Sage: "Da war ein heiliger, starker Engel, der lange Zeit neben einem verborgenen Berg der Schatzinsel gelebt hat. Er musste sie behüten, denn wenn böse Menschen als Diebe kamen, um sie auszuräubern, durfte er den lieben Gott bitten, diese Räuber durch die Luft wirbeln zu lassen. Danach mussten sie so lange in einer finsteren Höhle warten, bis sie erkannt hatten, warum sie so böse sein konnten. Wenn sie sich zu bessern versprachen, durften sie wieder die Höhle verlassen, aber von der Insel nur wenige Kristalle mit nach Hause nehmen. Gott wollte sie erst prüfen, ob sie dann auch ehrlich bleiben würden. Es kamen aber auch immer wieder ganz arme und gütige Menschen auf die Insel und der Engel begrüßte sie liebevoll. Alle dachten, dass er nur ein Mensch sei, weil er keine Flügel, aber ein solch schönes, strahlendes Gesicht hatte. Immer schritt er dann mit diesen Menschen zu einem versteckten Schatzinselbeet – und ließ sie viele Kristalle aufsammeln. Der Engel soll dann auch mit seinem unsichtbaren Freund gesprochen haben, Jesus, und ein Lichtstrahl fiel dann durch die Wolken, besonders in dunklen Nächten, nach denen sie nicht nur Kristalle fanden, sondern sicher die Insel verlassen konnten. In ihrer Heimat dankten sie dem lieben Gott für all seine Liebe, von der sie wieder anderen Menschen erzählten. Die begannen dann auch an Gott zu glauben. Ja, so entstand dann nicht nur diese Sage, sondern für so viele auch ein ganz neues Leben, ohne Leid und Sorgen. Ist das nicht wunderbar, Uwe?" "Doch, Julchen, diese Sage ist wirklich wunderschön !" "Uwe, warum nur kann Großvater nicht an Gott glauben? Er ist doch wirklich kein böser Mensch, sondern so lieb. Wenn ich doch nur schon die Kristalle gefunden hätte, dann würde er ganz bestimmt an Jesus glauben – und sogar einen Arzt finden, der ihn ohne Geld gesund machen könnte. Schon so lange habe ich geahnt, dass nur Jesus all diese Liebe verschenken kann. Und heute, als ich in dem Sturm plötzlich sein Licht sah, ja, sogar seine Stimme hörte, da wusste ich wirklich, dass es ihn gibt. Komm, Uwe, lass uns schnell durch deinen Garten laufen, denn auch in ihm können wertvolle Kristalle verborgen sein! Großvater braucht doch dringend Hilfe, nein, er darf nicht sterben. Und ich muss noch heute mit dem kleinen Kahn über die weite Ostsee zurückrudern! Aber ob ich es mit dem einen Ruder schaffen werde?" "Wir werden mit meiner Jacht gemeinsam über die See fahren, Julian, schon am Abend werden wir bei deinem Großvater sein. Nur muss ich mich für eine Weile ausruhen, bin ich nach einer längeren Reise müde. Schau, dort oben – wo der letzte Teil meines Gartens eingezäumt ist, kannst du schon auf die Suche gehen. Nimm das Brotkörbchen mit, darin kannst du deine Schätze einsammeln." "O, danke, danke lieber Uwe, ja, schlafe dich nur gründlich aus!" Und schon springt Julian davon........ Während seiner eifrigen Suche im geheimnisvollen Schatzinselgarten flüstert er fragend vor sich hin: "Ob er nicht doch der Engel ist?"

 

5. Teil

"Grete, wenn dem Jungen etwas passiert ist, dann kannst du deinem Gott den letzten Gruß bestellen, dass er wirklich der größte Versager ist." "Beruhige dich Olaf, versündige dich nicht noch mehr. Was kann denn Gott dafür, wenn der gute Bub dir helfen will?" "Du hast dem Jungen doch hauptsächlich mit deinen dämlichen Geschichten den Kopf verdreht, nein, mit dem ist wirklich nicht gut Kirschen essen, mag dein Johannsen auch den schönsten Kirschbaum im Garten haben." "Ja, Olaf – und unter diesem sitzt er auch und betet für dich und besonders für Julian." "Quatsch, Grete, nach einem solchen Sturm kann der Junge nicht mehr leben, er liegt bestimmt im tiefen Grund der mörderischen See. Zumindest kannst du mir noch einen letzten Gefallen tun, alte Betschwester. Wenn ich gestorben bin, werfe mich mit deinem Alten ebenso in dieses gierige Haifischmaul, das ganz bestimmt schon draußen im Seegrund auf mich lauert. Ja, dort soll mein Grab sein, neben meinem Julchen und seinen Eltern." Unter einem erneuten Hustenanfall tobt Olaf nur wahnsinnige Wut aus, aber auch seine ihm unbewusste und verdrängte Liebe. "Meine letzten Ersparnisse sollen dir gehören, Grete, sie liegen dort oben in der kleinen Kiste im Schrank. Das Geld hatte ich zwar für Julian gespart, aber er ist tot, ja, mein lieber, kleiner Enkelsohn ist tot." Tränen fließen dem alten Mann übers Gesicht und Grete leidet mit ihm in stummer Verzweiflung. "Christus", flüstert sie lautlos vor sich hin, "du hast doch auch deine Jünger im Boot einen Sturm überleben lassen." Ob ich Julian nicht auch diese biblische Geschichte erzählt habe? Das hätte dem Bub Mut gemacht. Erkannte ja schon so vieles aus dem Religionsunterricht seiner Schule – und Johannsen und ich halfen ihm, dass er sie auch begreifen konnte. Doch immer wieder funkte Olaf dazwischen. Deshalb habe ich ihm auch andere Geschichten erzählt, aber hätte ich ihm die Sage von der Schatzinsel verschweigen sollen? Weiß ich doch, dass der Bub alles sehr ernsthaft durchdenkt. Nur mühsam vermag Grete ihre Schuldgefühle unterdrücken, so wie der einsame Uwe, der auf seinem Lager liegend – sich nach langer Zeit wieder bewusst mit seinem Leben auseinandersetzt..... Uwe stöhnt flüsternd: "Gott, du sandtest mir diesen kleinen Engel, um aus der Sinnlosigkeit meines Lebens zu erwachen. Ich wollte damals nicht mehr Arzt sein, als mir meine geliebte Frau unter den Händen verstarb. Noch heute sehe ich sie im Garten sitzen, mit unserem Baby im Arm. Obwohl sie mich über alles liebte, erzählte sie mir so oft von ihrem Unsichtbaren und seiner Liebe, die kein Mensch jemals geben kann. Auch du brauchst ihn Uwe, versuchte sie mich so oft verträumt zu überzeugen, aber ich war töricht und eifersüchtig, auf dich Gott!" Wie ein Film lief nun alles vor Uwes geistigen Augen ab. Diese schreckliche Seuche, deren Virus noch unbekannt war, den Tod seines Babys, welches seine Rose ihm geschenkt hatte. Dennoch schenkte sie mir ihr letztes Lächeln im stummen Dank. O, Rose, sicherlich wolltest du mich damals noch von dieser göttlichen Liebe überzeugen, die unsterblich ist. Arzt konnte ich danach nicht mehr sein, ließ mich als Weltenbummler über Meere treiben, um zu verdrängen, zu vergessen. Während er nun gründlich eine Tasche sortiert, weiß Uwe, dass er in seinem kleinen Findling nicht nur sich, sondern Gott im Neubeginn gefunden hat. Und das in einer tiefen Gewissheit und unbeschreiblicher Gnade. "Uwe, hast du ausgeschlafen?" Mit jubelnder Bubenstimme weckt Julian seinen großen Freund auf. "Ich habe ihn gefunden, den Schatz, schau, wie voll das Körbchen ist. Und ich habe nicht nur Kristalle gefunden, sondern auch die wunderschönen Perlen, die sicherlich auch wertvoll sind? Das sind sie doch, Uwe?" "Ja, Julian, alles ist wertvoll, was der liebe Gott geschaffen hat, aber das reichste Gut ist die Liebe." "Die Liebe, Uwe? Aber Großvater ist doch auch so lieb, obwohl er eigentlich recht hässlich ausschaut. Er ist ja auch schon 75 Jahre und ältere Menschen sind dann meist nicht mehr so schön." "Ach, Bub, es ist doch nicht die äußerliche Schönheit entscheidend, um Menschen mit den Augen der Liebe zu sehen. Nein, Junge, das ist wirklich nicht wesentlich!" Überrascht und fragend schaut Julian ihn an. "Julchen, es gibt so viele schöne Menschen, die dennoch lieblos sein können – und oft weitaus weniger schöne Menschen Typen, können sehr warmherzig und gütig sein. In der Tiefe des Herzens haben sie eine wunderschöne Ausstrahlung. Noch bist du aber zu jung, um solche Erkenntnisse zu begreifen. Aber auch vielen Erwachsenen fehlt oft diese sehr ernsthafte Einsicht. Nur die Liebe Gottes kann uns allen helfen, sie immer wieder neu zu entdecken." "Wie schön du das gesagt hast, Uwe, daran werde ich immer denken.... Könnte ich Großvater doch noch überzeugen", seufzt der kleine Held. "Julian, lass uns aufbrechen, denn wir wollen ja möglichst bald bei ihm sein." Und zuversichtlich tröstet Uwe seinen kleinen Freund, dass es ganz gewiss nicht zu spät sein wird, um seinen Großvater zu retten!

 

6. Teil

 

"Dort ist der schöne Strand von Grömitz, Uwe – und hinter dem alten Deich unsere Kate!" Natürlich kennt Uwe auch diesen wunderschönen Strand, findet rasch den Anlegeplatz für seine Jacht, während Julian seinen kleinen Kahn in eine Ecke stellt. Mit der Tasche in der Hand eilen die Beiden in eine ärmliche Fischer Behausung, die Uwe noch nicht kennt. Aber Julian ist ein guter Führer und gemeinsam stampfen sie sich bald durch einen groben und steinigen Kiesboden. In der beginnenden Dunkelheit schimmert nun die Ostsee im grauvioletten Farbspiel. Der Himmel und die See scheinen ineinander zu fließen, aber der ferne Horizont leuchtet kaum noch in sichtbaren Konturen. "Uwe, hier leben wir, Großvater und ich!" Schon jubelt er freudigst dem alten Mann zu: "Großvater, schau – wen ich mitgebracht habe! Das ist Uwe, mein neuer Freund ! Lieber Großvater, er hat mich auf der See gerettet – und er ist doch bestimmt der Engel von der Schatzinsel. Ja, die Sage ist doch wahr. Schau, die Kristalle und die Perlen. O, Großvater, das Körbchen ist voll und ich durfte sie von Uwes Inselbeet einsammeln. Schon bald werden wir sie verkaufen und du wirst wieder gesund werden!" "Quatsch, Junge, das sind weder wertvolle Kristalle noch Perlen, nur solche feine Marmorsteinchen, wie sie die Reichen in ihren Gärten haben. Und dieser fremde Mann aus Fleisch und Blut ist auch kein Engel, doch wenn er dich gerettet hat, will ich ihm danken !" Während eines argen Hustenanfalles bäumt sich der Alte auf und nieder und sieht in diesem Zustand wirklich erbärmlich aus. Die hervorgequollenen Augen erinnern an ein schmutziges Gewässer, die lange Adlernase über dem eingefallenen Kiefer lässt das stoppelbärtige Gesicht wie ein unergründliches Raubtier ausschauen – und der zottige Bart könnte zu einem alten Ziegenbock passen. Gerührt muss Uwe an einen Zirkusclown denken, zumal das von vielen Falten durchzogene Gesicht sich unter Tränen in einer eigenartigen Faszination verändert. Neugierig, aber auch misstrauisch fragt er keuchend den Fremden: "Sind sie vielleicht ein Spion von der Behörde, die mir mein Enkelkind erneut zu rauben versucht? Na, in diesem Zustand wird es denen nun endgültig gelingen. O, Julchen, mein liebes, liebes Julchen!" Nach einem Hustenanfall krächzt er weiter: "Ist man ihnen als armer und hilfloser Schlucker doch nur gnadenlos ausgeliefert!" Erregt und verbittert nimmt er schluchzend Julian in die Arme, um ihn ein letztes mal noch behüten zu dürfen. Julian streichelt ihn liebevoll. "Beruhigen sie sich Herr Götz, ich bin bloß Arzt und versuche, so Gott will, ihnen zu helfen." "Quatsch, niemand kann mir mehr helfen, weder ihr Gott – noch sie. Doch ich vergaß, wie ist ihr Name?" "Doktor Uwe Lindner, nennen sie mich aber schlicht – Uwe – einverstanden?" "Klar, Großvater", unterbricht ihn Julian, "Uwe kann dich Olaf nennen, hat er mich doch auch soo lieb! Und ich glaube ganz fest, dass er dir helfen kann. Aber du bist Arzt, Uwe ? Das hast du mir ja noch gar nicht gesagt!" "Ja, Bub, das war ich auch lange Zeit nicht mehr.... Vor vielen Jahren war ich jedoch ein sehr brauchbarer Arzt, bis zu dem Zeitpunkt...." ---- "Na, vielleicht sind sie nicht ein Quacksalber von der Sorte", stöhnt Olaf, die nur leere Versprüche macht." Erschöpft legt sich der alte Mann auf sein zerwühltes Kopfkissen nieder. "Wollen wir herausfinden, zu was ein sogenannter Quacksalber noch fähig ist", versichert Uwe in der derben Fischersprache lächelnd, wonach er ein Stethoskop aus der Tasche holt. "Einatmen, Olaf, Luft anhalten, ausatmen! Nein, so klappt es nicht, sie müssen schon etwas ruhiger sein!" Energisch zieht Uwe ihm gänzlich das Hemd aus, um den abgemagerten Oberkörper gründlich abzutasten. Ein erneutes Abhören mit dem Stethoskop beginnt... Nach einer längeren, gründlichen Untersuchung kann der Arzt endlich eine erste Diagnose stellen. "Eine akute Lungenentzündung, Uwe ? Wird Großvater sie überleben ?" "Das wollen wir doch hoffen, Bub!" "Hurra, Großvater du wirst gesund!" Julian umarmt den alten Mann, während Uwe nachdenklich durch das geöffnete Fensterchen schaut. Am Nachtblauen Firmament beginnen erwachende Sternlein zittrig zu funkeln. "Ich friere", stöhnt Olaf, "Julian, kannst du den Herd anfeuern?" "Aber sicher, Großvater", und unter einem glücklichen Kinderlachen schimmert schon bald ein rötlicher Schein durch die Stube. Neben dem niedrigen Herd steht das Bett von Julian, unter dem Fenster ein klobiger Tisch, um den schon recht klapprige Stühle stehen. Uwe setzt sich auf einen nieder. Zwischen Herd und Tisch ist gerade noch Platz für den schmalen Holzschrank. Alles hat Olaf selbst gezimmert. Welch eine Armut, sinniert Uwe, während er nachdenklich zu Olafs Lager blickt. Sein Bett hat er in der rechten Stube der Ecke eingebaut. Der Kranke schaut ihn forschend an. "Werde ich wirklich wieder gesund werden, sie großer Held ? Wie gerne würde ich zumindest noch so lange mein Enkelkind behüten, bis es mündig ist." "In dieser Umgebung nicht, Olaf, das müssen sie einsehen, aber Gott wird die Lösung finden, davon bin ich fest überzeugt." "Quatsch, schon wieder kommen sie mit ihrem Gott, nein, sie schlauer Arzt, das schlagen sie sich aus dem Kopf !" "Julian hat mir von ihrem bitteren Schicksal erzählt, Olaf, und ich kann sie gut verstehen, dass sie ihren Glauben verloren haben." "Glauben, kann man denn den verlieren ? Möglich, dass ich noch als Kind geglaubt habe, pflegten meine Eltern von Christus wunderbare Geschichten zu erzählen. Aber solche Wunder habe ich nie erlebt. Alles Unsinn!" Nur die harte Realität zählt und die erbärmliche Skrupellosigkeit! .... Mir ist so übel!" Julian springt hinaus, um aus dem Trog frisches Wasser zu pumpen, das Olaf gierig trinkt, während sein Magen erheblich knurrt. "Großvater, bist du hungrig, hat Grete dir nicht meine Fischsuppe von gestern gegeben?" "Doch, Junge, das hat sie versucht, aber ich brachte nichts hinunter. Sicherlich sitzt sie drüben und heult – oder betet mit ihrem Johannsen. Werden die Beiden doch glauben, dass du in der See ertrunken bist ! Dachte ich doch auch, Bub! Solch einen mörderischen Sturm kann doch kaum jemand überleben." "O, dann muss ich sie noch schnell besuchen, ja, das muss ich wirklich. Sind sie doch so lieb! Tschüss, bin bald wieder zurück!" Und flink rast Julian zu seinen gütigen Nachbarn........

 

7. Teil

 

Sprachlos, aber überaus glücklich kann Grete ihren Julian in die Arme nehmen, während sich folgender Dialog in der gegenüberliegenden Kate vollzieht. "Schauen sie Olaf, dieser Junge ist doch schon ein Wunder, ja, ein kleiner Engel, der auch mich das endlich erkennen ließ." Uwe erzählt nun seine Lebensgeschichte und hält dabei in gütiger Zuversicht die zittrige Hand, Olafs ... "Wie sinnlos wäre mein Leben geblieben, wenn Gott mir nicht Julian geschickt hätte. Sie können noch einige Jahre leben, Olaf, ja mit dem Jungen glücklich sein, nur brauchen sie dringend Hilfe, die ich ihnen hier nicht geben kann. Drüben, auf der anderen Seite des Lübecker Strandes habe ich ein viel zu großes Haus – und wir alle könnten gemeinsam darin leben." "Dafür wird meine Kraft nicht mehr reichen", stöhnt Olaf resigniert, "nein, einen alten Baum kann man nicht mehr verpflanzen!" Noch bevor Uwe antworten kann, kommt Julian zurück. Jubelnd und fast atemlos umhalst er den kranken Mann. "Großvater, ich habe die letzten Worte noch gehört, Gott kann doch alles, ja, sogar noch einen alten Baum verpflanzen. Lieber Uwe, du willst uns mit auf deine Insel nehmen? Doch, in dieser "Schatzinsel" wirst du wieder gesund, Großvater – und den Glauben wirst du dann auch wieder finden! Hurra! Alles wird gut!" Plötzlich stehen Grete und Johannsen in der Stube und staunen nur sprachlos über das Ereignis. Dann beginnt sie zu weinen, die treue Seele – und Olaf muss mit ihr heulen, ja, er schluchzt tatsächlich wie ein kleines Kind. In seinem Herzen scheint ein Staudamm geöffnet zu sein und erregt stammelt er diese Worte hervor: "Gott, ich will ja wieder an dich glauben, wenn du uns nur hilfst!" "Er wird uns helfen, Großvater, doch – das wird er tun!" So dankbar und verträumt erzählt Julian nun von seinem großen Freund, der ihn in Seenot und aus Todesgefahr gerettet hat. Alle werden von dieser Ursehnsucht göttlicher Liebe berührt und sogar der gläubige Johannsen kann nur ein Schluchzen kaum unterdrücken. Olafs Misstrauen ist in sich zusammengeschmolzen – und er schläft allmählich in einen tiefen Erschöpfungsschlaf. Leise flüstert man noch längere Zeit über diese große Wende... Die lieben Nachbarn bitten dann den Arzt, ihr Nachtgast zu sein – und er nimmt ihre Gast – Freundschaft dankbar an. Julian strahlt! Glücklich winkt er den Lieben nach, um nun auch völlig übermüdet sich in sein Bett zu verkriechen. "Danke, lieber Gott, lieber Jesus", flüstert der Bub im innigen Nachtgebet, während sein großer Freund ihn ganz gewiss liebevoll umwacht. Auch eine weiße Friedenstaube schaut noch neugierig durchs Fensterchen, nickt mit ihrem Köpfchen zufrieden, um in einem gleitenden Tanz in eine Nacht hinaus zu fliegen, die sich voller schöpferischer Fantasie über die Ostsee gebeugt hat. Gurrend berichtet sie bald ihrer Vogelfamilie... von einer anderen Sage – um die sie instinktif ahnt, wie sie weitaus spannender sein wird. Aber sie soll noch im Geheimnis bewahrt werden, bis ihre Kleinen flügge geworden sind.

 

8. Teil

Einige Wochen später. Man erkennt ihn nicht mehr wieder, den lieben Großvater, denkt Julian so dankbar. Durch die wässrigen Augen Olafs strahlt eine gütige Seligkeit. Der einstig eingefallene Kiefer lächelt mit der neuen Prothese in mutiger Zuversicht und der Zottelbart, so wie die zuvorigen , ungepflegten gelbweißen Haare, trägt er nun in einem ordentlichen Schnitt. Trotz seiner vielen Falten strahlt er eine schöne Verinnerlichung aus. Ja, Olafs Kur ist erfolgreich beendet – und Uwe war ihm nicht nur Arzt, sondern mehr ein menschlicher Engel. "Du bist gesund, Großvater", versichert Julian so glücklich und Olaf nimmt ihn gerührt in die Arme. "Junge, dass ich das noch erleben durfte, o, Julian, nun werde ich Gott nicht mehr davonlaufen!" Uwe hört noch diese letzten Worte, als er seine Lieben auf der Veranda findet. Unter dem strahlend blauen Himmel leuchtet draußen die See wie der schönste Moosteppich in goldgelber Umrandung. "Olaf, nicht nur Gott sollst du davon laufen, sondern auch uns nicht. Benötigen wir dich sehr. Lächelnd setzt Uwe sich nieder. "Ja, Uwe, das stimmt, unsere Schatzinsel ist doch ziemlich verwildert, stimmt`s ? O, da wollte ich doch noch ein Geheimnis ergründen, droben im Inselbeet !" Und schon flitzt Julian hinauf. Die zwei Männer wissen, des Bübchens Fantasie ist grenzenlos. "Schau, Olaf, wie froh und glücklich der Junge ist, schon bald werde ich eine Haushälterin finden müssen, und du kannst als unser Hobbygärtner die "Schatzinsel" verschönern. Seine Ferien gehen zu Ende, er muss schon bald zur Schule – und ich habe einen geeigneten Weg entdeckt, damit er weiterhin die gleiche Schule aufsuchen kann. Auch werde ich meine Arztpraxis bald fertig haben, um hier auf der Insel noch möglichst vielen Menschen zu helfen. Gemeinsam aber wollen wir herausfinden, welche Talente in Julian schlummern, denn diese wollen wir mit Gottes Hilfe zur Entfaltung bringen." "Ja, Uwe, das wollen wir für mein Enkelkind tun!" "Dein Enkelkind, Olaf ? O, nein, Julian wird nun auch bald mein Kind sein, das ich möglichst bald adoptieren werde." "Quatsch...." "Olaf – schon wieder Zweifel ?" "Entschuldige, Uwe, ich dachte doch nur, dass man dafür auch eine Mutter braucht!" "Und unsere Gesetze, Uwe?" "Olaf, bete lieber für mehr Gerechtigkeit, denn nur so wirst du frei von letzter Verbitterung. "Recht hast du, großer Arzt – und Gott wird dir sicher auch noch eine Frau über den Weg führen. Bist mit deinen 5O Jahren doch noch im besten Mannesalter, und ich – na, nicht minder. Alles klar?" Lächelnd schaut Uwe ihm nach, als sein liebenswerter Olaf in den Garten geht, um seine Männlichkeit durch Gärtnerkunst unter Beweis zu bringen. Es blitzt in Olafs Augen freudigst auf, als er hinter einer verwilderten Hecke sein lustiges Julchen entdeckt. "Die muss zuerst beschnitten werden", murmelt er entschlossen vor sich hin, "denn wilde Dornenzweige findet man nicht in der "Schatzinsel Sage"! Quatsch, auch Dornen lässt Gott in allen Inselgärten dieser Welt wachsen, wandern seine Gedanken hinauf in das tintenblaue Firmament, aus dem er, der Allmächtige einen goldenen Sonnenstrahl in sein Herz fallen lässt. Fast einem keuschen Kuss ähnlich. "Vergib mir, Ewiger", flüstert Olaf ergriffen – und ahnt noch nicht, das dieses Gebet von seinem Julian schon bald in einem anderen Verlauf eines Neubeginnes gestartet wird.

 

9. Teil

"Ja, das könnte sie werden, Uwes Frau und meine Mama", flüstert Julian vor sich hin, während er seine Lehrerin Marina grübelnd betrachtet. Sie ist zwar ein wenig schüchtern, kann aber auch energisch werden, wenn Kinder lieblos sind. Nein, Ungerechtigkeiten mag sie nicht leiden, denn wie oft hat sie mich vor frechen Mitschüler beschützt, ja, regelrecht verteidigt, als ich noch so arm war – und mit Großvater alleine lebte. Jetzt werden sie mich nicht mehr verspotten, überlegt er nachdenklich, denkt unwillkürlich an Uwe, mit dem er vor wenigen Tagen diesen bequemen Schulweg kundig machte. "Julian, träumst du?" Alle Kinder lachen! Natürlich schämt er sich über die Rüge und stammelt auf die Frage seiner Lehrerin eine Entschuldigung hervor. Erneut lachen die Schüler ihn aus. " Ruhe Kinder!" Frau Weigand klatscht zur Bekräftigung in ihre Hände, worauf es im Klassenraum fast augenblicklich still wird. "Wir haben heute erst den zweiten Schultag, Kinder! Sicher habt ihr nach den langen Ferien vieles erlebt? Vielleicht auch manch ein spannendes Abenteuer? Darüber könnt ihr eine Geschichte schreiben – und ich glaube, dass Julian von einem besonderen Erlebnis zu berichten weiß ? Hat es doch sein bisheriges Leben völlig verändert!" Flüchtig erzählt nun die Lehrerin von Julians neuer Heimat und dem großen Glück, von dem er ihr am gestrigen Schultag eifrig zu erzählen verstand. Während der Pause konnte sie es kaum fassen, dass der Junge unter einer solchen Voraussetzung nun in sein 3. Schuljahr eintreten durfte. Vor allem aber war sie so dankbar, wie sich besonders dieser arme Bub durch ihren Religionsunterricht im kindlichen Glauben geöffnet hatte. Alle Schüler staunen und schauen Julian, den armen Fischerjungen an. Ob er nicht geflunkert haben mag, um......? Der betrachtet seine Lehrerin nur stumm und dankbar, während es in der Klasse immer unruhiger wird. Ja, die Schüler sind kaum noch zu bändigen, zumal die Geschichte mit Julian kaum zu fassen ist. So viele Eindrücke haben sie nach den langen Sommerferien zu verkraften und Marina ahnt, dass sie heute kaum zu einer Konzentration fähig sind. "Kinder, mag dieser Kurzunterricht für heute genügen!" "Hurra, brüllen alle begeistert" und flitzen aufgeregt durch den Klassenraum hinaus. Niemand achtet auf den gelähmten Jonas Braun, der in seinem Rollstuhl sitzend sich nur mühsam inmitten der wilden Meute hinauswagt. Fast wäre er gekippt, der arme Junge – und bevor Julian ihm zu helfen versucht, schiebt ihn die gütige Lehrerin hinaus. "Tschüß", hört man noch einige Schüler rufen – und Julian schlendert nun auch gedankenversunken seinem Inselheim entgegen. Eine Idee lässt ihn nicht los. Uwe könnte doch bestimmt auch Jonas gesund machen, müsste einstige Kinderlähmung doch auch zu heilen sein? Und Marina könnte seine Frau werden, ja, das wäre prima. Ich muss ihn bestürmen, überlegt er hoffnungsvoll, bloß – wie kann es mir gelingen? Uwe hat gestern nach einem flüchtigen Gespräch mit ihr zwar Großvater gesagt, dass sie nett sei, war jedoch schon bald wieder in seiner Praxis verschwunden. Welch ein Chaos in den letzten Tagen. Julian seufzt .......... Alles war ziemlich anstrengend. Räume wurden verändert, Geräte gekauft und aufgestellt, Medikamente und Spritzen in Regalen einsortiert – und so manches Zeug entsorgt. Nun kommen schon mehrere kranke Menschen zu Uwe – und er hat viel zu wenig Zeit für mich. Wäre doch Grete mit ihrem Johannsen in unserem Haus, aber sie wollten in der Bucht bleiben, ach, wie schmerzte der Abschied. Nun, das neue Hausmädchen Ida Kraus ist zwar auch sehr lieb – und ihr Essen schmeckt prima. Aber sie hat zu wenig Zeit! "Lieber Gott, hilf auch jetzt wieder eine Lösung finden", flüstert Julian vor sich hin, während er seine Bucht erreicht hat. Schon bald flitzt er in die Küche. O, heute gibt es sein Lieblingsgericht. Pfannenkuchen mit Apfelbrei! Großvater schmunzelt über sein hungriges Julchen, aber auch Uwe, der nach einer kleinen Plauderei schon wieder all zu rasch die kleine Tischgemeinschaft beenden muss. Patienten warten auf ihn. "Ach, Großvater, er braucht eine Frau – und ich habe eine gute Idee!" Olaf hört sich diese unter gemischten Gefühlen an. "Julian, das ist zwar alles gut und schön, was du mir erzählst, aber sie ist doch Lehrerin. Und gewiss wird sie ihren Beruf nicht aufgeben wollen. Auch Uwe ist viel zu beschäftigt, um für eine Frau Zeit zu haben." "Doch, Großvater, er wird sogar noch mehr Zeit haben, auch für uns! Schau, du bist schon 75 Jahre – und weißt so wenig von der neuen Lehrmethode in der Schule." "Quatsch, Junge, dieses moderne Zeug braucht niemand, um das Leben zu meistern!" "Aber – Großvater, dann hätte Uwe auch niemals Arzt werden können!" "Ja, da hast du auch wieder recht, ach Julian, so viele Dinge muss ich alter Fischer neu begreifen lernen." "Sei nicht traurig, Großvater, du bist doch so geschickt – und – so vieles durfte ich von dir lernen. Lass uns gemeinsam den lieben Gott bitten, dass Frau Weigand zu uns kommt. Uwe wird sie ganz bestimmt bald lieb haben und Marina ihn ebenso." "Gut, Junge, wenn es Gottes Wille sein sollte?" "Doch, davon bin ich überzeugt. Ich spüre es ganz tief im Herzen! Wie bei dir, damals!" "So will ich Christus bitten, dass er dir deinen Wunsch erfüllt, Julian." "Danke, Großvater, o, danke!" Und schon rast Julian hinaus. Besorgt schaut Olaf seinem Enkel nach, der wohl draußen im Garten seine Schulaufgaben macht. Der Junge ist wirklich zu einsam, wird ihm bewusst, während Ida den Tisch abräumt. "Danke, Mädel, hat uns allen prima geschmeckt!" Nachdenklich beobachtet sie Olaf. "Schade, dass du nur als Halbtagskraft bei uns wirken kannst. Bist mit deinen 2O Jahren schon so tüchtig, musst ja auch noch für deine Familie sorgen. Sicher werden sie schon auf dich warten." "Ja, Herr Götz, meine Eltern benötigen mich sehr, gibt es auf unsrem kleinen Bauernhof viel zu tun. Die Kartoffelernte steht bevor, auch da wird jede Hand gebraucht!" "Dann geh geschwind nach Hause, Ida, das Geschirr kann ich selbst abwaschen!" "O, danke, Herr Götz, sie sind so gut zu mir! Ja, dann auf ein Wiedersehen – bis morgen!" Ein fleißiges Mädchen, denkt Olaf, während er seine Arbeit verrichtet. Doch, Julian hat recht, Uwe braucht eine Frau und der Junge eine Mutter. "Christus, du wirst wieder eine Lösung finden", murmelt er betend vor sich hin, welche Julian nicht nur am nächsten Tag, sondern auch in den darauffolgenden Tagen zu ergründen versucht. Aber hauptsächlich während des Schulunterrichtes ??????

 

1O. Teil

Marina Weigand beobachtet erstaunt und nachdenklich ihren erheblich zerstreuten Schüler. Was mag nur in ihm vorgehen? Erfahrungsgemäß weiß sie doch, dass er ein kluger Bub ist. Jedoch hat er sich verändert, lässt seine Konzentration mehr als zu wünschen übrig..... Wahrscheinlich muss er die Phase seines neuen Lebens besser verkraften lernen, ja, das wird die Ursache sein, versucht die Lehrerin noch schweigend Julian zu begreifen. "Doch, Uwe muss sie kennenlernen, sie ist doch so lieb", flüstert Julian vor sich hin – und brütet unter solchen Gedanken seine Arbeit durch. Plötzlich hört er Schüler den gelähmten Jonas verspotten, ist er doch tatsächlich eingeschlafen? Andere versuchen dem armen Jungen noch einen Streich zu spielen, was aber Frau Weigand energisch verhindert. "Schämt euch", schimpft sie nun die Lausbuben aus, "ich werde nun eure Väter in die Schule bestellen!" O, Julian ist erregt, nun hat er die Lösung gefunden! "Ja, nur so kann es gelingen", flüstert er begeistert – "und schon heute werde ich damit beginnen. Der Plan ist zwar gemein, aber es muss sein", murmelt er sich Mut zu.... Und nicht nur an diesem Tag, sondern auch in den nächsten behandelt er Jonas ziemlich lieblos. Wieder einmal hat sich der gelähmte Junge abgemüht, ein schönes Bild auf die Klassentafel zu malen, wonach Julian plötzlich das Bild verschmiert. Er beginnt bitterlich zu weinen und die Lehrerin wird wütend. "Jetzt reicht es aber, Julian", schimpft sie ihn tüchtig aus, "solch eine Ungezogenheit ist ja nicht mehr zu ertragen. Morgen wirst du deinen Großvater zu mir bestellen!" "Nein, Frau Weigand, der ist zu alt, um den langen Weg in die Schule zu schaffen!" "Gut, du kleiner Wüstling, dann wirst du deinem Pflegevater, Herrn Doktor Lindner ausrichten, dass ich ihn hier, vor der großen Pause erwarten werde. Und wehe du vergisst es, dann werde ich ihn schriftlich benachrichtigen!" "O, nein, Frau Weigand, das werde ich gerne, sehr gerne tun!" Nur sprachlos schaut die Lehrerin in sein verschmitztes Gesicht. "Sei bloß nicht auch noch so schadenfroh, was bist du nur für ein scheußlicher Bengel geworden, Julian!" Sie tröstet nun besonders gütig den gelähmten Jonas, während fast alle Julian als Held bestürmen.... "Ruhe, das ist ja nicht mehr erträglich, eine Strafarbeit wird unumgänglich sein. Habt ihr meine Nerven reichlich strapaziert!" Noch bevor sie diese erteilen kann – tönt die Klingel zum Ende des Unterrichtes – und alle flitzen unter Toben und Brüllen hinaus. "Später werde ich dir alles erklären", flüstert Julian dem hilflosen Jonas ins Ohr und rast förmlich nach Hause. Atemlos steht er bald schon vor Uwe, der seinen aufgewühlten Bub kaum zu begreifen vermag. Ungezogen und frech soll er gewesen sein? Was erzählt er ihm nun alles noch in seltsamer Verwirrung? "Beruhige dich Bub, morgen werde ich deine Lehrerin aufsuchen. Gewiss werde ich es schaffen, dich aus dieser Misere wieder heraus zu boxen. Alles klar? Junge, hätte ich nur mehr Zeit für dich", "die hättest du, Uwe, mit einer Frau!" "Julian, drei Männer kann die beste Frau nicht so leicht verkraften, zumal sie nicht nur mich, sondern besonders dich sehr lieb haben müsste. Sollen wohl noch eine Männermannschaft bleiben....." Über diesen Scherz kann Julian nur schmunzeln, weniger Uwe, als er am nächsten Tag vor Julians Lehrerin sitzt. Uwe ist nach ihrem ausführlichen Bericht sogar regelrecht entsetzt. Solch ein kleines Ungeheuer soll der Bub geworden sein? Dieser kleine Engel, der zu Hause immer so brav und verständnisvoll ist? Nur sprachlos schaut der Arzt in das zwar gütige Gesicht dieser jungen Frau, erkennt aber auch die Spuren einer Erschöpfung, unter der sie erheblich leiden muss. Ob sie überhaupt für einen solchen Beruf geeignet ist, überlegt er nachdenklich und besorgt. Ein solch zartes Geschöpf kann eine Klasse wilder Lausbuben wohl kaum bändigen, nein, dafür scheint sie zu sensibel zu sein. Wahrscheinlich ist sie restlos überfordert? Doch plötzlich hat er eine Idee! "Es fällt mir schwer, Frau Weigand, sie um einen Gefallen zu bitten, aber als Arzt glaube ich, dass sie eine Erholung bitter nötig haben. In den nächsten Tagen beginnen doch die Herbstferien – und ich wäre ihnen sehr dankbar, wenn sie diese Zeit mit uns verbringen könnten. Wie mir Julian erzählte, haben sie keine Familie – und so könnten sie sich auf unserer Insel nicht nur erholen, sondern Julian helfen, ihm eine mütterliche Freundin zu sein. Danach sehnt er sich so sehr, der arme Bub. Natürlich sind sie noch sehr jung, Frau Weigand, aber sie haben ein gütiges Herz, wie mir Julian so oft erzählte, und könnten seine Not wohl am besten mildern helfen?" "O, danke, Herr Doktor Lindner, allerdings bin ich schon 45 Jahre... und in diesem Alter fühlt man sich nicht immer jung, zumal ich nicht ein leichtes Leben hatte. Schicksalsschläge haben auch mich geprägt. Dennoch nehme ich ihre Einladung sehr dankbar an, wenn ich Julian helfen kann." Dankbar verabschiedet sich Uwe von der netten Lehrerin, die noch eine Weile über den interessanten Mann nachdenkt.... Das Klingelzeichen ertönt! Die Pause ist beendet und Julian stürmt als erster in die Klasse, um Marina forschend zu betrachten."Ja, es scheint geklappt zu haben" flüstert er glücklich vor sich hin, denn schaut sie nicht irgendwie verträumt aus? Fast alle Buben erwarten nun eine Strafpredigt für Julian und sind gespannt. Doch diese entfällt. "Kinder, wollen wir uns nun auf die Ferien freuen, lasst uns die Naturkunde draußen – im beginnenden Herbst erleben!" "Hurra", brüllen alle begeistert – und wandern schon bald durch eine Birkenallee. Sogar die ärgsten Lausbuben werden still im Flüstern und Raunen unter den alten Bäumen, von deren Lebenstraum ihre Lehrerin eine spannende Geschichte erzählt. Und Julian schiebt Jonas in seinem Rollstuhl durch diese schon so buntfarbige Oase. Und was geschah schon bald? "Großvater, haben wir nicht eine liebe Mama bekommen? Schau, wie Uwe sie lieb hat!" "Ja, Julian, Marina ist wirklich lieb – und sogar zu mir – dem alten Fischer. Für immer wird sie nun bei uns bleiben, braucht sich als Arztfrau nicht mehr mit Lausbuben rumärgern. Das sollte lieber ein Mannsbild tun!" "Ach, Großvater, sie war doch eine solch gute Lehrerin, aber ich wollte sie doch für uns haben – und das ist gelungen! Toll! Und nun kann ich noch so vieles von ihr lernen.... Vielleicht werde ich später auch ein Lehrer sein, oder........? Viele Gedanken habe ich schon damals in mein altes Tagebuch geschrieben, nur habe ich sie dir nie vorgelesen, hättest du mich ausgelacht oder sicherlich gesagt: "Quatsch, Junge, werde kein Spinner!" "Julian, nicht immer war ich dein bestes Vorbild, aber Gott hat mich aus dieser Torheit befreit. Entschuldige Bub, lieber Enkel!" "Großvater, du warst doch mein allerbestes Vorbild, denn du hast mich so innig geliebt!" Julian umarmte ihn zärtlich, während Olaf sich Tränen aus den Augen wischt. "O, Großvater, auch Grete und Johannsen müssen wir bald einladen, wie werden sie sich freuen – und wir haben es ihnen doch auch versprochen?" "Das soll baldigst geschehen, Bub, muss man wirklich ein Verspruch einhalten!" "Prima! Doch nun muss ich rasch den Jonas holen, auch das habe ich ihm versprochen. Ist er doch immer mein bester Schulfreund gewesen – und Uwe kann ihn bestimmt noch gesund machen. In irgend einer Reha Kur, meinte Uwe ...." "Natürlich Junge, mit Gottes Hilfe kann auch für Jonas ein Wunder geschehen, nur muss man es Gott auch wirklich zutrauen!" "Danke, Großvater, das musst du auch Jonas erzählen, auch seinen Eltern, sind sie ebenso ziemlich verbittert. Tschüß, Großvater, bis später!" Gerührt schaut Olaf seinem Enkel nach. Ebenso auch Uwe und Marina, die in einer verborgenen Ecke unter einem Lindenbaum sitzen. Unbemerkt haben sie dem Gespräch gelauscht – und sehen sich ernsthaft, aber auch lächelnd an. Große Aufgaben werden auf sie zu kommen, aber es wird ein sinnerfülltes Leben werden. Längst haben sie erkannt, weshalb ihr Julian noch vor wenigen Wochen solch ein kleiner Bengel war, bloß hatten sie nicht geahnt, warum das kluge Bürschchen sich diesen Plan ausgedacht hatte............ "Meine Marina, ich habe dich sehr lieb gewonnen", flüstert Uwe zärtlich – und Marina schaut ihn innig an. "Ja, unser "Findling" hat uns zusammengeführt, Uwe, und mit diesem kleinen Engel dürfen wir wohl noch mit wundersamen Überraschungen rechnen." "Mögen Stürme immer wieder nicht nur auf weiter See, sondern ebenso inmitten des Lebens "wüten", bestätigt Uwe unter dem schützenden Laubdach des Baumes. Im Sonnenlicht flimmern die Blätter, verwandeln sich allmählich in buntfarbige "Herbstzeitlosen" – oder auch Schmuckröschen ähnlich, die sich nur zaghaft lösen, um auf Julians "Schatzinsel" im geheimnisvollen Tanz zu fallen. Und die Ostsee singt ein unergründliches Lied im Urgesang schöpferischer Bestimmung......... "Kämpft für Gerechtigkeit, ihr "KLEINEN – auch "GROßEN" ...in der ich euch dankbar "begleite"!

Eure Hannelore Leibold          www.ge-dichte.besucht.de Rönshausen

36124 Eichenzell                  Telefon + Fax: O6659/1392

 

 

 

   

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